GUILT MACHINE - On This Perfect Day
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2009
Mehr über Guilt Machine
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Mascot/Rough Trade
- Release:
- 28.08.2009
- Twisted Coil
- Leland Street
- Green And Cream
- Season Of Denial
- Over
- Perfection
Arjen Lucassens neuestes Projekt: AYREON light, aber gut.
Nach dem für meinen Geschmack fast schon überreich mit Gast-Sängern gesegneten letzten AYREON-Werk überrascht Prog-Meister Arjen Lucassen seine Anhänger wieder mit einer bandähnlichen Konstellation, hat jedoch offenbar aus der STREAM OF PASSION-Erfahrung gelernt, denn das Wort "Band" fällt in Verbindung mit seinem jüngsten Baby GUILT MACHINE zu keiner Sekunde. Statt der bei AYREON üblichen drölfzig Vokalisten, die sich um die Gesangslinien streiten dürfen, wurde das neue Projekt quasi mit der kleinstmöglichen Besetzung eingespielt: Neben Gitarristin Lori Lindstruth (Ex-STREAM OF PASSION) als inzwischen langjähriger Wegbegleiterin, Schlagzeuger Chris Maitland (ex-PORCUPINE TREE) und natürlich Arjen selbst in orchesterverdächtiger Personalunion (Gitarre, Mandoline, Bass, Keyboards und Hintergrund-Gesang gehen auf sein Konto) plus ein paar durch Gastmusiker beigesteuerte Geigen- und Cello-Parts gibt es auf "On This Perfect Day" zwar viele Stimmen zu hören, aber nur einen weiteren Sänger. Fans aus aller Welt bereichern das Album mit ihren zuvor auf Tonband hinterlassenen gesprochenen Gedanken über Schuld, Bedauern, Leben, Tod und die menschliche Natur in solch unterschiedlichen Sprachen wie Deutsch, Tagalog oder Portugiesisch. Und die durchaus in der Tradition ruhiger AYREON-Stücke stehenden sechs Longtracks werden von dem erstaunlich variablen Alternative-Rocker Jasper Steverlinck (ARID) gesanglich veredelt. Das Ergebnis ist naturgemäß weniger spannend als ein neuer AYREON-Output, aber trotzdem sehr hörenswert.
Das liegt neben Arjen Lucassens unglaublichem Gespür für große Melodien, eingehüllt in den unverkennbaren "Electric Castle" Sound, Lori Lindstruths überraschend zurückhaltenden melodischen Gitarren-Soli und Chris Maitlands progressiv-akzentuiertem Schlagwerk vor allem an den organischen Vocal-Lines von Jasper Steverlinck, der mal an ANATHEMAs Vincent Cavanagh erinnert (auch optisch gibt es eine gewisse Ähnlichkeit), mal an OPETHs Mikael Åkerfeldt. Wenn man Jasper einen Vorwurf machen kann, dann den, dass man sich an der einen oder anderen Stelle auch die Stimme eines AYREON-Wiederholungstäters vorstellen könnte. Jasper ist vielleicht nicht unverwechselbar, aber sein Gesang passt perfekt zu Arjens Kompositionen.
"On This Perfect Day" ist ein leises Album mit nachdenklichen, aus der Feder von Lori Lindstruth stammenden Texten, um die herum sich die einzelnen Songs ganz langsam aufbauen dürfen, um sich schließlich in epischen Passagen zu entladen. Der in der ersten Hälfte sehr bedächtige Opener 'Twisted Coil' nimmt sogar erst nach gut fünf Minuten rockige Fahrt auf und findet sein großes Finale im emotionalen letzten Refrain. Schön, wie dessen Text mit jeder Neuinterpretation (erst sanft, dann leicht wütend-verzerrt, schließlich verzweifelt) dazugewinnt!
'Leland Street' verbindet warmen 70er-Akustik-Rock mit AYREONschen Space-Gitarren-Klängen. 'Green And Cream' feiert progressive Orgien. Das PINK FLOYDige 'Season Of Denial' überrascht mit folkloristischen Mandolinen- und traurigen Geigen-Klängen und demonstriert einmal mehr, dass Sänger Jasper in den gefühlvollen Momenten sehr viel zu geben hat. Ein wenig blass ist das mit sechs Minuten vergleichsweise kurze (!) 'Over', welches recht belanglos vor sich hinplätschert. Doch nach dem optimistisch stimmenden finalen Strauss bunter Melodien namens 'Perfection' hat man trotzdem die typische Lucassen-Wundertüte genossen, nur eben mit weniger Sängern. Aber dafür einem wie immer superben, perfekt auf den eher dunklen Tenor der Texte abgestimmten Artwork, gefertigt von Christophe Dessaigne, den der bekennende Nachwuchsförderer Lucassen angeblich auf Flickr erspäht hat.
Die limited edition erscheint mit (mir nicht vorliegender) Bonus-DVD, auf der unter anderem sieben weitere Audio-Tracks und ein vierzigminütiges Interview zu finden sein werden. Nimmt man bisherige Lucassen-Veröffentlichungen als Maßstab, dürfte es sich hier wieder um ein wertiges Paket zum kleinen Aufpreis handeln.
In der Gesamt-Diskographie steht GUILT MACHINE zwangsläufig hinter den letzten, herausragenden AYREON-Alben, doch Fans des großen Holländers dürfen bei dieser AYREON-light-Fassung trotzdem bedenkenlos zugreifen.
Anspieltipps: Twisted Coil, Green And Cream, Season Of Denial
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Elke Huber