IN SOLITUDE - Sister
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2013
Mehr über In Solitude
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 7.75
- Label:
- MetalBlade (Sony)
- Release:
- 27.09.2013
- He Comes
- Death Knows Where
- A Buried Sun
- Pallid Hands
- Lavender
- Sister
- Horses In The Ground
- Immost Nigredo
Lasst uns Pentagramme auf die Wiesen des englischen Gartens pinseln. Mit Schweineblut!
Als doch recht altmodischer Mensch was Technik betrifft, brenne ich mir den Soundcheck oft in zufällig zusammengewürfelten Paketen auf CDs, die dann ab ins Auto oder zu anderen Hörplätzen wandern. Auf einer dieser CDs ist heuer relativ viel ödes Zeug oder generisches Geknatter gelandet, dazwischen jedoch sticht schon auf den ersten Hör etwas Pikfeines heraus, das man sofort lauter dreht, das einen einnimmt und vor lauter Entzückung die Welt um einen Herum vergessen lässt. Und nein, es handelt sich beim Crosscheck nicht um den allerorts gelobten ATLANTEAN KODEX, sondern um die mir völlig unbekannten Schweden von IN SOLITUDE, die im Soundcheck auch nicht auf dem zweiten, sondern auf dem vorletzten Platz landen. Doch die Musik trifft bei mir voll und ganz in Schwarze, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir hören nämlich dunklen Rock, der ganz eindeutig und völlig unverkennbar aus der schwedischen Talentschmiede stammt. Irgndwie muss das Gras, das in diesem besonderen Nordland seit einigen Jahren geraucht wird, einen ganz besonderen Einfluß auf die Kreativität der dortigen Musiker haben.
Ein äusserst fluffiger, atmungsaktiver Sound lässt das Herz des Schwedenrock-Fans wie schon bei DEAD LORD, YEAR OF THE GOAT oder GRAVEYARD einmal mehr höher schlagen (ohne auch nur ansatzweise an die Klasse dieser Bands anzuknüpfen - NM). Rohe und ursprüngliche Rock-Röhren-Gitarren sind das, schlicht links/rechts getrennt, ohne übertriebene Verzerrung, ohne tiefe durchhängende Schlabbersaiten, von lässigen Musikern gespielt und so aufgenommen, dass man jeden Saitenanschlag und und jeden Fingerrutscher raushört, wenn man will. Wer so klingt, kann spielen und minimale (gewollte?) Timingschwankungen stören hier nicht, sie geben der Musik eher zusätzliches Leben. Doch die Herren von IN SOLIUDE sind in vielen Aspekten auch deutlich anders als viele ihrer schwedischen Kollegen. Man spielt nämlich ein sehr dunkle Variante dieses Retrosounds, der jede Menge tritonale Melodien, morbide Vibrationen und friedhofhafte Atmosphären enthält. Am liebsten würde ich nachts mit einem Eimer Schweineblut durch den englischen Garten rennen und überall Pentagramme hinpinseln, so cool ist das.
Dreh- und Angelpunkt bei dieser Hexerei ist Sänger Pelle Åhman, der mit seiner äusserst verschrobenen Liebe-mich-oder-hasse mich-Stimme als Regisseur dieses düsteren Spektakels fungiert. Mir fällt auf Anhieb keine Stimme ein, die so klingt, doch in vielen Momenten erinnern mich Klangfarbe und Melodieführung an den Sänger meiner finnischen Postrockgötter CALLISTO auf ihrem Highlightalbum "Providence" (Jani-Ala Hukkala, falls das jemanden interessiert). Im nächsten Moment kann Herr Åhman aber auch schon wieder wie Gerry Nestler (CIVIL DEFIANCE, PHILM) klingen ('Lavender'). Zumindest ist er ählich variabel und dabei "out of this world", dieser (Åh)Man(n). À propos Post Rock: die eine oder andere Anlehnung an genretypische Atmosphären (langsamer Songaufbau, flirrende Gitarren) wird auf äusserst geschickte Weise in den IN SOLITUDE-Sound integriert, insbesondere bei den grandiosen Longtracks 'A Buried Sun' und 'Inmost Nigredo'. Da erscheint auch der Information, dass man mit Jarboe (u.a. SWANS), die seinerzeit mit den SWANS zu den Pionieren dieses Sounds gehörte, als Gastmusikerin gewinnen konnte gar nicht mehr so verwunderlich. Allerdings steuert sie lediglich ein paar Worte bei ('Horses in the ground').
Indes, auf anderswo gezogene Vergleiche mit MERCYFUL FATE wäre ich beim Hören im Lebtag nicht gekommen (das war damals, als die Band noch gute Musik gemacht hat - NM), außer vielleicht, dass man bei IN SOLITUDE auch morbide Musik macht und einen unverwechselbaren Sängeskünstler am Mikro aufweist. Am Ende bietet "Sister", ähnlich wie vielleicht MERCYFUL FATE, sehr eigenständige, verschroben-eigenwillige Musik, die wenig Konsens finden wird und diesen auch gar nicht sucht. Mir jedoch geht sie seit Wochen nicht mehr aus dem Kopf und steuert die bislang "quälendsten" Ohrwürm-Melodien des Jahres bei. Superbe und irgendwie auch ziemlich "böse" Scheibe!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Thomas Becker