FRAMES - In Via
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/2012
Mehr über Frames
- Genre:
- Post Rock
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Steamhammer (SPV)
- Release:
- 20.04.2012
- Entrance
- Departure
- Encounter
- Calm Wisdom
- Stir
- Reflections
- Eris
- Don't Stay Here
- End Of A Decade
- Coda
Wer nicht glaubt, dass Post Rock äußerst vielseitig und kontrastreich sein kann, sollte sich mit dieser Band vom Gegenteil überzeugen lassen.
Wie in so vielen Genres ist es auch beim gesangsfreien Post Rock so, dass sich eine ganze Reihe von Bands durch die typische Stilistik musiziert, ohne ihren klanglichen Ergüssen eine eigene Note hinzuzufügen. Bands, die ihre Sache zwar gut machen, aber trotzdem irgendwie nur das kopieren, was man im Genrekontext gewohnt ist und bei vorhandener Präferenz liebgewonnen hat. Manche gehen schlicht auf "Nummer sicher", anderen fehlt es vielleicht auch an der nötigen Kreativität für Innovativeres – auf jeden Fall ist man sehr dankbar, wenn dann doch etwas Originelleres oder stilistisch weiter Gefächertes den festgefahrenen Kreis durchbricht. In dieser Hinsicht hatte man bereits vor zwei Jahren mit der "Mosaik" von FRAMES aus Hannover eine Menge Grund zur Freude und auch der Nachfolger "In Via" bietet, wenn auch fast immer innerhalb der Grundfeste des Post Rocks verweilend, einiges Erhellendes, wenn auch wenig Bahnbrechendes.
In Sachen Songwriting sind der Band einige Glanzstücke gelungen, von hübsch harmonischem Gedudel ist man meilenweit entfernt. Wenn auch manchmal arg entspannt, weiß "In Via" häufig wirklich zu packen, vor allem wenn man sich in die dynamischeren Passagen hineintreiben lässt. Vereinzelt offenbart sich sogar eine beinahe jazzige Schlagseite im postrockigen Kosmos. Auffällig ist auf jeden Fall, dass häufig trotz der beschaulichen Klangwelten Breitwandsound geboten wird. Flächige Sounds, atmosphärisch dicht dargeboten und mit allerlei Akzentuierungen und laut/leise-Kontrasten sorgen für den richtigen Spannungsbogen zwischen den Polen romantisch-bedächtig sowie kraftvoll-wuchtig. Trotzdem ist der harmonische Reigen natürlich prinzipiell eher etwas für Träumer, das sollte man bei allem Lob für Variabilität und vereinzelte Eruptionen im sanften Tönen nicht vergessen.
Während ich bei literarischen Zitaten in der Musik gerne auch mal das Gefühl habe, solcherlei geschehe nur um des "gehobenen Anspruchs" willens, fügt sich dies bei FRAMES wirklich gut und sehr passend ein. In dem Song 'Departure' sowie dem abschließenden 'Coda' wird der gesprochene Text des Hermann-Hesse-Gedichts "Stufen" eingeflochten. Gesang als Gastbeitrag wie beispielsweise bei LONG DISTANCE CALLING gibt es hier aber nach wie vor nicht. Dafür deutet die Band u.a. zu Beginn von 'End Of A Decade' ganz kurz mal an, dass man auch richtig krachig und brachial kann - diese Facette darf zukünftig gern noch weiter ausgelotet werden. 'Eris' ist ein weiterer Song, der etwas aus dem Rahmen fällt, da sein getragenes und massiv-düsteres Grundthema ein gutes Stück dunkler und metallischer (in gewisser Weise fast schon doomig) wirkt als der Rest. 'Stir' ist hingegen eine Nummer, die beschwingt und fast schon heiter klingt und damit die komplette Stimmungspalette in der anderen Richtung abrundet. Der beste FRAMES-Song bleibt aber weiterhin mit hauchdünnem Vorsprung 'Insomnia' von der "Mosaik" - einige Nummern auf "In Via" kratzen am Thron, kommen aber dann doch nicht ganz ran.
Es gibt sicherlich viele Post-Rock-Kapellen, die weniger packende Klangteppiche fabrizieren, zudem gelingt es den Hannoveranern auch über den musikalischen Tellerrand zu schauen und sich eben nicht auf den typischen Post Rock zu beschränken. So ist es gerade das Abwechslungsreiche, die zahlreichen Richtungswechsel, durch die das Album trotz aller Homogenität und der fast ausnahmslosen Hinwendung zu gefühlvoll-schwelgerischem Klanggut, immer wieder begeistern kann. Trotzdem fand ich den Vorgänger, ihr ebenfalls wunderbares Debütalbum "Mosaik", im Direkvergleich noch ein Stück spannender, weil dieses irgendwie frischer und "spontaner" klingt und das Zweitwerk fast schon zu sehr durcharrangiert und exakt ausbalanciert wirkt. "In Via" ist dabei stellenweise regelrecht opulent intoniert - die kraftvollen Passagen klingen intensiver und die ruhigen Passagen wirken noch atmosphärischer als dies auf dem Premierenwerk der Fall ist. Trotzdem ist die Platte kontrastreich und vertrackt genug, um die Aufmerksamkeit des Hörers die ganze Zeit über zu binden. Da braucht es einfach keinen Gesang obendrauf, vermutlich würde das in dieser musikalischen Form mit einer solchen grundsätzlich sehr prägnanten zusätzlichen Komponente auch gar nicht funktionieren. Es bestünde die ernsthafte Gefahr, dass da einfach zu viel Stilprägendes verloren gehen würde. Davon haben FRAMES nämlich auch so eine ganze Menge an Bord.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer