HäXAN - White Noise
Mehr über Häxan
- Genre:
- AOR / Melodic Hard Rock
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Eigenvertrieb
- Release:
- 24.07.2020
- Damned If You Do
- Killing Time
- Nine Lives
- Grave Digger
- Louder Than Words
- Black Sheep
- Crash and Burn
- Skeletons
- Living Dead
HÄXAN aus Wales veröffentlicht das Banddebüt, das Hardrock-Jünger/innen begeistern wird!
Obwohl der Bandname geradezu Black–metallisch anmutet und auch ein schwedischer Horrorstummfilm aus dem Jahr 1922 den gleichen Namen trägt (Häxan auf schwedisch = Hexen auf Deutsch; im englischen Sprachraum durchaus ein exotischer Name), muss ich bereits zum Schminktöpfchen greifende Extrem–Metaller schwer enttäuschen. Was da aus dem walisischen Unterholz im Juli 2020 zur Veröffentlichung ansteht, trägt sogar den Titel "White Noise" und ist prächtig fett drückender Hardrock mit – und das nehme ich schon einmal vorweg – überaus großem Hitpotential!
Wie THUNDERMOTHER oder auch THE AMORETTES sind die Mitglieder von HÄXAN durchgängig mit zwei X–Chromosomen versorgt, es handelt sich somit um eine reine Frauenband. Im Unterschied zu den beiden genannten Kapellen gelingt es jedoch den drei Waliserinnen aus Cheltenham (Süd–Wales) auf ihrem Debüt-Album in erster Linie durch richtig (richtig!) gute Songs zu überzeugen. Die können alle neun mit tollen Melodien glänzen, an denen man sich teilweise nicht satt hören kann, und werden knackig nach vorne gespielt. Diese Aufgabe erledigt die Rhythmusgruppe in Personalunion von Jess Hartley an den Drums und Harriet Wadeson am Bass absolut fabelhaft. Für ein Debütalbum kommt "White Noise" wirklich grandios tight daher!
Eine Tatsache, die einen Blick auf die Historie der Band sehr interessant erscheinen lässt: Im Dunstkreis der britischen Biker–Szene wurde die Band als THE KIX bereits in sehr jungen Lebensjahren von den Schwestern Sam und Charlotte Bolderson gegründet. Da sie großes Interesse an Rockmusik hatten und bereits als Teenager Gitarre und Schlagzeug spielen lernten, war es die logische Konsequenz, eine Band zu gründen und gemeinsam Musik zu machen. Gesagt, getan. Nachdem eine Bassistin aus derselben Gegend gefunden wurde und Sam Bolderson den Gesang übernahm, spielte die Band ihre ersten Konzerte in den Kneipen und Clubs von Wales. So machten sie sich schnell einen guten Namen als Live–Band, gewannen einige Nachwuchs Wettbewerbe und wurden sogar für eine spezielle Aufführung der "Welsh National Opera" ausgesucht. Mit der Zeit wuchsen die Locations ihrer Konzerte und die Fans in Großbritannien, aber auch im Rest von Europa mehrten sich, während die Mädels immer besser an ihren Instrumenten wurden.
Die erste prägnante Zeitmarke wird von der "allwissenden Müllhalde" (=Internet) im März 2012 überliefert, als Harriet Wadeson in die Band kam. Im Jahr 2013 wurde eine EP veröffentlicht, die Einflüsse der musikalischen Vorbilder AC/DC, LED ZEPPELIN, SUZIE QUATTRO und JOAN JETT verarbeitete. 2016 änderte sich der Name der Band in HÄXAN, da es bereits eine Band gab, die KIX hieß. Mittlerweile hatte zudem Charlotte Bolderson den Drum Hocker an Jess Hartley übergeben. In den folgenden Jahren sammelten die jungen Damen reichlich Live-Erfahrung, da sich ihr Bandname in der weltweiten Hardrock-Szene bereits herumgesprochen hatte. Die Referenzen diesbezüglich lesen sich für eine Band ohne Album mächtig beeindruckend. Unter anderem Support von STATUS QUO, THE SUBWAYS, PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS und UFO, auch auf Festivals wie beispielsweise "Download Festival", "Planet Rock Rockstock", "Rock The Boat Cruise (Australia)", "Hard Rock Hell" und so weiter waren die Damen gern gesehene Gäste. Dem geneigten Leser ist mittlerweile sicherlich klar geworden, dass es sich bei HÄXAN um eine erfahrene und eingespielte Live–Band handelt, die nun wohl seit geraumer Zeit an ihrem ersten Album feilte. Dies geschah unter fachkundiger Aufsicht von Todd Campbell (PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS) in den Stompbox–Studios in Wales. Dieser verpasste dem Album einen saftigen Sound mit viel Punch. Lediglich die Gitarren klingen ein klein wenig zu dünn und daher etwas blechern für meinen Geschmack. Ich vermute, dass der Mann auch viel Arbeit in den Klang der Stimme von Sam Bolderson investieren musste, doch dazu ein paar Sätze weiter.
Der Opener 'Damned If You Do' packt einen gleich ordentlich zwischen den Beinen (... um in der Formulierung geschlechtsneutral zu bleiben). Holla, geht das nach vorne los! Auffällig war für mich gleich beim ersten Durchlauf die Stimme, die größtenteils jegliche genretypische Rotzigkeit, die gerade bei Frauenstimmen oft vorhanden ist, entbehrt und eher im 80er–KYLIE/MADONNA–Style sehr clean daher kommt. So wie eben die gerade dem Teenageralter entwachsenen Popsternchen damals sangen! Für mich sind das "Bubblegum–Stimmen". Ich muss auch immer wieder an Susanna Hoffs von THE BANGLES denken, ohne diese wirklich häufig gehört zu haben. Geschmackssache natürlich, und Sam Bolderson macht ganz klar dennoch einen echt guten Job mit ihrer klaren Stimme!
'Killing Time' kickt etwas getragener und kraftvoll Arsch, und fräst sich vor allem mit seiner Melodie in der Bridge in die Hirnrinde (... was bei diesem Album bezüglich der Melodien eigentlich ständig der Fall ist). Die laufende Nummer drei hört auf den Titel 'Nine Lives' und thematisiert textlich laut Bandinfo das Ergreifen von Chancen im Leben. Ebenfalls ein sehr flottes Liedchen, das erneut von der großartigen Vocal–Line getragen wird. Es folgt ein Song, den viele wahrscheinlich schon alleine aufgrund seines Titels mögen werden (oder auch eben nicht), weil er an Chris Boltendahl und Konsorten erinnert: 'Grave Digger'. Mir ist die Melodie auf Dauer ein wenig zu cheesy, daher ist das somit einer der beiden schwächeren Songs des Albums für mich. 'Louder Than Words' ist ein sehr spritziger und gut ausgearbeiteter Melody–Rocker (was auch sonst!?!), der mich beim Hören immer an die Leichtfüßigkeit früherer NO DOUBT erinnert.
Und nun ertönt für mich das Herzstück des Albums, bestehend aus seinen drei besten Songs: Den Anfang macht 'Black Sheep', eine großartige Power–Ballade, die vor allem im Refrain ständig eine jugendlich–lasziv, nicht operierte CHRISTINA AGUILERA vor meinem inneren Auge erscheinen lässt, die natürlich eine sehr viel stärkere Stimme beisteuern würde – diese Melodie könnte auch von ihr stammen. Ein echter Hit, dieses Lied! 'Crash And Burn' ist neben dem nächsten Song mein Lieblingstück dieses Albums, weil es einfach ein völlig schlüssiger Rocksong ist, der mich sogar beim unschuldigen Zuhören vor der Anlage zum willenlosen Bangen bringt! Eine derart coole Nummer kann sich eine junge Band auf ihrem ersten Album nur wünschen. HÄXAN hat es geschafft!
Mein zweiter Lieblingssong auf dieser Scheibe folgt sogleich: 'Skeletons' ist der Song zum Ausrasten und völlig zu Recht die erste Videosingle! Der Vorgänger wird in Sachen Spielfluss und Verschmelzung von Sound und Melodie noch gesteigert, und die Gesangslinie im Refrain verursacht bei mir zeitweilig Gänsehaut! Das Ding hier knallt richtig, genau so geht Rock! Die letzten zwei bis drei genannten Songs werden wohl von jetzt an bis in alle Ewigkeit auf keinem HÄXAN–Konzert mehr fehlen, mutmaße ich. Das letzte Lied des Albums heißt 'Living Dead' und besitzt einen sehr majestätischen Refrain, klingt insgesamt toll, fällt für mich gegenüber den drei Vorgängern reizmäßig aber etwas ab, und ist somit der zweite etwas schwächere Song auf diesem Album für mich.
Für mich stellt das Album eine riesige Überraschung dar, kannte ich die Band doch vorher überhaupt nicht, bis ich die Vorab–MP3's zugeschickt bekam! Diese Scheibe läuft bei mir seit Tagen quasi ständig und langweilig wird sie bis jetzt nicht. Mit dem Aufstieg von HÄXAN innerhalb der Hardrock–Szene ist in der Zeit nach Corona durchaus zu rechnen. Nach wie vor natürlich weiterhin im Live–Sektor, aber dieses wirklich gute Album hat weltweit ohne Frage große Chancen, auch kommerziell für diese noch kleine Band als Erfolg verbucht werden zu können. Die Einstufung als Pflichtkauf für Fans moderner Hardrock–Klänge muss eigentlich nicht mehr erwähnt werden, ich mache es trotzdem gerne. Ich freue mich schon darauf, demnächst mal einen Gig der Drei nach allen Regeln der Kunst abzufeiern! Einen Punkt lasse ich noch Luft nach oben, ein weiterer halber wird für den Gitarrensound abgezogen. Wem dieser egal ist denkt sich also einfach noch einen halben Punkt dazu! Ich komme jedenfalls für mich auf, für ein Debüt–Album grandiose 8,5 Punkte.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Timo Reiser