FIT FOR AN AUTOPSY - The Nothing That Is
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/24
Mehr über Fit For An Autopsy
- Genre:
- Deathcore / Death Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 25.10.2024
- Hostage
- Spoils Of The Horde
- Savior Of None - Ashes Of All
- Weaker Wolves
- Red Horizon
- The Nothing That Is
- Lurch
- Lower Purpose
- Lust For The Severed Head
- The Silver Sun
Dystopisch-resignierte Post-/Deathcore-Ode an die untergehende Menschheit.
So düster und misanthropisch sie auch klingt, wohnt der todesmetallischen Abrissarbeit von FIT FOR AN AUTOPSY doch auch immer ein letzter Funken Hoffnung inne, eine zerbrechlich-zärtliche Hinwendung an das Schicksal der Entrechteten ebenso wie ein unbändig wütender Klageschrei gegen die kriegerische und umweltzerstörerische Egofixierung der Menschheit. 2019 brachte das Sextett aus New Jersey diese Wut, die Selbstzweifel und Zerrissenheit der ohnmächtigen Zuschauerrolle zusammen mit dem gespiegelten Hass der Kriegstreiber und ignoranten Fanatiker meisterhaft auf "The Sea Of Tragic Beasts" zusammen und sprengte dabei mit emotionalem Tiefgang, intelligentem Songwriting, maximaler Aggressivität und hochgradiger Eingängigkeit die Grenzen des eng gefassten Deathcore-Settings.
Der Nachfolger "Oh What The Future Holds" ging einen kleinen Schritt zurück hin zu einer im Genrekontext konventionelleren Herangehensweise, doch mit dem 2024er "The Nothing That Is" knüpfen die Amis an die vorzügliche Arbeit von "The Sea Of Tragic Beasts" an. Das größte Manko des Scheibe ist vermutlich, dass die allerstärksten Momente bereits im ersten Drittel zu finden sind, was in der Gesamtschau natürlich Klagen auf verdammt hohem Niveau ist. Mit 'Hostage' steht schließlich ein absoluter Über-Song an erster Stelle, der für sich schon den Kauf des Albums rechtfertigt: Zunächst mit tonnenschwerem Gestampfe eröffnend, nimmt der Vers durch die Instrumentalfraktion etwas Fahrt auf, löst sich dann aber mit der klangbildlich vertonten Gänsehautzeile "Heavy is the stone of sorrow..." in eine ergreifende Moll-Passage auf, in der diese unbeschreiblichen, dissonanten Trauer-Riffs erklingen und einem sprichwörtlich die Kehle zuschnüren. Nach dem zweiten Versteil setzt die Band an zu einem geradezu königlichen Refrain und stellt abermals unter Beweis, dass kompromisslose Brutalität und fordernde Tempowechsel problemlos mit umwerfender Eingängigkeit Hand in Hand gehen können. Nochmal auf Highspeed wird beim kurzen Gitarrensolo geschaltet, ehe zunächst moshend, dann erneut klagend die Handbremse gezogen wird und der Song schließlich in einer durch Gitarrenleads getragenen Traueratmosphäre verklingt, die jeder Doom-Kapelle zur Ehre gereichen würde.
Nach einem solchen Highlight auch nur ansatzweise das Niveau zu halten, stellt ein fast unmögliches Unterfangen dar, doch FIT FOR AN AUTOPSY setzt an zweiter Stelle mit 'Spoils Of The Orde' gekonnt einen harschen Kontrastpunkt: Mit deutlich erhöhtem Tempo folgt eine dreschende, brutal drückende Wutattacke, die im Chorus zu unwiderstehlichem Groove Metal überwechselt - PANTERA und Konsorten lassen grüßen! Diesmal wird umgekehrt beim Soloteil Fahrt herausgenommen, während ein weiterer Tempowechsel am Ende zu gepflegtem Headbangen animiert. Anschließend knüpft 'Savior Of None / Ashes Of All" stimmungsmäßig kongenial an den Opener an, wobei die Eröffnung diesmal von feinem IN FLAMES-Riffing getragen wird. Erneut wird nach einem wuchtigen Vers im Chorus eine unglaubliche Gänsehautkeule ausgepackt, Melodien wie von klagenden Engelschören über den Zustand der gefallenen Welt. Mir bleibt auch nach dem x-ten Durchgang jedesmal wieder die Spucke weg angesichts dieser fantastischen Kompositionen, dieser musikalischen Größe und erschütternden Tragik.
Im Anschluss muss beinahe zwangsläufig eine emotionale Pause folgen; die heißt 'Weaker Wolves' und treibt mit rollenden Trommeln die Horde voran, wie eine Hetzjagd auf die letzten Widerstände der Menschheit, die sich in aussichtslosem Aufbegehren dem zerstörerischen Hass der Mehrheit entgegenstellen wollten. 'Red Horizon' im Anschluss ist ein ähnlich resignatives Stück wie 'When The Bulbs Burn Out' anno 2017, getragen, tonnenschwer, abgrundtief deprimierend, obwohl das rötliche Licht der sinkenden Sonne noch einen Rest Wärme spendet - die Menschheit ist in ihren teuflisch-fanatischen Gewaltspiralen letztlich ja doch dem Untergang geweiht; Gott kann sich da nur noch voller Grauen abwenden - "... God closed His eyes...". Allein der nihilistisch betitelte Titeltrack darf im Refrain etwas positivere Stimmung versprühen, während wir beim folgenden 'Lurch' die blanke Wut von Joe Badolato abbekommen. Eine Wucht von einem Song, gänzlich zurückgenommen beginnend, mit dezentem Gitarrenzupfen und ruhigem Schlagzeugspiel, ehe die Instrumentalfraktion in schwermetallischem Halftime die Axt auspackt, Josean Orta mit heftigen Blasts einmal mehr sein Können an der Schießbude unter Beweis stellt und die Gitarren in Schwedentodmanier doppelläufige Leads in den Hintergrund setzen. Zum Abschluss dann die absolute Vollbremsung in bester CROWBAR-Manier. Das muss live einfach sensationell werden! Noch ungebremster und grooviger wird es bei 'Lower Purpose', einer mit knapp vier Minuten eher kurzen Headbang-Attacke, die jeden Pit in brodelndes Chaos verwandeln dürfte; hier werden in Sachen Aggressivität keine Gefangenen gemacht. 'Lust For The Severed Head' mit seinem stark death-metallischen Ansatz läuft mir als einziger Song nicht ganz so gut rein, während der Albumausklang 'The Silver Sun' ein recht progressives Stück darstellt, das von kontrastreicher Dynamik und Post-Metal-Elementen geprägt ist und dem einzig und allein die Dramatik eines 'Napalm Dreams' fehlt, um "The Nothing That Is" ebenso perfekt abzurunden wie es seinerzeit bei "The Sea Of Tragic Beasts" der Fall war.
Also: Im direkten Vergleich mit dem 2019er Meisterwerk zieht das siebte FIT FOR AN AUTOPSY-Album aufgrund des etwas flacheren Spannungsbogens haarscharf den Kürzeren, untermauert die Ausnahmestellung des Ostküstensechsers jedoch eindrucksvoll und stellt zum direkten Vorgänger eine Steigerung dar, vor allem aufgrund seiner Deluxe-Singles im ersten Drittel und der abwechslungsreichen, intelligenten kompositorischen Herangehensweise, die vollständig auf Albumlänge unter Beweis gestellt wird. Dazu noch der deutlich verbesserte Sound im Vergleich mit dem Plastikklang des Vorgängers - nun kommen auch die fetten Gitarrenwände und das Schlagzeug wieder voll zur Geltung. Und da es keine andere Band im extremen Metal-Bereich gibt, die derart gekonnt Melancholie, Einfühlsamkeit, Eingängigkeit, Abwechslung und Brutalität paaren kann wie FIT FOR AN AUTOPSY und diese Fähigkeit auf "The Nothing That Is" wieder einmal mit Nachdruck unter Beweis stellt, kann auch anno 2024 nur eine klare Kaufempfehlung für die Arbeit dieser Truppe ausgesprochen werden. Die Band steht einsam an der Spitze ihres Genres und stellt eine absolute Bereicherung für den weltweiten Metal-Zirkus dar.
Anspieltipps: Hostage, Spoils Of The Horde, Savior Of None - Ashes Of All, Lurch
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Timon Krause