FOLTERKAMMER - Weibermacht
Mehr über Folterkammer
- Genre:
- Symphonic Metal / Black Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Century Media
- Release:
- 19.04.2024
- Anno Domina
- Leck mich!
- Die Unterwerfung
- Küss mir die Füße!
- Algolagnia
- Herrin der Schwerter
- Das Peitschengedicht
- Venus In Furs
Eine provokante Ode an die Kunst!
Die Musiker von FOLTERKAMMER werden um den polarisierenden Effekt ihrer Musik wissen. Ihnen wird bewusst sein, dass es sicherlich eine Vielzahl von metallisch interessierten Hörern geben wird, die das bisweilen recht provokante Treiben mit wenig Toleranz quittieren werden. Und vielleicht mag es auch eine Sparte geben, die dem neuen Album eine gewisse Art von Effekthascherei vorwerfen wird, weil man mit relativ schrillen Gegensätzen arbeitet und dabei teils recht plumpe Texte wählt. Doch im Endeffekt wird es auch eine Gegenfraktion geben. Leute, die erkennen werden, dass die Mixtur aus symphonischem Female-Fronted-Stoff und pechschwarzem Edelstahl gewiss ihre Reize birgt. Ein Publikum, das sich vom ersten Moment an von den eigensinnigen Ideen auf "Weibermacht" angezogen und auch angesprochen fühlen wird - und das es auch nicht schräg findet, wenn die wirklich der Oper sehr nahen Arien auf verstörende Raserei treffen und dabei abstrakte Klangkombinationen generieren. Und ehrlich gesagt: Zu dieser zweiten Gruppe gehöre ich!
FOLTERKAMMER weckt bisweilen Erinnerungen an den ebenfalls recht provokanten Kram aus dem EISREGEN-Camp, jedoch ist das musikalische Niveau der multikulturellen Combo ungleich höher einzustufen als das der Ostdeutschen. Und das ist schon mal ein entscheidender Punkt. Trotzdem darf man sich anfangs gerne überfallen fühlen, vielleicht auch ein wenig verstört, wenn dieser spezielle Cocktail zum ersten Mal gekostet wird. 'Anno Domina' wählt sofort die extremsten Gegensätze, klingt wie ein finsteres Musical mit schwarzmetallischer Begleitmusik, schwenkt permanent zwischen den Polen hin und her, trifft aber genau dort irgendeinen Nerv, weil eben genau dieses zunächst Befremdliche den wahren Reiz dieses Albums ausmacht. Man stelle sich vor, THEATRE OF TRAGEDY würde noch mal aus der Versenkung auftauchen und Black Metal zum neuen Konsens erklären - dann bekommt man eine vage Vorstellung davon, was hier schon in den ersten Takten geschieht.
Wild und störrisch geht es dann auch weiter; wenn die herausragende Sängerin im gleichnamigen Track in steter Regelmäßigkeit "Leck mich!" ruft, hat das etwas sehr Obszönes, und trotzdem ertappt man sich dabei, wie man zum Ende des Songs selbst in die wiederholte Titelzeile einstimmt. Gleiches gilt für das eindringliche 'Küss mir die Füße!', in dem der Titel auch ständig wiederholt wird, ohne dass hierbei der Charme verloren geht. Doch FOLTERKAMMER kann es auch roher ('Das Peitschengedicht'), kann die Gegensätze noch krasser formulieren ('Die Unterwerfung'), aber auch mit feinen Melodiebögen verzücken, ohne dabei diese unterschwellig gemeine Seite außen vor zu lassen ('Herrin der Schwerter'). Insofern klingt es schon fast absonderlich, dass sich die Band mit 'Venus In Furs' einen Track von THE VELVET UNDERGROUND vorgenommen hat, ihn mit verstörenden doomigen Gitarren entfremdet und ihn doch derart passend modifiziert, dass er auch der eigenen Feder hätte entspringen können.
Kunst? Ja, auf jeden Fall, und das sowohl im Hinblick auf das Songwriting als auch auf die leidenschaftliche Performance. Die "Weibermacht" ist in der Tat sehr mächtig - auch wenn es nicht jedem schmecken wird. Aber das werden die Urheber auch wissen, und es wird sie wahrscheinlich nicht interessieren. Denn nur so kann man sein Ding und eben ein Ding wie dieses erst ermöglichen und auch durchsetzen.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Björn Backes