GORGOROTH - Instinctus Bestialis
Auch im Soundcheck: Soundcheck 06/2015
Mehr über Gorgoroth
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Soulseller Records (Soulfood)
- Release:
- 12.06.2015
- Radix Malorum
- Dionysian Rite
- Ad Omnipotens Aeterne Diabolus
- Come Night
- Burn In His Light
- Rage
- Kala Brahman
- Awakening
Ein gutes Werk, das Altfans jedoch einige Toleranz abverlangt.
Die Gewässer sind selten ruhig bei Infernus und seiner Band. Einmal mehr machte der Sänger einen Abgang, was in diesem Falle sehr schade ist, denn Pest war stets eine wichtige Identifikationsfigur und ein charismatischer Frontmann, ebenso wie dessen Nachfolger und Vorgänger Gaahl. Dass die ansonsten mit dem letzten Gründungsmitglied Infernus und den Herren Watkins und Asklund im Vergleich zum Vorgänger unveränderte Band nun den mit 27 Jahren noch recht jungen Serben Atterigner ans Mikro geholt hat, der ansonsten lediglich mit seinen bisherigen Bands TRIUMFALL und TERRÖRHAMMER bescheidene Meriten sammelte, verwundert zunächst und birgt sicherlich ein Risiko in Sachen Akzeptanz der Fans. Es mag sein, dass sich Atterigner etablieren und bei Liveauftritten bewähren wird, doch für den Moment scheint es mir als würde er es sehr schwer haben, die großen Fußstapfen seiner Vorgänger füllen zu können, denn dazu fehlt ihm momentan noch die Eigenständigkeit in der Stimme und das Charisma im Ausdruck. Zudem stellt seine Gesangsdarbietung insoweit einen Bruch in GORGOROTHs Vokaltradition dar, als der Mann deutlich mehr gen tiefere, wenn auch meist gut verständliche Growls neigt, als zum oft hysterischen, schrillen Kreischen der Herren Gaahl und Pest.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich GORGOROTH auf "Instinctus Bestialis" inzwischen auch instrumental sehr weit von den eigenen Wurzeln entfernt hat. Früher prägende Markenzeichen wie eiskalte, surrende Riffs und ein dünner, schneidender, höhenlastiger Sound sind inzwischen komplett über Bord gegangen. Statt dessen hat die Band einen sehr starken Death-Metal-Touch abbekommen, was wenig wundern mag, bedenkt man die musikalische Vergangenheit der Herren Asklund (DISSECTION, DARK FUNERAL) und Watkins (THE HENCHMEN, OBITUARY, HELLWITCH). Gerade die Nähe zum späten DISSECTION-Werk "Reinkaos" nehme ich sehr deutlich wahr, was speziell für den Song 'Ad Omnipotens Aeterne Diabolus' gilt, der auch auf jener Scheibe eine gute Figur abgegeben hätte und der einem doch ein kleines Schmunzeln ins Gesicht zaubert, wenn Atterigner mehrfach die Worte "Hail Satan!" mit der gebührenden Ernsthaftigkeit in die Runde schmettert, bevor ein fein blastendes Endinferno dem Song den Garaus macht. Der Sound ist voluminös und dicht, die Riffs wirken für GORGOROTH-Verhältnisse recht technisch und hackend, die Leads sind oft sehr melodisch, doch das Gesamtbild des Werkes ist erdrückender, wuchtiger und oft schleppender, midtempolastiger als wir das von GORGOROTH gewohnt sind, wenn es natürlich auch nach wie vor Geschwindigkeitsausbrüche gibt, wie etwa beim Opener 'Radix Malorum'. Die Gitarrenwand ist mächtig und dunkel, dafür geht allerdings viel von der gespenstischen, schemenhaften, typisch norwegischen Atmosphäre verloren, welche die Band einst auszeichnete, was wenig wundert, wenn man bedenkt, dass mit Infernus gar nurmehr ein einziger Norweger an Bord ist.
Dem Fan der ganz alten GORGOROTH-Werke wird das vorstehend Geschriebene sicherlich einiges an Vorfreude genommen haben, und ja, so leid es mir tut: Wer nach dem für mich nach wie vor großartigen, aber doch schon zeitgemäßer klingenden Vorgänger "Quantos Possunt..." sechs Jahre lang darauf gehofft haben sollte, dass sich GORGOROTH weiter an das eigene Frühwerk annähert, der wird natürlich enttäuscht sein. Die Zeiten für Reminiszenzen an "Pentagram" und "Antichrist" scheinen von einigen wenigen Riffzitaten oder Rhythmen wie etwa bei 'Dionysian Rite' unwiderruflich vorbei. Heute gibt es für uns dafür mal ein neoklassisches Motiv im Intro zu 'Come Night', das im weiteren Verlauf einen stampfenden, mahlenden Groover abgibt, oder desgleichen beim folgenden 'Burn in His Light', das zudem mit einigen seltsamen Rhythmusfiguren und hochmelodischen Leadgitarren um die Ecke kommt. Wem das jetzt alles danach klingt, als wäre die neue GORGOROTH eine schlechte Scheibe, der liegt damit jedoch ebenfalls falsch. Das Songwriting des Herrn Tiegs ist weiterhin sehr markant und eingängig, so dass etliche Songs im Refrain mit starken Hooks aufwarten können und so im Ohr bleiben. Dazu tragen auch zahlreiche feine Gitarrensoli bei, für welche man sich ganze drei Gastmusiker ins Studio geholt hat, darunter Henrik "Typhos" Ekeroth (ex-DARK FUNERAL, ex-FUNERAL MIST) und Chris Cannella (AUTUMN'S END), der gar schon auf einer QUEENSRYCHE-Scheibe kurz zu hören war.
Damit bleibt im Fazit zu sagen, dass sich GORGOROTH mit "Instinctus Bestialis" sehr weit von den eigenen Wurzeln entfernt; für viele Fans der alten Tage sicherlich zu weit. Auf der anderen Seite liefern Infernus, Asklund, Bøddel und Atterigner aber ein blitzsauber ausgearbeitetes wie produziertes und kompositorisch starkes Album ab, das sich ziemlich genau auf der Grenze zwischen zeitgemäßem Black Metal und satanischem Black Metal der melodischeren Art bewegt. Wer sich also bei dem bereits erwähnten DISSECTION-Spätwerk wohlfühlt und wem es bei BEHEMOTH gerne mal etwas weniger vertrackt und komplex zugehen dürfte, wer aber gleichzeitig noch seine Freude an ein paar hauchzarten Reminiszenzen an die eigene GORGOROTH-Vergangenheit oder einigen Parallelen zu GEHENNA-Werken wie "Murder" und "WW" hat, dem kann der tierische Instinkt durchaus empfohlen werden. Dennoch befürchte ich, dass sich hier für eine GORGOROTH eine Sackgasse abzeichnen könnte, denn viele alte Fans der Truppe werden diesen neuen Weg nur widerwillig mitgehen, wenn überhaupt. Mir gefällt die Scheibe dennoch wirklich gut, doch der 90er-Norge-Fanatiker darf sich gewarnt fühlen!
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle