HILLS LIKE WHITE LIONS - Meander
Mehr über Hills Like White Lions
- Genre:
- Post Metal / Progressive
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Eigen
- Release:
- 02.06.2023
- Pt. I Coral
- Pt. II Maelstrom
- Pt. III Acedia
- Pt. IV Black Tide
- Pt. V Cataract
- Pt. VI Nihil
- Pt. VII Mondgrau
Österreichisches Trio stößt die Türe zur Post-Metal-Oberklasse weit auf!
Am Ende ist "Meander" nicht ganz die angedeutete Post-Rock-Offenbarung, und dennoch bietet uns die Formation HILLS LIKE WHITE LIONS vor allem zu Beginn ihres neuen Albums die ganz, ganz großen Momente, auf die man als Musikbegeisterter beim Anhören einer neuen Platte immer wieder hofft.
Keine Effekthascherei, keine Synthie-Sounds, keine aufwendigen Klangcollagen - der Opener 'Coral' beginnt dermaßen dezent und unaufgeregt, dass die Größe, welche die Österreicher im Laufe der ersten acht Minuten entfalten, kaum zu erahnen ist: ein leicht angezerrtes, repetitives Gitarrenthema, unmittelbar darauf der Einsatz des vibrierenden Gesangs von Florian Wagner, und erst nach anderthalb Minuten das einsetzende, sehr trocken und natürlich eingefangene Schlagzeug. Erneute Rücknahme sämtlicher Dramatik, nur angedeutete Gitarrenklänge und schlichte Gesangslinien - und dann der Beginn einer kontinuierlichen Explosion, die Intensivierung in Sachen Drumming, Gitarrenverzerrung, Dynamik, bis hin zu schlicht-effektvollen Breaks (Minute 3:48 – im Songkontext für mich einer der besten Breaks die ich je gehört habe), wie ein Gewitterregen prasselnden Double-Bass-Passagen sowie stetig wiederholten, simplen, eingängig-ergreifenden Gesangszeilen. 'Coral' fällt immer wieder eine Spur zurück, baut sich neu auf, ergreift, rührt zu Tränen an und lässt die Hörerschaft schließlich mit offener Kinnlade zurück. In Sachen emotionalem Tiefgang werden hier bereits die großen Momente von Bands wie A SWARM OF THE SUN oder DIRGE erreicht, während auch eine angenehme TOOL- und THE OCEAN-Prog-Note ihren Platz auf "Meander" gefunden hat. HILLS LIKE WHITE LIONS entfaltet beim Opener fast beiläufig und minimalistisch cineastische Größe - und der nahtlose Übergang zu 'Maelstrom' sorgt dafür, dass die Spannung kaum abfällt. Auch beim zweiten Track überrollen die melancholischen Gitarrenmelodien, die nuancierten Halleffekte und das atmosphärische Schlagzeugspiel die Zuhörer mit zärtlicher Anspannung, verstärkt durch ein nuanciert eingesetztes Piano. Mit den ersten beiden Nummern steht HILLS LIKE WHITE LIONS dermaßen groß, überragend, bewusstseinsfüllend da, dass "Meander" bereits nachdrücklich Klassikerpotential anmeldet.
Dass es ganz so weit letztlich nicht kommt, liegt am zunächst natürlichen Rückschritt in Sachen Dramatik und Emotionalität. Die folgenden Nummern schalten einen Gang zurück, beruhigen mehr, als dass sie aufwühlen. Die zwischenmenschliche Tragik von 'Coral' und 'Maelstrom' weicht einer ruhigeren, gefassteren, getrageneren Gangart: 'Acedia' entschleunigt das Album als kurzes Interlude, gibt Raum zum Luftholen, während 'Black Tide' zwar wieder etwas prog-rockiger ansetzt, jedoch nicht mehr so melodramatisch ausbricht wie die ersten beiden Songs - ein starkes, mitreißendes Stück Post Rock erhalten wir aber auch an vierter Stelle. 'Cataract' wirkt im Gesamtkontextes des Albums versöhnlicher; die zwischenmenschlichen Verwerfungen, die Wagner besingt, weichen offensichtlich einer harmonischen Annäherung. 'Nihil' schließlich verliert sich irgendwo im Tal der Selbsterkenntnis, während mit 'Mondgrau' zum Schluss nochmal härter und dramatischer angesetzt wird - hier wird aber der Kontrast zu den eröffnenden Stücken deutlich; die wirklich mächtigen, epischen Melodien fehlen nun, und allein mit proggigen Drums und Gitarrensounds holt die Band mich weniger ab als zu Beginn, als sie klangbildlich Panoramen von Trauer, Melancholie, Hoffnung und Resignation in den Raum malte.
Mit 'Coral' und 'Maelstrom' sind den Österreichern bereits wenige Jahre nach ihrer Gründung zwei Meisterwerke post-metallischer Musikkunst gelungen; phänomenal, was hier mit so basischen Mitteln an menschlicher Abgründigkeit, Tragik und Emotionalität transportiert wird. Auch wenn das Niveau nicht gehalten werden kann: Als Gesamtwerk bietet "Meander" allen Post-Metal-Fans und Freunden atmosphärischer Prog-Rock-Ansätze viel Futter und Vorfreude auf weitere, vielleicht noch ausdauerndere Großtaten aus dem Alpenland.
Anspieltipps: Coral, Maelstrom, Black Tide
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Timon Krause