ICED EARTH - The Glorious Burden
Mehr über Iced Earth
- Genre:
- Power Metal
- Label:
- SPV
- Release:
- 12.01.2004
- Declaration Day
- When The Eagle Cries
- The Reckoning
- Attila
- Red Baron/Blue Max
- Hollow Man
- Waterloo
- Valley Forge
- The Devil To Pay
- Hold At All Costs
- High Water Mark
Keine Frage, dieses Album ist das wohl am sehnsüchtigsten erwartete des gesamten Metal-Jahres 2004 und dies ganz besonders wegen der gesamten, teilweise recht kuriosen Vorgeschichte, die "The Glorious Burden" nun schon seit einigen Monaten begleitet.
Da wäre natürlich als Erstes die Entlassung von Matthew Barlow; für viele der beste Sänger im gesamten Power-Metal-Bereich, entschloss sich Barlow infolge der Anschläge des 11. Septembers, die Band zu verlassen und sich von da an beruflich komplett umzuorientieren. Dass der Mann sich seine prachtvolle rote Matte mittlerweile gänzlich abschneiden ließ, spricht diesbezüglich Bände. Barlow war einfach nicht mehr mit vollstem Einsatz bei der Sache, und obwohl Mastermind Jon Schaffer den Sänger zunächst dazu bewegen konnte, weiterhin Mitglied bei ICED EARTH zu bleiben, setzte er ihn während der Aufnahmen zu "The Glorious Burden" aufgrund seiner halbherzigen Performance vor die Tür. Sowohl Kritiker als auch Fans glaubten, dass dies indirekt auch das Ende der Band sein würde, und als ICED EARTH dann auch noch ihren Auftritt in Wacken absagten, schien die Gruppe klinisch tot.
Doch die Dinge wendeten sich, denn kurze Zeit später landete Schaffer einen echten Coup, als er mit Tim Owens einen Sänger an seiner Seite präsentieren konnte, der seit seinem Einstieg bei JUDAS PRIEST als einer der besten seines Faches gehandelt wird und nach der Rückkehr von Rob Halford wieder zu haben war. Nachdem sein endgültiger Einstieg bei ICED EARTH zunächst noch recht skeptisch beäugt wurde, gab die Vorab-Single zu `The Reckoning (Don`t Tread On Me)´ endgültig Aufschluss darüber, dass Owens der richtige und passende Ersatz ist.
Ein halbes Jahr ist seit den ganzen Querelen vergangen und nun, Mitte Januar, ist es endlich soweit und ICED EARTH bringen das lang erwartete neue Album heraus. Und ich sage es bereits zu Beginn: Diese Platte wird die Gemüter spalten, da sie nämlich genau das Gegenteil von dem geworden ist, was viele erwartet oder gar gefordert hatten, nämlich eine Platte im Stile von "The Dark Saga" oder "Night Of The Stormrider". Nein, "The Glorious Burden" ist vom Aufbau her komplett anders als die legendären Vorgänger und doch zu jeder Sekunde unüberhörbar ICED EARTH.
Beginnen tut das insgesamt siebte reguläre Studiowerk der Power-Metaller mit `Declaration Day´, einer beinahe typischen ICED EARTH-Nummer mit leicht treibendem Riffing, vereinzelten melodischen Leads und einem exzellenten Chor-Refrain. Owens singt in normaler mittlerer Tonlage und kann von Anfang an überzeugen. Sehr gelungener und vielversprechender Einstieg, der auch auf dem "Something Wicked..."-Album gut aufgehoben wäre.
Weiter geht es mit der Halbballade `When The Eagle Cries´, bei der Owens leicht flüsternd singt, um dann im tollen eingängigen, erneut von Chören begleiteten Refrain für eine kurze Gänsehaut zu sorgen. Den Wechsel von akustischen und elektrischen Gitarren ist man von der Band ja schon gewohnt, jedoch klingen ICED EARTH hier mehr nach IRON MAIDEN als nach ihrem alten ruhigeren Material, was ich persönlich sehr gut finde, da man hier von einer willkommenen Weiterentwicklung sprechen darf. Nur die recht kriegsverherrlichenden und patriotischen Texte sind äußerst diskussionswürdig, gerade wenn man bedenkt, inwiefern die weltweite politische Situation kein gutes Licht auf die amerikanische Politik wirft...
Der Single-Track `The Reckoning (Don`t Tread On Me)´ ist wiederum eine typische ICED EARTH-Komposition, bei welcher der "Ripper" erstmals sein gesamtes Stimmvolumen ausnutzt und die hohen Screams auspackt, die aber perfekt zum galoppartigen Riffing Schaffers passen und weitaus besser als das sind, was Rob Halford in seiner gesamten Solo-Karriere eingesungen hat. Der mehrstimmige Chorus ist ebenfalls erste Sahne und lediglich der Übergang vom kurzen atmosphärischen Part zu den Heavy-Gitarren am Ende wurde ein wenig verhunzt. Ansonsten ist auch dieser Song sehr überzeugend.
`Attila´ ist wieder ziemlich melodisch, verfügt über einen starken Refrain und hält das leicht angezogene Tempo der vorangegangenen Nummer. Und auch nach vier Tracks gibt`s nix zu meckern.
Dann folgt aber mit `Red Baron/Blue Max´ ein etwas schwächerer Song von "The Glorious Burden". Dabei ist das Stück gar nicht mal schlecht, lässt aber die zwingenden Hooks vermissen. Die Performance von Owens hingegen ist weiterhin Weltklasse und gipfelt in einigen kraftvollen Shouts and Screams.
`Hollow Man´ ist der einzige richtig schwache Song dieser Platte. Das akustische Intro erinnert irgendwie an `I Died For You´ und sowohl die Arrangements als auch der Chorus dieser ruhigen Komposition klingen recht uninspiriert. Der "Ripper" bleibt seiner erstklassigen Leistung treu, offenbart einige noch nie dagewesene Facetten seiner Stimmung und zeigt, dass er selbst balladeske Töne problemlos meistern kann.
Mit `Waterloo´ geht es dann wieder aufwärts; ein weiterer Midtempo-Song mit erhöhtem Melodieeinsatz und einem guten Chor-Refrain.
`Valley Forge´ schließt dann das eigentliche Album ab und ist nochmal ein absolutes Highlight. Nach einem akustischen Beginn erzeugt der "Ripper" in den ruhigen Strophen zum wiederholten Male eine Gänsehaut, bevor er dann im Refrain mit melodischem Gesang überzeugt. Stark!
Was aber dann folgt, ist schier unbeschreiblich. Schaffer hatte im Vorfeld ja schon einen langen epischen Song angekündigt, was er aber bei der Abschluss-Trilogie `Gettysburg (1863)´ aufbietet, übertrifft selbst die höchsten Erwartungen.
Jon hat Wort gehalten und ein monumentales Epos eingespielt, das in der gesamten Metal-Szene seinesgleichen sucht.
Verstärkt durch das Prager Symphonieorchester hat der geschichtsinteressierte Schaffer hier die dreitägige Schlacht von Gettysburg vertont, bei der im Jahre 1863 über 20.000 Amerikaner im Bürgerkrieg umkamen.
Eingeleitet durch Marsch-Trommeln in Verbindung mit der amerikanischen Nationalhymne steigert sich das beginnende `The Devil To Pay´ im melodischen Midtempo zu einem Killer-Chor-Refrain, um später in einem verlängerten instrumentalen Part die Eindrücke, die Schaffer sich durch jahrelange Recherche verschafft hat, zu verarbeiten und musikalisch wiederzugeben (die dahinter stehenden Intentionen kann man übrigens im Booklet nachlesen). Danach folgt mit `Hold At All Costs´ eine zunächst ruhige Fortsetzung, bis dann die charakteristischen galoppartigen Riffs das Geschehen übernehmen und in einen mächtigen Chorus münden. Spätestens hier sollten die letzten Kritiker mit offenem Munde vor der Anlage sitzen. Aber es kommt noch besser, nämlich mit dem finalen `High Water Mark´, das ebenfalls mit gemäßigter Orchester-Begleitung und dazu eingefügten Kanonengeräuschen einsteigt, um nach vermehrtem Gitarrenzusatz richtig heavy zu werden, bevor Owens die Szenerie mit der entsprechenden Dramaturgie auflöst. Nach über 30 Minuten bin ich mir bewusst, dass ich hier ein unzweifelhaft wichtiges Stück der gesamten Heavy-Metal-Geschichte vernommen habe und zugleich das Großartigste, was je aus der Feder von Schaffer entstanden ist. Einfach überwältigend und grandios; Gratulation zu einem solchen spannenden Meisterwerk, das ich hiermit zum Pflichtstoff für JEDEN einzelnen Heavy-Metal-Fan erkläre.
Die limitierte Digipak-Version enthält noch drei weitere Bonus-Tracks, wobei die Gitarrenversion von `Star-Spangled Banner´ recht verzichtbar ist und auch die Akustik-Version von `When The Eagle Cries´ dem Original nicht das Wasser reichen kann. Lediglich `Greenface´ ist gänzlich neu und eigentlich auch ganz ordentlich, aber eben kein echtes Highlight. Trotzdem sollte man natürlich diese Version abgreifen, da die Bonusnummern eine weitere gute Ergänzung zum regulären Material darstellen und man obendrein noch ein opulentes Package für die eigene Sammlung bekommt, auf das man nicht verzichten sollte.
War ich anfangs (ich beschäftige mich schon seit über drei Wochen mit der Scheibe) noch nicht davon überzeugt, dass ICED EARTH an die beiden Meilensteine "The Dark Saga" und "Something Wicked This Way Comes" anknüpfen können, muss ich nun, nach dem bestimmt schon zwanzigsten Durchlauf, erkennen, dass "The Glorious Burden" auf jeden Fall eines der besten, wenn nicht sogar das beste Album der gesamten Bandkarriere geworden ist.
Wer hätte vorher schon gedacht, dass der Weggang von Matthew Barlow so einfach verschmerzt werden könnte? Ich jedenfalls nicht, doch umso begeisterter bin ich heute auch, dass sich Tim Owens und Jon Schaffer gefunden haben, denn diese Kombination ist das Allerbeste, was der Band und generell der gesamten Szene passieren konnte.
Owens tritt endlich aus dem großen Schatten von Rob Halford heraus und kann seine Stimme auch im Studio so einsetzen, wie man es live schon von ihm gewohnt ist. Das Resultat spricht Bände und zeigt einen stark gewachsenen Sänger, der hörbar gelöst wirkt und sich nach langem Warten auch in das Songwriting (hier bereits bei `Red Baron/Blue Max´ geschehen) einbringen kann. Schaffer selber wird ebenfalls entlastet, da er nun einen Sänger hat, der sich nicht nur auf seine Performance konzentriert, sondern auch eigene Ideen beisteuert, eine Angewohnheit, die er an Matthew Barlow vermisste.
Was soll ich noch lange schreiben, ich denke mal, dass nun alles gesagt ist. ICED EARTH kehren nach längerer Auszeit endlich wieder zurück und präsentieren sich mit umgekrempelten Line-Up in absoluter Höchstform und lassen auch für die Zukunft große Hoffnungen aufkommen. Beten muss man nur, dass das Team Schaffer/Owens von niemandem mehr auseinandergebracht wird...
Kleine Anmerkung noch: Über die teilweise patriotisch gearteten Texte möchte ich hier keine großen Worte mehr verlieren, da ich die Einstellung von Jon Schaffer zu seinem Heimatland weder beurteilen noch kritisieren möchte und mir erst im direkten Gespräch einen besseren Eindruck über Schaffer`s Einstellung zu diversen politischen Themen zu verschaffen gedenke. Dass der Text zu `When The Eagle Cries´ aber recht kontrovers ausgefallen ist und mich als Europäer nicht gerade besonders anspricht, sollte aber trotzdem nicht unerwähnt bleiben.
Anspieltipps: Declaration Day, The Reckoning (Don`t Tread On Me), Valley Forge, The Devil To Pay, Hold At All Costs, High Water Mark
- Redakteur:
- Björn Backes