HUINCA - América Letrina
Mehr über Huinca
- Genre:
- Thrash Metal / Folk Metal / Heavy Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Eigenvertrieb / Bandcamp
- Release:
- 31.05.2019
- América Letrina
- A Latigazos
- Usurero
- Tienen Miedo
- Guillotina
- Zombie De Dios
- Valle
- Semillas
- Adiós Papá
Das Drittwerk der chilenischen Tribal-Thrasher ist ein großer Wurf: Anklagend, giftig, gefühlvoll, emotional packend.
Die chilenischen Tribal-Thrasher HUINCA sind hierzulande leider noch immer ein Geheimtipp, was insoweit verwundert, als die Band um Frontmann, Gitarrist und Bandgründer Mauricio Contreras bereits mit ihren ersten beiden Alben recht mächtige Statements in Sachen südamerikanischen Thrash Metals abgeliefert hat. Auch wenn die Band hierbei eine für Südamerika nicht untypische Mixtur aus hartem Thrash Metal, Tribal-Rhythmen und entsprechend starker perkussiver Ausrichtung präferiert, so klingt die Truppe aus Santiago de Chile doch zu jeder Zeit so eigenwillig wie eigenständig. So macht auch das im vergangenen Jahr veröffentlichte dritte Studioalbum "América Letrina" - ja, ihr könnt euch denken, was das heißt - hier keine Ausnahmen. Mauricio singt die komplett in Spanisch verfassten Lyrics giftig und anklagend, und sie sind toll artikuliert und für den spanisch Sprechenden sicherlich gut verständlich, denn auch die Botschaft ist wichtig, weil es um Machtmissbrauch, Korruption, Armut und Entrechtung der Ureinwohner geht.
Mit dem Titelstück geht die Scheibe dementsprechend aggressiv ins Rennen. Das bitterböse Wortspiel mit "América Latina" wird musikalisch perfekt um gesetzt. Der Opener ist ein Riffmonster erster Klasse mit einem nackenbrechenden Groove und so viel Gift und Galle in der Stimme, dass der Hörer nicht viel Phantasie braucht, um zu wissen, dass manches durchaus faul sein könnte, im Andenstaat. Das kurze 'A Latigazos' ist im Anschluss ein wenig verschleppter, lockerer, mit etlichen kurzen rock'n'rolligen Leads, einigen Pinch Harmonics, einem eigenwilligen Gitarrensolo und etwas rockigeren Vocals, doch auch hier ist offensichtlich, dass hart mit den Herrschenden ins Gericht gegangen wird, die das Volk wie Leibeigene behandeln. Die offensichtlich gewollte stilistische Drift vom brachial harten Einstieg zu etwas zurückgelehnteren Klängen findet mit 'Usurero' nochmals eine Fortsetzung, das durchaus einen Hauch Alternative Rock mitbringt, diesen aber erneut mit schweren, etwas doomigen Riffs und einem messerscharfen Solo spickt. Hier kommen auch in der nun klaren Stimme Mauricios dezente ALICE IN CHAINS-Vibes durch.
Solltet ihr aber nun Angst bekommen, dass dem Album der Thrash verloren geht, dann mag ich euch beruhigen, denn 'Tienen Miedo' lässt den Hammer wieder kreisen. Ein massiv drückendes Drumintro eröffnet das Stück, bevor ein flirrendes Riff übernimmt und der Song mit Dropdowns und rhythmischem Gesang ein sehr markantes Tribal-Thrash-Brett serviert. Die Thrash-Kante wir mit 'Guillotina' dann auch noch eine Ecke traditioneller und tangiert härtere, leicht punkige Speed-Metal-Bereiche, mit messerscharfen Metalgitarren, was zum einen natürlich zu diesem Songtitel wie die Faust aufs Auge passt und zum anderen wunderbar aufzeigt, wie vielseitig die Musik HUINCAs ist. Hier findet sowohl der Thrash-Traditionalist seine Gourmetstückchen, wie auch der moderner orientierte Groove-Fan und der Hardrocker mit alternativen Neigungen. Trotzdem wirkt das Album wie aus einem Guss, denn Mauricios Gesang, die spanischen Lyrics, die wuchtigen Riffs mit ihrem mitreißenden Drive sind die eisernen Klammern, die das Album zusammen halten und den Hörer in dessen Griff.
So finden sich auch auf der zweiten Hälfte des Albums nochmals vielfältige und doch stimmige Experimente, die sich toll in das bisherige Oeuvre einfügen. 'Zombie De Dios' ist ein Uptempo-Banger par excellence, mit minimaler MOTÖRHEAD-Schlagseite und sehr vielseitigem und unterhaltsamen Gesang - teils im hinterhältig rezitativen Sprechgesang, teils mit wildem Gebrüll - der in allen Facetten zu packen weiß, selbst wenn man die Sprache nicht versteht. Nach drei harten Nummern am Stück ist es allerdings wieder Zeit für einen Stimmungswechsel, und der hat sich gewaschen, den 'Valle' ist ein halbakustisches, herrlich verträumtes und sehnsuchtsvolles Stück, bei dem Mauricio Contreras zeigt, dass er auch eine großartige, gefühlvolle und dunkle Klarstimme hat, die hier von dezenten Backing Vocals von Corinna Brückner aus Brandenburg flankiert wird. Das abschließende Doppel hat es zu guter Letzt auch nochmals in sich, denn zunächst bekommen wir mit 'Semillas' einen wunderbar dynamischen Melodic-Thrasher im Mittneunziger-Stil serviert, der ein bisschen den Spirit von MEGADETH zu "Youthanasia"-Zeiten atmet, bevor das Album mit 'Adiós Papá' melancholisch und emotional endet, was bei diesem Titel sicherlich niemanden verwundern dürfte, erzählt es doch die Geschichte eines sterbenden Kindes, das sich von seinem Vater verabschiedet.
Für all jene, die nun fürchten, dass das zu viele verschiedene Einflüsse sein könnten, sei extra nochmals betont, dass ihr davor keine Angst haben müsst. Denn hier passt wirklich alles hervorragend zusammen. HUINCA ist ein auf ganzer Linie packendes Album gelungen, das ein bisschen ist wie das Leben, das die Aggressionen kennt, die Liebe, die Trauer, die Wut, die Hoffnung. Hier ist es den Musikern ganz offensichtlich wichtiger, echte Stimmungen zu transportieren, als ein homogen-generisches Werk für die beinharten Fans einer ganz speziellen, eng gesteckten Stilrichtung zu produzieren, und das ist ein lobenswertes Unterfangen, das gerne öfters Mal die Motive einer Band leiten dürfte. Abschließend sei noch kurz positiv hervor gehoben, dass das Werk klanglich unter anderem in Brandenburg und Berlin wirklich großartig in Szene gesetzt wurde, und mit einem kleinen Tränchen im Auge ergänzt, dass die Scheibe bisher leider nur als digitaler Download und Stream via Bandcamp erhältlich ist. Es wäre schön, wenn sich vielleicht doch noch ein Label mit Geschmack fände, das eine CD oder eine LP auflegen möchte. Einstweilen werdet ihr hier fündig: https://huinca1.bandcamp.com/
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle