HOLOCAUST - Predator
Auch im Soundcheck: Soundcheck 12/2015
Mehr über Holocaust
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Sleazy Rider Records
- Release:
- 01.12.2015
- Predator
- Expander
- Can't Go Wrong With You
- Lady Babalon
- Observer One
- Shiva
- Shine Out
- Revival
- What I Live For
Aus dem Nichts zurück mit dem Album des Jahres.
Da verschwindet eine Band für zwölf Jahre quasi komplett von der Bildfläche, die nahezu einzigen Lebenszeichen in dieser Zeit sind ein Gig beim "Keep It True" und eine extra dafür eingespielte EP namens "Expander", und dann kommen die Herren um Bandgründer, Gitarrist und Sänger John Mortimer quasi aus dem Nichts zurück, werfen ihr neues Album "Predator" in den Ring und liefern damit sozusagen aus dem Nichts heraus das Album des Jahres ab. Ja, so kann es gehen, denn oftmals ist der Überraschungseffekt ein starker Trumpf im Ringen um die Krone des Jahres.
Doch was ist so überragend an der neuen HOLOCAUST? Nun, die alte NWoBHM-Legende aus Schottland, die Anfang der Achtziger für solch illustre Hits wie 'Heavy Metal Mania' und 'The Small Hours' verantwortlich zeichnete und von allerlei namhaften Bands von METALLICA bis GAMMA RAY gecovert wurde, hat mit "Predator" schlicht und ergreifend alles richtig gemacht. Weder ist sie dem Retrowahn erlegen und hat krampfhaft versucht, für die Fans der ganz alten Tage ihren Klassiker "The Nightcomers" neu aufzugießen, noch hat sie sich dazu entschieden die vermeintlich sichere Karte zu spielen und einen vorhersehbaren Cocktail der eigenen Trademarks zu mixen, der zwar nach HOLOCAUST klingt, aber keine Songs mit Wiedererkennungswert hervor bringt. Stattdessen besticht die Band durch Stilsicherheit, Innovation und grandios gutes Songwriting, und zwar über die komplette Spielzeit des Werkes hinweg.
Das Trio ist sich auf "Predator" ganz offenbar bewusst, dass man sich bereits in den Achtzigern schnell vom klassischen NWoBHM-Sound weg bewegte und zwar zunächst in seichtere, dann aber sehr rasch in durchaus richtig harte, dabei aber auch deutlich progressivere und verschrobenere Richtungen. So wurde die Truppe rasch zu einem relativ eigenwilligen, extravaganten Kuriosum, das nicht mehr unbedingt allzu viele alte Fans bei der Stange hielt, dafür aber umso treuere, und genau diese getreuen Gesellen dürfen sich nun endlich bedingungslos über die neue HOLOCAUST freuen, denn auf ihre Weise steht die Scheibe zu hundert Prozent in der besten Tradition der Band. Neben Johns unverwechselbarer Stimme und dem unnachahmlichen Gitarrensound glänzt "Predator" nämlich auch mit den monolitischen, massiven Riffs, welche die Band seit jeher ausmachen, und es hat einen sehr abgedrehten, sehr krassen, dabei aber richtig mitreißenden Sound, den ich nur schwer beschreiben kann. Durchaus differenziert, dabei aber sehr reduziert, monolithisch und wuchtig. In etlichen kompositorischen und instrumentalen Facetten finde ich ein bisschen was von KILLING JOKE wieder, ja, ansatzweise ist da wirklich ein Hauch von Proto-Industrial oder Crust Punk enthalten, und zudem ist die Stimmfarbe von Jaz Coleman und John Mortimer auch sehr ähnlich. Der Industrial-Anflug ist zwar nicht so stark wie beispielsweise anno 2000 auf "The Courage To Be", aber durchaus spürbar. Daneben finden wir aber eben auch nach wie vor das, was schon vor über 30 Jahren dafür sorgte, dass HOLOCAUST einer der Haupteinflüsse von METALLICA war, wenn auch teils in recht versteckter Art und Weise. Grundlegend sind in jedem Fall die simplen, effektiven, mitreißenden Riffs und eine ganz eigenwillige, packende Dynamik. An anderer Stelle finden sich im Wortsinn progressive Assoziationen etwa zu VOIVOD.
Was für mich aber der absolute Clue an dem Album ist, das ist schlicht und ergreifend das sehr gelungene Songwriting, denn von den neun Songs der Scheibe halte ich mindestens sechs bis sieben Stücke für absolute Hits. Ein zwingender Anspieltipp ist dabei bereits das wuchtige, rhythmische und direkt zum Headbangen animierende Titelstück zum Einstieg, das in der Mitte mit einer ziemlich HAWKWIND-lastigen Bridge begeistert und bei den Hooklines ein wenig an VOIVOD erinnert. Aber auch das bereits von der EP bekannte 'Expander' an Position Zwei hält da völlig unproblematisch mit und glänzt vor allem durch seinen mächtigen Refrain, das unschlagbar dynamische, den Hörer mitnehmende Hauptriff und die punkige, ein wenig Johnny-Rotten-artige Phrasierung John Mortimers. In der Tour geht es dann auch weiter: 'Can't Go Wrong With You' gibt sich rockig, 'Lady Babalon' leidenschaftlich und 'Shiva' ätherisch-entrückt, 'Revival' ist trotz klassischer NWoBHM-Zitate und recht brachialer Härte vertrackt und episch, während das abschließende, modern ausgerichtete 'What I Live For' John Mortimer nochmals alle gesanglichen Freiheiten lässt.
Es steht einfach jeder Song komplett auf eigenen Füßen, denn trotz der klar definierter Stilmerkmale verleiht die Band allen Stücken eigenen Charakter, zwingende Hooks und spannende Facetten, die sich eben nicht wiederholen. Da merkt man dann auch, dass die Band sich viel Zeit für ihr Werk genommen hat und eben keine generische Soße anrichtet, die zwar die Trademarks der Band reflektiert aber keine großen Songs mehr zustande bringt. John Mortimer und seine Mannen machen es richtig und schreiben zündende, eingängige Songs mir großen Hooklines. Für mich passt hier einfach alles, und ich freue mich riesig darüber, dass die Band in kreativer Hinsicht so stark unterwegs ist. So ist "Predator" eine riesengroße positive Überraschung, ein mutiges Bekenntnis zur künstlerischen Eigenständigkeit und dabei alles andere als vorhersehbar.
Daher meine dringende Bitte: Gebt den Schotten und ihrem - meinem - Album des Jahres 2015 unbedingt eine Chance, denn das ist eine Band, die sich nicht von selbst verkauft, sondern die alle Unterstützung der Musikverrückten im Untergrund dringend gebrauchen kann.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle