GUNS N' ROSES - Chinese Democracy
Mehr über Guns n' Roses
- Genre:
- Hardrock
- Label:
- Geffen/Universal
- Release:
- 28.11.2008
- Chinese Democracy
- Shackler's Revenge
- Better
- Street Of Dreams
- If The World
- There Was A Time
- Catcher In The Rye
- Scraped
- Riad N' The Bedouins
- Sorry
- I.R.S.
- Madagascar
- This I Love
- Prostitute
Die Vollendung des wohl berühmtesten Running Gags der Rock & Roll-Historie
Freudentränen? Oder doch Enttäuschung? Eigentlich sollte man sich ja freuen, dass Wiliam Axl Rose und seine wechselnden Helfershelfer nach gefühlten neun Leben endlich ihren, vorsichtig gesagt, schon etwas länger angekündigten neuen Silberling in die Läden gestellt haben. Andererseits solte sich jetzt mindestens jeder zweiter Kritiker ein wenig betroffen fühlen: Zu schön war es nämlich, in den letzten Jahren immer wieder auf den wohl witzigsten Running Gag der Rock & Roll-History zu verweisen, der zwischendurch sogar schon als unendliche Geschichte in die Annalen einzugehen drohte. Seit dem letzten Jahr schienen Rose und Co. aber dann doch Ernst zu machen. Die Werbemaschinerie wurde langsam angekurbelt, erste Bedingungen für die Vermarktung aufgesetzt und letztendlich tatsächlich der Feinschliff organisiert, damit "Chinese Democracy" Monate später dann endlich freigegeben werden durfte. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft haben die Skandalnudeln nun ihr Versprechen eingelöst - die Platte steht, und das glaubt man wirklich nur, wenn man es selber gesehen hat - in den Händlerregalen und stellt sich nach anderthalb Dekaden offizieller Release-Pause den skeptischen Fans.
Skepsis ist aber alleine schon deswegen angebracht, weil die wenigen Auftritte, die der neu formierte Fünfer in der Zwischenzeit abgerissen hat, weniger überzeugend waren. Man erinnere sich nur mal an die Show am Nürburgring, die erst nach ca. zwei Stunden Verzögerung angepfiffen wurde und dann auch noch ein Griff ins Performance-Klo wurde. Und ganz ehrlich: Wer würde Rose schon zutrauen, ohne seine elementaren Sidekick Saul Hudson aka Slash überhaupt an seine Glanzzeiten anknüpfen zu können?
"Chinese Democracy" liefert nun die erforderlichen Antworten auf alle vorab getätigten Diskussionen. Und erwartungsgemäß ist das Album nicht die Revolution des Hardrock-Business' geworden, zumal den Musikern auch zugestanden sei, sich seit "Use Your Illusion" weiterentwickelt zu haben. Allerdings ist das neue Werk der Hollywood-Recken auch kein enttäuschendes geworden, denn dafür gehen die Musiker einfach viel zu ambitioniert an die Sache heran. Axl zeigt sich bissig und angriffslustig, wenngleich seine mitreißenden Shouts wohl der Vergangenheit angehören dürften. Allerdings liefert der Frontmann in den 14 neuen Stücken eine weitestgehend souveräne Vorstellung ab, sei es nun in den erstaunlich breit gesäumten ruhigen Passagen oder auch in den groovigen Stücken, die vor allem im ersten Drittel die Szenerie bestimmen. 'Better' und 'There Was A Time' sind dabei sogar als klassische GUNS'N'ROSES Stücke zu entlarven, wohingegen das von modernen Stakkatos eingeleitete 'Shackler's Revenge' sich mit der Zeit auch in diese Richtung entwickelt, spätestens im melodischeren Refrain.
Ein wesentlicher Unterschied zu den 90er-Alben besteht indes darin, dass sich auf "Chinese Democracy" nicht ganz so viele offensichtliche Hooklines verbergen. Hier und dort hat die Band zwar ein paar griffige Refrains eingebaut, aber nicht jeder Song will direkt beim ersten Durchlauf zünden und kleben bleiben. Diese Qualität sollte man aber insgesamt gutheißen, da es den meisten Songs auf Anhieb gelingt, die Neugier des Publikums zu wecken.
Ein weiterer auffälliger Punkt ist die Reduzierung der Riffs in der zeiten Hälfte. Die GUNS'N'ROSES nehmen das Tempo und die Heavyness heraus und tendieren stattdessen zu Arrangements, wie man sie von 'Estranged' und Konsorten her kennt. Dies gelingt mal mehr ('This I Love'), mal weniger ('If The World'), hält sich alles in allem jedoch in einem überraschend angenehmen Rahmen, in dem selbst die Streicher im pathetischen 'Prostitute' nicht zu aufdringlich erscheinen. Und bei richtig starken Songs wie 'Madagascar' und 'Riad N' The Bedouins' wird man sich sowieso hüten, die Platte mit einem Frontalangriff zu attackieren.
Haben die GUNS'N'ROSES nun doch noch alles richtig gemacht? Nun, Rose und seine Mannschaft haben sich zumindest auf kompositorischem Level nix vorzuwerfen und summa summarum eine richtig gute Platte eingespielt. Fans der ersten Alben werden aber womöglich dennoch nicht mit der Entwicklung auf "Chinese Democracy" zufrieden sein, sollten aber gleichzeitig überlegen, welche Erwartungen sie überhaupt an dieses Album hatten. Kurzum: Axl hat ohne seine treibenden Kräfte als Songwriter sicher nicht das Maximum herausgeschlagen, sich aber mehr als achtbar aus der Affäre gezogen. "Chinese Democracy" ist mitnichten ein Meilenstein, aber dennoch ein lohnenswertes Hardrock-Album. Und wenn man diesen Aspekt mal mit allen Befürchtungen abgleicht, ist das schon eine ganze Menge!
Anspieltipps: Madagascar, Shackler's Revenge, Riad N' The Bedouins
- Redakteur:
- Björn Backes