ILLDISPOSED - 1-800 Vindication
Mehr über Illdisposed
- Genre:
- Death Metal
- Label:
- Roadrunner / Universal
- Release:
- 04.10.2004
- I Believe In Me
- Dark
- Now We're History
- When You Scream
- Jeff
- In Search Of Souls
- Still Sane
- You Against The World
- No More Time
- The Final Step
Ich würde mich, was das Entdecken neuer Bands angeht, nicht gerade als sonderlich experimentierfreudig bezeichnen. Im Gegenteil, gerade bei Live-Konzerten neige ich dazu, Bands, die ich nicht wirklich kenne, wenig bis gar nicht zu beachten. Gut, dass ich manchmal doch über meinen Schatten springe, wie bei der Wacken Roadshow im hiesigen Spot. Denn sonst wäre ich wohl nie in den Genuss der aktuellen ILLDISPOSED-Platte "1-800 Vindication" gekommen.
"Ill disposed" bedeutet "schlecht gesonnen". Klingt bedrohlich, und ist eigentlich auch eine nette Umschreibung für den Sound der mittlerweile nur noch vierköpfigen Death-Metal-Combo aus Dänemark. Vom Debüt "Four Depressive Seasons" bis hin zum aktuellen Auswurf haben ILLDISPOSED eine starke Entwicklung von einer soliden, aber recht eingefahren Todesmetallertruppe hin zu einer innovativen modernen Death-Metal-Band durchgemacht. Summer (Vocals), Kloge (Bass), Batten (Gitarre) und Thomas (Drums) können sich nach ihrem mittlerweile siebten Longplayer durchaus zu den obersten Deathern der Neuzeit zählen.
Der etwas rätselhafte Titel des 2004 veröffentlichten Albums ist schnell erklärt. "1-800" ist eine Vorwahl für gebührenfreie Telefonnummern, und "vindication" bedeutet Rechtfertigung. Quasi eine kostenlose Nummer für ein reines Gewissen. Dass ILLDISPOSED mit Reinheit nicht viel am Hut haben, stellen sie auf zehn Tracks verteilt eindrucksvoll klar.
Der Sound der fünf Dänen (damals waren sie ja noch fünf) lässt sich wohl am besten als rhythmusschwanger und gitarrenlastig bezeichnen. Die Riffs der einzelnen Songs sind meist absolute Bretter, zusammengesetzt aus modernem Death-Geschrammel und fiesem Oldschool Thrash. Auf jeden Fall was Herrliches für das Metallerherz, egal ob jung oder alt. Dazu gesellt sich ein Drumming, das zwar lange nicht mehr das Tempo aus "Submit"-Zeiten vorlegt, dabei aber alles andere als langsam oder gar langweilig daherkommt. Dosiertes Doublebass-Gewitter, knallende Snaredrum, keifende Becken in irrem Reigen. Metallisch-verzerrte Bass-Linien komplettieren die Instrumentenfraktion. Den runden Abschluss bilden wütend rumpelnde Vokills in tiefster ABORTED-Stimmlage, regelmäßig überlagert von verzerrten Melodien und psychedelischem Black-Gekreisch. Also alles vorhanden, um daraus eine richtig fette Platte zu mischen. Letzteres übernahm der zurzeit viel gefragte Tue Madsen, der auch schon die neuen MAROON- und MNEMIC-Scheiben einpegelte.
Die Eintrittskarte in die leider nur etwas über 30 Minuten lange Achterbahnfahrt ist ein bunter Sample-Mix aus den Stücken der Vorgängeralben, die schließlich vom Opener 'I Believe In Me' abgelöst werden. Coole Idee für den Start, und vor allem ein starker Anfangstrack. Frontschwein Summer hält sich noch zurück und überlässt erstmal den Zwillingsäxten das Machwerk. Die beißenden Thrash-Läufe werden im Zenit von verträumten Synthies und melancholisch gesummten Melodien verfeinert, durch die der Song eine für mich völlig neue Hohlraumatmosphäre kreiert, die sich um den Hörer legt, bevor es mit 'Dark' das erste Mal herrlich aufs Fressbrett gibt. Das Riffing ist tief und fix - insgesamt marschieren ILLDISPOSED aber in gesetztem Death-Tempo durch das Stück. Der für das Album klassische Aufbau von tief geshouteten Strophen und fies verzerrten Chorusmelodien kommt hier bereits voll zum Tragen. Speziell Letztere wirken auf ihre Art futuristisch und drohend zugleich - ein Effekt, den Mann später noch vollendeter umzusetzen vermag. 'Now We're History' ist eines der absoluten Glanzlichter der Scheibe und fährt einen genialen Mix aus Schweden-Chords, Midtempo-Thrash und Hardcore-Attitüde auf. Fans der modernen Nordmann-Mucke aus Dänemark und Schweden werden die Augen leuchten. Melodiefreudig und nur knapp am Prädikat "zahnlos" vorbei, ist der Song ein Ohrwurm erster Güte.
Die finden sich interessanterweise trotz des ansprechenden Songwritings nur teilweise auf der Platte. Auf jeden Fall dazu gehören die Video-Single 'Still Sane' und das hammerharte 'Jeff'. Beide Songs sind für mich der Inbegriff von Cyber-Irrsinn und wären der passende Soundtrack zu jedem Horror-Streifen. 'Jeff' schlägt auch textlich voll in die Splatterkerbe, umrahmt von ultratreibenden Gitarren und einem netten Introsample aus Wayne's World. 'Still Sane' ist eine Großkampfmaschine - bis an die Zähne bewaffnet mit tiefer Rhythmik, Psycho-Ambiente und einem Killersolo im Mittelpart. Zwischen diesen beiden Knallern drohen 'When You Scream' und 'In Search Of Souls' fast unterzugehen. Was tragisch wäre, denn während ersteres die coolsten ILLDISPOSED-Spieltechnikideen ever vorweist, findet sich in 'In Search Of Souls' die perfekte Symbiose aus glockenklarer Singstimme und Death-Growls.
Bis dato hätte ich keinerlei Hemmungen gehabt, der Platte fünf fette Sterne aufs Jewel Case zu drücken. Leider schwächeln die letzten drei Songs etwas. 'You Against The World' startet zwar kraftvoll, wirkt aber verglichen mit den Vorsongs uninspiriert. Die nötige Konsequenz bei der Umsetzung des Soundkonzepts bleibt aus, der Synthiegitarre zum Trotz. Auch 'No More Time' und 'The Final Step' erleiden das gleiche Schicksal. Ein wenig sind es auch die kaum bis nicht vorhandenen Vokalmelodien, welche die Songs einiges an Eingängikeit kosten. Die ewig dichte Wand aus Gitarren wird zwar hin und wieder von einem Solo aufgelockert, ist aber insgesamt zu beherrschend. 'The Final Step' kann immerhin einige gelungene Blast-Stellen aufweisen, die etwas old-schooliger als der Rest der Platte klingen. Schade, dass der Kunde nur 1:55 Minuten lang ist.
Alles in allem kann man an "1-800 Vindication" jedoch kaum etwas aussetzen. Den drei schwächeren Songs am Stück stehen sieben Vollblutbomben entgegen, die eigentlich helfen sollten, die Gefilde um FEAR FACTORY und Konsorten ein ordentliches Stück zu erweitern, und in dem Death-Areal dieses Landes auch gleich die Vorherrschaft an sich zu reißen. Starkes Stück, nur leider viel zu kurz!
Anspieltipps: I Believe In Me, Now We're History, Jeff, Still Sane
- Redakteur:
- Dennis Hirth