HELANGåR - Evening in Valhalla
Mehr über Helangår
- Genre:
- Melodic Viking Metal
- Label:
- Eigenproduktion
- Departing For Midgard (Intro)
- Ragnarök
- The First Sign (Intro)
- Baldrs Draumar
- Proclaiming The End (Intro)
- Nida Mountains
- Unavoidable Fate (Intro)
- The Sinner
- Darkness In My Mind (Intro)
- Farewell Valhalla
- Mother Earth (Intro)
- Numb With Cold
- The Asens Death (Intro)
- Lament Of Mankind
- Nifelheim (Intro)
- Hommage To The Beast
- At The Battlefield (Intro)
- Angels Of Death
- Spring (Intro)
- The New World
- And We Failed... (Outro)
Oh Wehklag, oh Seufzen, oh Gejammer und Geschrei... Bei manchen Bands wünscht man sich, dass sie lieber noch ein Demo mehr aufgenommen hätten, bevor sie einen Vertrag ergatterten. Aber bei wenigen ist es genau umgekehrt. Was hätte das für ein schönes Album zur Beglückung von Heidenseelen werden können, wenn es mit einer professionellen Produktion ausgestattet worden wäre. Was für eine Verschwendung von hochqualitativem Songmaterial! In den Dreck getreten durch eine dünne Produktion aus Pappmaché!
HELANGÅR kommen aus deutschen Landen und im Jahr 2003 erschien diese Eigenproduktion, für die man sechs Monate im Studio verbrachte. Das einundsiebzigminütige Konzeptwerk berichtet vom Ragnarök, dem nordgermanischen Mythos über das Ende der alten Götter und den Aufgang einer neuen Welt, wie er uns in der "Volüspa" aus dem isländischen Codex Regius (Edda) und bei dem Gelehrten Snorri Sturluson überliefert ist. Die Band will mit diesen Konzept nicht nur den Mythos nacherzählen, sondern gleichzeitig aktuelle Bezüge herstellen. Außerdem interessiert sie der Zusammenhang des mythischen Geschehens mit ewigmenschlichen Fragen nach dem Tod und nach der Eigenverantwortung. Zweifellos sind HELANGÅR sehr gute Musiker und Songschreiber. Für ihren melodischen Metal setzen sie auf zwei Gitarristen und bombastische Keyboards. Auf dem vorliegenden Album war an den Keyboards noch David Höffler zu hören, der inzwischen die Band verlassen hat. Ersatz wurde in einer holden Weiblichkeit namens Judith Ludwig gefunden.
Wie lässt sich nun die Musik beschreiben? Ich denke, man kann zwei Eckpfeiler herausstellen, zwischen denen die Klänge sich bewegen – das ist einerseits ganz konkret der Bombast-Speedmetal à la BLIND GUARDIAN und andererseits der musikalisch wesentlich offenere Begriff des Viking Metal. Ein Glücksgriff für die Band ist wohl Sänger Thomas Melchert, dessen Timbre zwar an Hansi Kürsch (BLIND GUARDIAN) erinnert, der sich aber auf diese Stimmlage nicht festlegt, sondern durchaus variieren kann. So erwartet man beispielsweise am Beginn des Openers 'Ragnarök' aufgrund der melancholischen Trübsal des Sängers, dass im folgenden Gothic Metal den Himmel verdunkelt. Daraus wird nichts, denn Thomas Melchert gleitet in einem kraftvollen Pathos über, dem schnelle Gitarren nachfolgen. Die beiden klampfenden Johannisse (Johannes Fuss und Johannes Mentzel) haben übrigens vor kurzem in der Bundesausscheidung von "Jugend musiziert" den ersten Platz belegt und dürfen sich nun offiziell zu den besten Akustik-Gitarristen Deutschlands rechnen. So nimmt es nicht Wunder, dass die Stücke sehr viele ruhige akustische Momente am Lagerfeuer - weitab vom endzeitlichen Weltbrand – enthalten.
Das Album weist also einige echte Könner auf. Doch da sind wir wieder beim Sound – und der ist völlig unausgewogen und dünn. Während Thomas Melchert noch ganz gut im Klangbild wegkommt, sind die E-Gitarren viiieeelll zu leise. Stellenweise hat dann auch Keyboarder David Höffler mit einer Abstellung in die hinterste Ecke zu kämpfen. Gleich am Anfang von 'Ragnarök' muss man schon genau hinhören, um die hübsche folkige Melodie zu erkennen, die da hinter den Gitarren versteckt liegt. Dass der Drumsound nicht gerade ein Ausbund an Perfektion darstellt, ist dagegen bei den meisten Demoproduktionen der Fall und soll deswegen nicht speziell HELANGÅR zur Last gelegt werden. Ungewöhlich für Melodic Metal, hingegen typisch für Viking Metal sind einige Parts mit den "Grim Vocals" von Bassist Florian Fuss. Dahinter verbirgt sich schlicht blackmetal-artiges Gekeife, das sich aber eher rhythmisch in die Musik einfügt, also nie wirklich extrem wirkt und sich mit EINHERJER vergleichen lässt (z.B. bei 'The Sinner').
Wie gesagt – an tollen Songs fehlt es hier wirklich nicht. Die ersten beiden Tracks zeigen schon, auf welchem Niveau in dieser Hinsicht agiert wird. Neben dem erwähnten 'Ragnarök' wäre da 'Baldrs Draumar', das sich auf den Tod des lichten Gottes Baldur bezieht, der durch Lokis Anstiftung von seinem blinden Bruder Hönir mit einer Mistel getötet wurde. Allen Dingen war der Eid abgenommen worden, Baldur nicht zu verletzen – bis eben auf die Mistel, die die Götter für zu jung und unbedeutend hielten. Thomas Melchert erhebt seine Stimme anfangs sehr gefühlvoll, singt über den Eid, den selbst Wasser und Feuer geschworen haben. Nach einem orchestralen Gitarre-Keyboard-Zusammenspiel entwickelt sich das Stück dann zu einer härteren, schnelleren Gangart – eine Anklage an Loki, der den Tod Baldurs verschuldet hatte. Besinnliche Akustikgitarren und ein atmosphärisches Gitarrensolo folgen, bis dieser Part von den Keyboards in eine fast beschwörend-zelebrierende Rhythmik und Gesangsweise übergeleitet wird – der Eid des Gottes Vali, für den getöteten Baldur Rache an Hönir zu nehmen. Schließlich beenden HELANGÅR 'Baldrs Draumar' in getragen-feierlicher Stimmung. Eigentlich einfach klasse – aber die Produktion schnürrt den Song in ein viel zu enges Korsett...
Die Stücke sind allesamt durch kurze narritative Zwischenspiele verbunden, wobei die Herbeirufung des Wolfes in 'Proclaiming The End' am eindruckvollsten wirkt. 'Baldrs Draumar' ist der erste Teil der Loki-Trilogie. Auch die beiden anderen Parts gehören zu den Glanzlichtern des Werkes. Das melancholische 'Nida Mountains' lebt von dem männlich-weiblichen Duett und dem tollen in Deutsch gesungenen Refrain. Das härtere 'The Sinner' ruht auf dem Gerüst des orgelnden Keyboards und der stampfenden Gitarren. Die "Grim Vocals" wechseln mit dem melodischen Gesang. Ruhige Parts werden von Passagen mit speedigen Riffs abgelöst. Der Refrain hat eine für HELANGÅR schon kennzeichende hymnische Qualität, die hier durch heidnisch anmutendes Getrommel unterstützt wird. Interessante Fragen wirft die Passage mit dem choralartigen Gesang in Latein auf, der die Verdammung Lokis ausspricht. Wollen HELANGÅR mit den lateinischen Worten auf die spätere christliche Versetzung des göttlichen Widersachers in die Hölle verweisen?
In 'Farewell Valhalla', 'Lament Of Mankind' und 'The New World' setzen HELANGÅR auf wirkungsvolle Chorgesänge im Refrain. Insbesondere 'Lament Of Mankind', das die Band dem klassischen Komponisten Edvard Grieg widmete, ist herrlich dramatisch strukturiert und enthält einige feine Gitarren- und Keyboardmomente. Zur Akustikballade 'Numb With Cold' haben HELANGÅR inzwischen einen Videoclip abdrehen können. Die 'Angels Of Death' poltern mit heftiger Percussion durch die Boxen. Das mitsingtaugliche 'The New World' beendet das Werk in pessimistischer Stimmung: der Ragnarök ist vorbei, das Leben hätte nun in Frieden weitergehen können, aber die Menschheit erweist sich schlicht nur als Plage der neuen Welt.
Plagen tut an dieser Scheibe – ja, ich weiß, ich bin nervig – nur die verkorkste Produktion. Ansonsten haben HELANGÅR durchaus das Zeug, die nächste große deutsche Metal-Hoffnung zu werden. Also gut - kauft die Scheibe und unterstützt damit die Herren Wikinger! In fünf Jahren stellt diese CD vielleicht sowieso das gesuchte Sammlerstück einer bekannten und gefeierten Band dar.
Bestellen könnt Ihr das Teil unter der E-Mail helangar@web.de für zehn Euro plus Versandkosten. Momentan erhält jeder, der eine CD kauft, den Sampler "Demozone Vol. 1" gratis mit dazu.
Bei der Gestaltung gab man sich übrigens auch große Mühe. Das Front- und Backcover (Abenddämmerung über Bergen und Meer) sind sehr ansprechend und die Comiczeichnungen im Booklet liebevoll gemacht. Für dieses Jahr plant die Gruppe eine weitere CD. Und wehe HELANGÅR bringen es nicht fertig, geile Kompositionen in opulentem(!) Sound darzubieten! So, ich geh jetzt mein Schwert rauskramen – nur für den Fall, sie sollten es wieder wagen...
Anspieltipps: Ragnarök, Baldrs Draumar, Nida Mountains, The Sinner, Lament Of Mankind, The New World
- Redakteur:
- Jörg Scholz