IN MOURNING - Afterglow
Mehr über In Mourning
- Genre:
- Progressive Melodic Death Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Agonia Records
- Release:
- 20.05.2016
- Fire And Ocean
- The Grinning Mist
- Ashen Crown
- Below Rise To The Above
- The Lighthouse Keeper
- The Call To Orion
- Afterglow
Ja, er lebt noch!
Es gibt ihn tatsächlich noch, den kreativen, fordernden, mitreißenden Melodic Death Metal schwedischer Schule! IN MOURNING aus Vansbro stand zwar stets etwas im Schatten lokaler (und mitunter globaler) Größen wie IN FLAMES und DARK TRANQUILITY, was die fünf Herren aber nicht daran hinderte, quasi in zweiter Reihe mehrere Veröffentlichungen erster Güte abzuliefern. Die Band definierte sich von Beginn an abseits verbrauchter Melo-Death-Trademarks wie doppelläufigem Gitarrengerödel und gleichförmig gegrunzten Vocals, tauchte in melancholischere Tiefen und progressivere Strukturen ein und schuf so ein eigenes, kleines Universum der Schwermut und Weltabgewandtheit.
Das Coverartwork von "Afterglow", das einen Leuchtturm in einer apokalyptisch aufgewühlten See zeigt, darüber eine dunkle Wolke, einem stilisierten Heiland mit ausgebreiteten Armen gleich, gibt stimmungsmäßig die Richtung vor. Tobias Netzel (auch bekannt von den Post Metallern MAJALIS) und seinen Mannen gelingt es auf ihrem vierten Album aber insbesondere, ihre Stärken zu bündeln, etwas weniger verkopft zu klingen, und sowohl Freunde eingängiger Göteborg-Klänge als auch Progressive-Metal-Fans zufrieden zu stellen.
Wem INSOMNIUM seit "Shadows Of The Dying Sun" zu belanglos und rührselig klingt, der bekommt von IN MOURNING auf "Afterglow" Abhilfe: Der Opener 'Fire And Ocean' klingt tatsächlich ein wenig wie die Finnen in ihren stärksten Momenten, verliert sich aber nicht in plattem Folk-Gedudel - vielmehr werden hier schwermütige Gitarrenleads, knackige Riffs und hymnische Klangwände zu einem hitverdächtigen, gekonnt ausbalancierten Earcatcher vermengt. Und wer Feuer gefangen hat, bekommt nach dieser leicht bekömmlichen Eröffnung mit 'The Grinning Mist' die Vollbedienung: Diesmal geht es gleich auf Zehn-Minuten-Schlagdistanz, diesmal wird die Schwäche der Schweden für Doom in tiefen Basslinien und atmosphärisch eingesetztem Schlagzeugspiel deutlich - doch verliert sich die Truppe nicht, wie Kollege Backes beim Vorgänger "The Weight Of Oceans" kritisierte, in überkomplexen Arrangements. Im Gegensatz zum griffigen Opener steht nun der atmosphärische Aufbau im Vordergrund, und die schwermütige Stimmung, eingebettet in ein knackiges Death-Metal-Soundgewand, erweist sich abermals als der große Trumpf der Nordeuropäer.
'Ashen Crown' wirkt anschließend vertrackter und schlägt mit diversen OPETH-Huldigungen die Brücke zu den Vorgängeralben, lässt mit einem epischen Refrain und besonders dem ergreifenden, hymnisch-balladesken Outro aber eindrucksvoll Licht durch die Sturmwolken brechen. Ergreifend, herzerwärmend! Die zweite Albumhälfte bietet weniger klare Anhaltspunkte, aber doch etliche Momente großer musikalischer Genialität: 'Below Rise To The Above' beginnt zurückhaltend, atmosphärisch post-rockig, schwenkt unmerklich um auf rastloses Riffing und gutturale Vocals, verliert sich vorübergehend in verkopften Rhythmusvariationen, ehe der Aggressionsgrad zum Ende hin wieder abnimmt und das Stück auf ungewöhnliche Weise mit einem ruhigen Gitarrensolo verklingt. 'The Lighthouse Keeper' legt ganz sachte und vorsichtig ab, pflügt alsbald wie ein schweres Schlachtschiff durch die unruhige See, vermag musikalisch nicht so recht Kurs zu halten, weiß aber durch die majestätische Erhabenheit seines Klangspektrums durchaus zu beeindrucken. 'The Call To Orion' zieht anschließend mit deftigen Riffs und epischen Melodiebögen rastlos durch eine schwarzmetallische Polarnacht, ehe der Sturm abebbt und sich im hoffnungsspendenden Schein des auf dem Cover stilisierten Leuchtturms friedvolle Erleichterung breit macht. Ein schwer zugänglicher Brocken, bei dem sich die Hartnäckigkeit der Hörerschaft aber ausbezahlt macht. "Afterglow" verklingt schließlich mit dem doomigen Titeltrack, der sich trauergeschwängert an Land schleppt, wie die verbliebene Mannschaft eines Dreimasters, der gegen alle Widrigkeiten mit Müh und Not wieder den Heimathafen erreicht hat.
Wenn mich auf "Afterglow" etwas stört, ist es die etwas lieblose gutturale Vokalarbeit - aber da schenken sich die üblichen Genreverdächtigen in der Mehrheit ohnehin nichts. Davon abgesehen bereitet mir IN MOURNING mit dem vierten Langeisen geradezu nostalgische Freude: Die Schweden beginnen stark und eingängig, steigern den Schwierigkeitsgrad im weiteren Verlauf stetig, bleiben aber größtenteils nachvollziehbar und vergraulen die Hörerschaft nicht gleich auf den ersten Metern. "Afterglow" klingt dabei wie der endgültige Abgesang auf ein in den letzten Zügen liegendes Genre, dessen einstige Trademarks heutzutage nur noch Gähnen hervorrufen. Der progressive Ansatz von IN MOURNING hat gewiss seine Stolperfallen, verleiht dem atmosphärischen Schwedensound aber die nötige Komplexität für längerfristiges Hörvergnügen. Ja, er lebt noch, der Elchtod - aber "Afterglow" könnte womöglich sein letztes überzeugendes Lebenszeichen sein.
Anspieltipps: Fire And Ocean, The Grinning Mist
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Timon Krause