FATES WARNING - Long Day Good Night
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2020
Mehr über Fates Warning
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Metal Blade (Sony)
- Release:
- 06.11.2020
- The Destination Onward
- Shuttered World
- Alone We Walk
- Now Comes The Rain
- The Way Home
- Under The Sun
- Scars
- Begin Again
- When Snow Falls
- Liar
- Glass House
- The Longest Shadow Of The Day
- The Last Song
Der nächste Höhepunkt des Jahres 2020
Ein neues Album von FATES WARNING ist seit mittlerweile 36 Jahren ein Festtag. Klar, anno 1984 wussten das die Fans noch nicht, aber heute dürfte daran für die allermeisten von uns absolut kein Zweifel bestehen. Es ist beeindruckend mit welcher Konstanz hochklassige Alben von Jim Matheos und Co. veröffentlicht werden. Auch dem letzten Werk "Theories Of Flight" würde ich wohl mittlerweile den Stempel "Klassiker" aufdrücken. Entsprechend hoch ist natürlich die Spannung auf "Long Day Good Night", das mit 13 Songs und über 70 Minuten Musik das bislang längste Album der Herren darstellt. Die Anzahl der Songs verrät dabei aber auch gleich, dass wir hier vor allem kompaktere Songs zu hören bekommen. Mit Ausnahme des Openers 'The Destination Onward' und des vorletzten Song 'The Longest Shadow Of The Day' knackt kein Song die Acht-Minuten-Marke, die meisten laufen zwischen drei und fünf Minuten ins Ziel.
Doch bekanntlich haben Songlängen nur wenig mit Qualität zu tun. Bei FATES WARNING sowieso nicht, denn - um es vorweg zu nehmen - auch diese 70 Minuten sind natürlich ein absolutes Fest. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit sich hier Komplexität und Eingängigkeit vereinen. Wobei die Eingängigkeit einem nicht mit Anlauf ins Gesicht springt. Tatsächlich sind bei mir beim allerersten Durchlauf nur einige Bruchstücke hängengeblieben. Doch mit jedem Spin schälen sich neue Melodien heraus, bleiben Textpassagen hängen oder manifestiert sich die Stimmung der Komposition im Ohr. Das verhalten beginnende 'The Destination Onward' ist dafür ein exzellentes Beispiel. Es braucht schon ein paar Sekunden, bevor ich überhaupt wahrnehme, dass das Album losgeht, doch die anschließende, so natürliche Steigerung und der famose Refrain machen gleich klar, dass auch "Long Day Good Night" zur Spitze des Jahres 2020 zählen wiird.
Und solche Höhepunkte gibt es tatsächlich im Dutzend plus eins. Ich würde fast behaupten, dass mit 'Scars' einer der weniger herausragenden Songs zuerst veröffentlicht wurde. Wahrscheinlich war es die Angst, dass das kraftvolle 'Shuttered World' mit seinem nicht-von-dieser-Welt-Refrain die Welt tatsächlich in Schutt und Asche legen würde. Das ist eine dieser Kompositionen, die bei mir bei den ersten Umdrehungen gar nicht so recht auf dem Radar war, die ich aber dann plötzlich im Kopf vor mich hingesungen haben, weil sie ganz hinterlistig ihre Enterhaken in den Trommelfellen ausgeworfen hat. Wenn Ray Alder singt 'it's not the end there's a long long way to go', freut mann sich auf die knappe Stunde, die noch vor einem liegt um so mehr. Und mit dieser Hinterlist ist der Song nicht alleine, sondern hat in 'Liar', 'Glass House' oder 'Alone We Walk' ein paar Kameraden an der Seite, die bereit zum Entern sind.
Mein Favorit ist nach nunmehr ca. 50 Rotationen aber wohl 'The Way Home'. Die zerbrechliche Stimme Ray Alders in den ersten knapp zwei Minuten sorgt schon dafür, dass eine ganze Armee Gänse über meinen Körper marschiert, das Break sitzt so passgenau wie einst bei 'The Eleventh Hour' und der Refrain besitzt die nächste Melodie, die direkt von Apollon selbst erschaffen wurde. Ich halte es für eine durchaus glaubhafte These, dass Jim Matheos ein direkter Nachfahr des griechischen Gottes der Musik ist. Irgendwoher muss diese Inspiration ja kommen. Ähnliches lässt sich wohl auch über Ray Alder sagen, der auf "Long Day Good Night" wieder einmal einen schlicht fantastischen Job macht. Die Emotionen, die er in 'The Last Song' packt, machen mich jedes Mal aufs Neue fertig. Die Kraft, mit der er 'Shuttered World', 'Liar' oder 'Scars' singt, ist atemberaubend.
Doch auch musikalisch gibt es auf diesem Longplayer natürlich so einiges zu entdecken. So ist 'Under The Sun' mit feinen Streicherarrangements unterlegt, 'Now Comes The Rain' ist ein beinahe schwebender Rocksong, auch der ein oder andere dezente elektronische Einfluss ist mit etwas Aufmerksamkeit zu entdecken. Die Länge des Werks schlägt sich also auch in der nötigen Abwechslung nieder.
Gibt es also überhaupt etwas zu kritisieren? Nun, tatsächlich habe ich mein größtes Problem wohl ausgerechnet beim elfminütigen 'The Longest Shadow Of The Day'. Der beginnt mt einem erstauntlich harten und vertrackten Instrumentalpart, der etwa die erste Hälfte ausmacht, bevor dann nach einem etwas abrupten Break Ray Alder einsetzt. An dieser Stelle fühlt sich der Bruch nicht so natürlich an, wie bei anderen Longtracks, die Jim Matheos bereits geschrieben hat. Und das der Song dann auch noch etwas unmotiviert ausfadet, ist auch nicht ganz gelungen. Gut, jeder Part für sich ist großartig und das ist natürlich Meckern auf olympischen Niveau, aber es stört mich eben doch ein wenig.
Wenn ich "Long Day Good Night" in die Diskographie der Band einordnen muss, dann sehe ich es wohl absolut auf Augenhöhe mit dem grandiosen Vorgänger. Da dieser 9.5 Punkte bekommen hat, ist das auch hier die passende Bewertung. Vielleicht runde ich aber später doch noch auf. Dass Fans kaufen müssen, da ihnen ein Festtag bevorsteht, sagte ich ja bereits im ersten Satz.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Peter Kubaschk