GAMMA RAY - Powerplant
Mehr über Gamma Ray
- Genre:
- Melodic Speed Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Noise Records
- Release:
- 20.03.1999
- Anywhere In The Galaxy
- Razorblade Sigh
- Send Me A Sign
- Strangers In The Night
- Gardens Of The Sinner
- Short As Hell
- It's A Sin
- Heavy Metal Universe
- Wings Of Destiny
- Hand Of Fate
- Armageddon
Jetzt gebe ich die Objektivität mal an der Garderobe ab...
Es gibt Momente im Leben, die darf man ruhig mal feiern - auch wenn sie für den Rest der Menschheit irrelevant sind. Und diesen Moment nehme ich mir jetzt und blicke zurück auf ein Jahr lang POWERMETAL.de und mittlerweile 49 Plattenkritiken zu allen möglichen Spielarten der harten Musik. Für mein 50stes Review haben ich mir deswegen nicht nur eine Scheibe ausgesucht, welche in unserem Pool bisher gefehlt hat (man könnte fast meinen, das wäre eine Achillesferse), sondern vor allem ein Album, welches entscheidend dazu beigetragen hat, dass ich mich für Metal und Musik im Allgemeinen so sehr begeistere.
Ich hatte damals nicht den sprichwörtlichen großen Bruder, welcher mich mit metallischem Stoff versorgte - im Gegenteil, im Hause Rosenthal waren BLACK SABBATH und DEEP PURPLE das härteste der Gefühle. Viel eher saß ich mit meinem Vater im Wohnzimmer und wir guckten jedes Wochenende aufs Neue die MTV European Top20 und andere Chartformate. Auch in meinem damaligen Freundeskreis spielte Rock eine kaum existente Rolle und man freute sich auf den nächsten Besuch der Disco. Da es in unserer kleinen Harzer Gemeinde auch keine offensichtliche Metal-Szene gab, war diese Musikrichtung für mich quasi nicht existent.
Dank "Tunes Of War" (GRAVE DIGGER) bin ich dann wie die Jungfrau zum Kinde gekommen und fing an, mich intensiv mit dieser neuen "Welt" zu beschäftigen. Das Taschengeld wurde dann fix im Elektrogroßhandel oder im EMP in die ersten Scheiben investiert. Neben Platten, wie BLIND GUARDIANs "Imagination From The Other Side", PRETTY MAIDS "Back To Back" und HAMMERFALLs "Glory To The Brave" folgte auch direkt GAMMA RAY mit "Power Plant".
Und während jedes der genannten Alben einen massiven Einfluss hatte, waren es aber insbesondere die Hamburger, welche nachhaltig unsere gesamte Clique auf den Kopf stellten. Wie ein Virus breitete sich plötzlich der Metal-Spirit aus und niemand konnte und wollte sich in Rettung bringen. Während sich die einen direkt das Wacken-Ticket für 2000 besorgten, brannten sich andere für die wöchentlichen Club-Touren CDs zusammen, welche plötzlich von 'L'Amour Toujours' (GIGI D'AGOSTINO) zu 'Send Me A Sign' sprangen und der Stimmung im Auto keinen Abbruch taten.
Und diese Begeisterungsfähigkeit ist es die GAMMA RAY für mich auch heute noch zum Nonplusultra des deutschen Speed-, Power-, Melodic-Metal macht. Lange vor SABATON, POWERWOLF und Epigonen konnte diese Band mit diesem Album Menschen zu Metal-Fans machen. Und sei es nur für 3-4 Minuten.
Schon alleine der Opener 'Anywhere In The Galaxy' konfrontiert einen mit einer solch herzensguten Epik, dass es einen Waffenschein braucht. Erst später wurde einem bewusst, wie klasse Hansen & Co. hier thematisch den Bogen vom Vorgänger "Somewhere Out In Space" schlagen. Ist das Happy-Metal? Hat uns nicht interessiert - passte es doch perfekt zu den Außerirdischen von EIFFEL 65. Auch heute finde ich den Song noch einen fantastischen Türöffner, welcher von der ersten Sekunde an eingängige Teile und bestes Headbanger-Futter kombiniert und sich zum Ende sogar noch weiter steigert. Und dann ging es ja erst richtig los. 'Razorblade Sigh' war das erste metallische Lied, welches ich vollkommen auswendig mitgrölen konnte. Was für ein Knaller! Besonders der Mittelteil sorgte für metertiefe Gänsehaut. Unverschämt eingängig und Kai Hansen in Bestform.
Wenn man das Album Track by Track durchgeht, folgt nun der absolute Gamechanger: 'Send Me A Sign'. Zusammen mit HAMMERFALLs 'Heeding The Call' für mich und sicherlich den Großteil der Menschen in meiner damaligen Clique die größte Metal-Hymne aller Zeiten. Ich habe Parties erlebt wo alleine durch den Klang des Intros (bei manchen reichte schon das Geräusch des Windes) plötzliche Menschen den Dancefloor stürmten, die vor einigen Sekunden noch auf dem Klo, auf der Freundin oder im Buffet gehockt hatten. Mind Blowing! Dieser Song ist meine Jugend! Mehr möchte ich gar nicht sagen. Umso schwerer hatten es dann jahrelang die nachfolgenden Songs. Aber ob nun 'Strangers In The Night' mit seiner puren Wucht, aggressiven Vocals und atemberaubend melodischen Gitarren oder sein kongenialer Partner 'Gardens Of The Sinner', beide Songs punkten mit einem perfekten Chorus und der Kernkompetenz des ganzen Albums. Man kann - nein muss - jede verdammte Strophe mitsingen. Das Albumherz 'Short As Hell' brachte dann noch einmal eine ganz andere Herangehensweise ins Spiel und war der perfekte Grower. Wie oft musste ich hören, dass Metal keine Musik zum Tanzen sei. Was habe ich schon für Frauen zu diesem Groove tanzen sehen. Da würde manch Kritiker sich aber mehr als nur einen Knopf aufmachen. Ja, dieser Song ist sexy.
Beim nächsten Track handelt es sich dann um das PET SHOP BOYS-Cover 'It's A Sin' und quasi die Legimitation, dass Metal nicht nur was für Metaller sei, sondern wir alle ein Teil sein dürfen, wenn wir denn wollen. Auch dieser Track ist essenziell für mich, überzeugte er doch meinen Vater von dieser Art der Musikrichtung. Bei ihm lief nämlich gerade "Nightlife" hoch- und runter und diese Version öffnete seine Ohren für härtere Klänge. Heutzutage weiß ich, dass die Nummer doch sehr nah am Original klebt und wenig eigene Akzente setzt. Mit Sicherheit der "Schwachpunkt" eines sonst makellosen Albums.
Der Song 'Heavy Metal Universe' machte mich dann über Nacht zum MANOWAR-Fan obwohl ich noch nie einen Song der Amerikaner gehört hatte. "There ain't no way to stop us - And you'll never kill our pride - 'Cause it's not only music - It's a chosen way of life" Aber so was von! Auch dieser Song war damals ein Booster für jede Feier.
Der einzige eigene Song, der für mich nicht ganz das Niveau der anderen halten kann, ist 'Wings Of Destiny'. Aber auch hier sprechen wir immer noch von einer großartigen Speed-Nummer, welche auch schön die alte HELLOWEEN-Vergangenheit berücksichtigt. Nichtsdestotrotz ist diese Nummer schon etwas sperriger als der Rest der Platte. Kurz vor dem großen Finale folgt dann mit 'Hand Of Fate' mein persönlicher Geheimtipp des Albums. Bombast am Anschlag mit wunderbaren Keyboard-Melodien im Hintergrund und einem meiner absoluten Lieblingsrefrains des Albums. Womöglich kommt hier auch schon etwas meine spätere Passion für progressive Klänge zu tragen, da auch instrumental einiges passiert.
Und dann das Finale. Der stärkste GAMMA RAY Song aller Zeiten. Ein Lied, welches mein Leben vollkommen verändert hat. Jede Sekunde ist Perfektion, jede Note pure Magie und jedes gesungene Wort eine Offenbarung. Jede Silbe wurde damals mitgegrölt und jede Gitarrenmelodie mitgesungen.
Noch heute kriege ich Gänsehaut und Tränen in den Augen, wenn ich daran denke, wie wir uns in den Armen gelegen haben und uns in dieser Nummer in einen Rausch verloren haben. Das ging so weit, dass verschiedene Leute verschiedene Parts übernommen haben und diese Teile kreuz und quer performt wurden nur um genau nach 7 Minuten und 13 Sekunden in einem puren Orgasmus gemeinsam zu explodieren.
Könnte man sich eine kleine Melodie tätowieren, dann würde meine Wahl direkt auf diese Stelle fallen. 'Armageddon' klingt wie das Best-of eines Long-Tracks und ist an Dramaturgie und Emotionalität für mich nicht mehr steigerungsfähig. Somit verbietet sich für mich alles andere als die Höchstnote, wobei ich glaube, dass dieses Album auch ohne rosarote Nostalgiebrille ein Meilenstein des Metal sein müsste. Vielleicht gibt es ja da draußen aber auch weitere Seelen, die mit "Power Plant" ähnliche Gefühle verbinden wie unsereins.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Stefan Rosenthal