INCUBUS - Make Yourself
Mehr über Incubus
- Genre:
- Alternative / Nu Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Immortal / Epic / Sony
- Release:
- 10.01.2000
- Privilege
- Nowhere Fast
- Consequence
- The Warmth
- When It Comes
- Stellar
- Make Yourself
- Drive
- Clean
- Battlestar Scralatchtica
- I Miss You
- Pardon Me
- Out From Under
Klassiker zur Jahrtausendwende.<br />
Ende der Neunziger verfeinerten INCUBUS den bandtypischen Freaksound und begannen, ihn auch für konventioneller geschulte Ohren eingängig zu machen. Dennoch wirkt "Make Yourself" auch eine Dekade nach seiner Veröffentlichung noch ausgesprochen frisch. In technisch bis futuristisch klingendem Soundgewand rankt sich der aus Funk- und Metalwurzeln sprießende Hybrid spiralartig bis in progressive Höhen empor, streift emotionale, corige und weiter ab schon generisch gewordene "alternative", sowie traditionell an amerikanischen Colleges angesiedelte Rock-Varianten, ohne seine verästelten Luftwurzeln irgendwo fest in deren Krume zu schlagen, photosynthesiert was von den Planeten Hip und Trip halb teilchen- halb wellenartig herübergehopst kommt, ohne in deren Gravitationsfeld hinabgezogen zu werden - und hebt ab.
Spätestens 'Consequence' macht klar, dass INCUBUS hier einen ganz eigenen Stil kreiiert haben, der sich begrifflich nur noch unscharf fassen lässt: Nu Rock. - Nu rock my ass. LINKIN PARK verkündeten die "Hybrid Theory", INCUBUS lieferten die Praxis dazu. Doch dazwischen liegen Welten! Gemeinsam ist beiden Ansätzen nur der Ausbruch aus dem bis dato haltbaren Genrekorsett und eben das um Elektronik erweiterte Rockinstrumentarium. Zurück zu "Make Yourself": Auf das unruhig hymnische 'The Warmth' folgt das noch aufgekratztere 'When It Comes'. Doch schon ab 'Privilege' ist deutlich geworden, dass im neu gefundenen Sound von INCUBUS jegliche Schroffheit sogleich mit einfühlsamem Gesang austariert wird, oder mit entspannten rhythmischen Spielereien wie in 'Nowhere Fast', oder wie anschließend im romantischen 'Stellar' mit großen Melodien und dezenten, atmosphärisch wirkenden Scratches.
Wie man all das zusammenhält? Ganz einfach, mit einer unbändigen Spielfreude, die sich nicht um möglichst kunstvoll durchtheoretisierte Art-School-Arrangements schert, sondern im besten Punk-Spirit auch mal Fünfe gerade sein und die Details der Collage erkennbar herausragen lässt, solange sie eben in ihrer Gesamtheit nicht nur für sich selbst sondern für mehr sprechen. Auch der Titeltrack entfaltet erst so seine leicht unberechenbare Dynamik, die ihm eine ungemeine und nachhaltige Frische verleiht. Moderner Musik wird ja gerne einmal vorgeworfen, entweder zu steril oder zu verkopft daherzukommen. Von beidem kann hier keine Rede sein. Und doch läuft "Make Yourself" dadurch nicht annähernd Gefahr, zu primitiv, zu ungestüm, zu selbstüberzeugt daherzukommen. Schlichte Schönheit funktioniert auch ohne Schnickschnack, und so könnte das halbakustische 'Drive', seiner nu-rockig-futuristischen Produktion entkleidet, wohl genausogut von JACK JOHNSON neben dem Surfbrett am Lagerfeuer eines sommerlichen Strands dargeboten funktionieren.
Im gekonnten Wechsel und Wirbel mal crashender und mal verzwirbelter Klänge mäandert 'Clean' durch die moderne Cyberbotanik ambivalenter Stimmungen und Sounds, funkbassgetragen, von einem nervösen Schlagzeug begleitet, umworren von drahtigen Gitarrenakkorden und seinen Gesang auf Seelensuche schickend. Ein weiteres Meisterwerk, das stilistisch freilich etwas aus dem Rahmen fällt, ist das soulig-shmoove, schlafzimmerblick-funkige, trippig-laszive und nicht zuletzt futuristische Scratchmanifest 'Battlestar Scralatchtica': 3 Minuten, 50 Sekunden pure sonic bliss jenseits durchkommerzialisierter, ausgelutschter, als Bravosticker und Klingelton ausgespuckter Trendbilder von Hip Hop. Back to the rock, hin zu 'I Miss You', einem Stück mit verregneter Atmosphäre und zerebralcineastischer Szenerie vom Typ: Boulevard of Broken Dreams in Blade Runner City. Melancholischer Kuschelrock für die Single-Generation der 2000er. Der Soundtrack zum Cocooning, falls sich heute noch wer an diesen Trendforscherbegriff aus den Neunzigern erinnert.
Erinnern wird man sich zweifellos an die Hitsingle 'Pardon Me', die so etwas wie eine Blaupause für Nu Rock abgab; möglicherweise mitverantwortlich für die verwässerte Variante, mit deren Wasser dann spätere Poprocksternchen wie AVRIL LAVIGNE kochten. Egal, das Teil war zurecht ein Hit, und out 'Out For Under' könnte heute noch einer werden, wenn Radiostationen nur mutiger wären. Wer die Schnauze voll hat von den neusten Trends, möge diesen Klassiker antesten. Ansonsten gilt für jegliche Untergrundkünstler natürlich nach wie vor auch in anderen Kontexten: "Get out from under them, resist and multiply. Get out from under precipice and see the sky! Get out from under them. Resist, unlearn, defy! Get out from under precipice and see the sky!"
Anspieltipps: The Warmth, Drive, Clean, Battlestar Scralatchtica
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Eike Schmitz