GEIST - Kainsmal
Mehr über Geist
- Genre:
- Black Metal
- Label:
- Cold Dimensions
- Release:
- 10.07.2006
- Erben aller Einsamkeit
- Einst war es Wein
- Lykoi
- Stille Wasser
- In Pans Hallen
- Kainsmal
Eigentlich sollte sich ein schlimmes Zeichen der Schande anhören, als wäre es dazu verflucht, keine vernünftig-ansprechende Musik komponieren zu können. Im Fall von GEISTs neuer Scheibe "Kainsmal" ist es andersherum: Die junge Band aus deutschen Landen liefert mit ihrem zweiten Album ein fulminantes Werk ab, das nicht nur äußerst positiv überrascht, sondern gleich noch viele Vorurteile über die Schwächen der deutschen Black-Metal-Szene ad absurdum führt. Denn GEIST sind in ihrer Musizierkunst zwar der Vergangenheit des Black Metals noch durchaus zugetan, mischen aber neue Stilelemente in dieses scheinbar so enge Genre. Und kulminieren diesen hohen Anspruch in einem Song, der wohl die schillernde Krone ihrer bisherigen Schöpfung ist: 'Kainsmal', der Titelsong, ein Stück, über das sich viele Zeilen verfassen lassen, wenn die Nacht lang, die Sonne bald hell und das Hirn noch wach ist.
Es ist dieser Song, der in sich die Essenz des Schaffens von GEIST trägt. Anfangend mit ruhigen Akustikgitarren setzen bald krachend die verstärkten Klampfen ein. Die Stimme von Sänger Cypher D. Rex überschlägt sich und beginnt zu rasendem Tempo mit herausstechendem Krächz-Kreisch-Sprechgesang in deutscher Sprache. Danach beginnt sich der Song mit kreativen Elementen fast zu überdehnen: Langsame Parts mit hymnische Charakter treffen sich mit machtvollen Midtempo-Riffs, sanfte Keyboards säuseln im Hintergrund mit eigenartig-entrückten Melodien und Trommelwirbel geben der gemächlichen Geschwindigkeit den nötigen Kraftschub. Dazu intoniert Cypher D. Rex äußerst einprägsame Textzeilen:
"Es kam die Nacht, einsam und kalt,
Der Morgen ohne Trost und klamm.
Und endlich zog die Winterluft
Auf weiten, leisen Schwingen
Seltsam nah zu uns heran"
Trotz seines krassen Gesangs sind solche Passagen mühelos zu verstehen - und fahren deswegen gerade unter die Haut. In rasendem Tempo geht 'Kainsmal' weiter, verdichtet seine Geschwindigkeit, einem Fanal gleich. Und plötzlich intoniert der schon verstorbene und unvergessene Schauspiel-Psychopath Klaus Kinski mit klarer Stimme ein Gedicht von Friedrich Nietzsche:
"Vereinsamt
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat!
Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?
Die Welt - ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends Halt.
Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.
Flieg, Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! -
Versteck, du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schein, -
Weh dem, der keine Heimat hat!"
Es sind Momente wie dieser, die aus "Kainsmal" nicht nur eine gute, sondern eine (nieder-)zwingende Platte machen. Ein Album, geschaffen von Besessenen der Finsternis und der dunklen Melancholie, die ihre Visionen musikalisch intelligent verpacken und zu keiner Zeit wie aufgesetzte Düsterlinge á la SAMSAS TRAUM wirken. Bei GEIST sind dagegen Perfektionisten am Werke, die zugleich die deutsche Dichtkunst perfekt beherrschen und so neben gnadenlos-grandiosen Melodie- und Rifflandschaften noch eine wunderbare Welt der dunklen Poesie kreieren. So bleibt zur Gratulation zu diesem außergewöhnlichem Werk eigentlich nur ein weiteres Zitat aus dem mit einem wunderbar treibenden Rhythmus versehenen Stück 'Stille Wasser'...
"Verweile, Augenblick, du bist so schön...
... ich will an dir zugrunde geh'n!"
Anspieltipps: Alles...
- Redakteur:
- Henri Kramer