INCUBUS - Morning View XXIII
Mehr über Incubus
- Genre:
- Alternative Rock / Crossover
- Label:
- Virgin (EMI)
- Release:
- 17.05.2024
- Nice To Know You
- Circles
- Wish You Were Here
- Just A Phase
- 11 am
- Blood On The Ground
- Mexico
- Warning
- Echo
- Have You Ever
- Are You In?
- Under My Umbrella
- Aqueous Transmission
Überflüssig? Keine vorschnellen Urteile, denn Antesten lohnt sich!
Bereit für eine kurze Zeitreise? Wir schreiben das Jahr 2001 und der Verfasser dieser Zeilen beginnt gerade die Rock- und Metalmusik für sich zu entdecken, als plötzlich eine grandios kreative amerkanischen Band mit einem absoluten Alternative-Rock-Kracher um die Ecke kommt, der auf den Namen "Morning View" hört. Die Rede ist natürlich von der Band INCUBUS, die in der Folge mit Hits wie 'Nice To Know You' oder 'Wish You Were Here' massiv prägend für meine musikalische Sozialisation wurde. Seither verfolge ich die Truppe aus Kalifornien mit praktisch gleichbleibender Begeisterung, auch weil sie nach dem Megaseller kreative Wege fand, sich weiterzuentwickeln und spannende Musik zu schreiben, ohne sich wie so viele Kollegen dem Mainstream anzubiedern. Angesichts dieser Kreativität war ich aber nun doch etwas skeptisch, als ich die Ankündigung einer Neueinspielung des eben erwähnten Klassikers als "Morning View XXIII" las. Braucht die Welt eine solche Veröffentlichung wirklich?
Nun, die Frage kann durchaus mit "Ja" beantwortet werden. Die CAVALERA-Brüder etwa beweisen gerade mit ihren Neuaufnahmen der SEPULTURA-Erstwerke, dass gerade eher schwach produzierten und an handwerklichen Unzulänglichkeiten leidenden Alben so neues Leben eingehaucht werden kann. Alternativ möchte man vielleicht auch der Evolution der Bandbesetzung Rechnung tragen und die klassischen Hits im neuen Gewand präsentieren. Von beidem kann bei INCUBUS aber nicht die Rede sein, denn "Morning View" klingt auch nach 23 Jahren in Sachen Produktion so frisch wie eine gerade veröffentlichte Platte und abseits der Umbesetzung am Bass (hier zupft inzwischen Nicole Row die Saiten) sind auch noch die exakt gleichen Musiker an den Instrumenten zu hören wie bei den originalen Aufnahmen. Alle Zeichen deuten also daraufhin, dass hier maximal das eigene Monument mit dieser Neuaufnahme untergraben werden kann.
Und zumindest der Beginn von 'Nice To Know You' lässt mich schlimmes erahnen, denn dieses doch eher dröge und in die Länge gezogene Intro hätte ich nicht unbedingt gebraucht. Auch danach stellt sich nicht sofort ein großer Aha-Effekt ein, denn bis auf Details in der Instrumental-Arbeit und bei Brandons Gesang hält sich die Neuaufnahme recht dicht am Original. Der wärmere und deutlich organischere Sound, der so auch durchaus von einer Live-Aufnahme stammen könnte, gefällt mir allerdings sehr gut und lässt mein Interesse durchaus nach oben schnellen. 'Circles' offenbart im Anschluss dann auch, worin der eigentlich unterhaltsame Kern von "Morning View XXIII" liegt, denn hier bleiben es weiterhin Details, die von den Originalfassungen abweichen, doch gerade das wuchtige Break am Ende funktioniert überraschend gut. Ebenfalls passt Brandons gealtetere Stimme gut zum herber dargebotenen Songmaterial, das insgesamt natürlich auch 23 Jahre nach Erstveröffentlichung nichts von seiner Strahlkraft verloren hat. Und so ertappe ich mich mit zunehmender Spielzeit nie dabei, wie ich überrascht die Augenbraue hochziehe, denn das Rezept der dezenten Evolution der Arrangements und der Übernahme einiger live entstandener Abänderung in die Neuaufnahme bleibt auch in der übrigen Spielzeit erhalten. Dennoch sind es gerade der schon erwähnte deutlich wärmere und organischere Sound und die tatsächlich klanglich weniger massentauglich aufgearbeiteten Songs, die mich bei der Stange halten und das Hörerlebnis nach und nach zu einer sehr unterhalsamen Angelegenheit wandeln.
So sitze ich am Ende der Spielzeit auch etwas ratlos hier, denn trotz massiver Skepsis denke ich, dass "Morning View XXIII" trotz eines Mangels an offensichtlicher Kaufanreize seinen Weg in meine Sammlung finden wird. Und das nicht, weil INCUBUS hier irgendeinen bahnbrechenden Weg gefunden hat, dem Klassiker etwas Neues abzugewinnen, sondern weil ich einfach die auch live schon erlebte Evolution der klassischen Songs sehr gerne mag und gleichzeitig den etwas herberen Sound der Neuaufnahme absolut großartig finde. Neueinsteigern würde ich dennoch den Griff zum originalen Album empfehlen, doch gerade Fans der Kalifornier sollten diesem Experiment hier eine Chance geben, denn auch ihr könntet - so wie ich - sehr positiv überrascht werden.
- Redakteur:
- Tobias Dahs