INNER STRENGTH - Daydreaming In Moonlight
Auch im Soundcheck: Soundcheck 12/24
Mehr über Inner Strength
- Genre:
- Prog Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Divebomb Records
- Release:
- 19.07.2024
- Daydreaming In Moonlight
- The Art Of Moving Forward
- Face Another Hero
- Dearly Departed
- Truth And Lies
- Compelled
- War Song
- The Strength Within – Part II
Prog Metal-Comeback des Jahres: Komplex, aber fluffig. Frickelnd, aber eingängig. Vielleicht sogar tanzbar? Auf jeden Fall geil!
Den 90er Jahren eilt in musikmetallischer Hinsicht bekanntlich nicht unbedingt der beste Ruf voraus. Klassischen, traditionellen und altgedienten Metal-Bands wurde durch das urplötzliche Auftauchen der Grunge- und Nu Metal-Bewegung seinerzeit der Garaus gemacht, lautet der auch heute noch oft gehörte Vorwurf. Ich kann dem auch in der Retrospektive nur mit einigem Vorbehalt zustimmen, denn gerade im Bereich des progressiven Power Metal US-amerikanischer Prägung gab es in jenem verschmähten Jahrzehnt Perlen en masse. Ich erwähne hier jetzt einfach mal Bands wie INFERNO, AUDITORY IMAGERY, ARKAINA, SAHARRA und THE LAST THINGS. Die Liste an weiteren großartigen Combos aus diesem Segment ließe sich aber problemlos und ohne weiteres quasi endlos fortführen, würde aber über kurz oder lang ins Reich Nerdistan führen.
Eine andere Combo, die nicht nur dieses Jahrzehnt, sondern auch den Geschmack des Verfassers dieser Zeilen bis zum heutigen Tag maßgeblich beeinflusst hat, war die in Lake Grove, New York beheimate Band INNER STRENGTH. Diese hatte sich im Jahr 1986 gegründet und veröffentlichte in den Jahren 1989 – 1992 vier ganz superbe Demotapes, von denen das ein oder andere noch heute rege Erwähnung findet, wenn es um das nerdhafte Ranking von kultbehafteten Demos geht. Sieben jener Rohfassungen wurden dann 1993 auf der zwölf Songs umfassenden Debütscheibe "Shallow Reflections" in frisch bearbeiteten Fassungen verewigt. Die anderen fünf Neukompositionen standen den bereits bekannten Stücken indes in puncto Qualität und Gütesiegel in überhaupt nichts nach. Wer komplexen und melodischen, aber jederzeit spielfreudigen und eingängigen US Progressive Metal mit High Pitched Vocals zu lieben und schätzen wusste, kam in jener Zeit auch an diesem Geniestreich nicht wirklich vorbei. Obwohl mit reichlich Breaks gespickt, konnte man die meisten Hooklines der Stücke bereits nach kurzer Zeit praktisch eigentlich schon im Schlaf mitträllern. Absolut songdienlicher und straight gezockter Prog Metal mit einer üppigen Dosis Frickelsoße war das, was sich seinerzeit viele Bands wie INNER STRENGTH auf die Fahnen geschrieben hatten, bevor Richtung Jahrtausendwende so manche Kapelle den Begriff Prog Metal auf einmal mit instrumentaltechnisch sterilem und komplett empfindungsarmen Hochleistungsfingersport verwechseln sollte. Augenscheinlich entsprach dies aber damals leider schon ein wenig dem Zeitgeist, denn viele Bands sollten sich nach der Aufnahme von nur einer Platte wieder auflösen. Heutzutage findet man viele dieser Alben in den hiesigen Gazetten in Rubriken und Listen wieder, die auf schöne Titel wie "Forgotten Jewels" oder "One Album Wonder" hören. So kann sich der Zeitgeist also glücklicherweise wieder zurückentwickeln.
Gute dreißig Jahre sind seit dem besagten Debütalbum nun also ins Land gezogen und mit "Daydreaming in Moonlight" liegt nun nach erfolgter Reunion im Jahr 2020 der lang ersehnte Nachfolger vor. Veröffentlicht wurde das Album bei dem amerikanischen Kultlabel Divebomb Records, welches in der Vergangenheit unter anderem bereits als guter und verlässlicher Tonträger-Dealer für ReIssues längst vergriffener und kultisch verehrter Demotapes (DEADLY BLESSING, OPTIMUS PRIME...) in Erscheinung getreten ist.
Acht Songs bei guten fünfzig Minuten Spielzeit hat uns die Band nun serviert, und nach wenigen Takten ist bereits klar: Es schwingt unverwechselbar wieder der gute, alte INNER STRENGTH-Spirit mit. Dieser manifestiert sich auch hier wieder in der ihresgleichen suchenden und absolut außergewöhnlichen Wundersingstimme von Scott Oliva. Die hat in all den Jahren nichts von ihrem immensen Charisma eingebüßt und hat mich damals nicht umsonst vom ersten Hörmoment an total schockverliebt werden lassen. Nicht zu vergessen die zauberhaft dargebotenen Gitarrenmelodien von Joe Marselle, der seinen Sechssaiter hier für meinen Geschmack vielleicht einen Halbton zu viel runtergestimmt hat, was wohl leider dem aktuellen Zeitgeist geschuldet sein mag.
Man hört den neuen Stücken zwar durchaus an, dass die einstige unbändige Jugendlichkeit und Wildheit der frühen Kompositionen einer gewissen Reife und Formstrenge gewichen ist, dennoch haben wir es keineswegs mit verkopft hüftsteifen und blutleeren Songs zu tun, wie sie uns eben von vielen sogenannten "progressiven" Bands dieser Tage in Hülle und Fülle vorgesetzt werden. Auch anno 2024 frickeln, breaken, riffen und solieren die Herren noch immer auf schwindelerregend hohem Niveau. Joe Kirsch an der Trommelbude klöppelt sich so wunderbar präzise durch und gegen die krummen und ungeraden Takte, während Bassist Justin Hosman hier nicht nur als Puls- und Taktgeber agiert und mit dem Füllen von Soundlöchern beschäftigt ist, sondern erfreulich oft gleich selbst die Melodie- und Songführung übernimmt. Einzelne Songs im Detail zu durchleuchten ist hier auch nicht wirklich nötig, denn ausnahmslos alle acht Songs sind für sich gesehen die jeweilige Entdeckungsreise wert. Zu bestaunen und erkunden gibt es hier wahrlich reichlich, obgleich der Einfluss von Extremfrickel-Bands wie WATCHTOWER und ganz frühen SIEGES EVEN sich hier nicht mehr allzu stark Bahn bricht. Ein jeder neue Spin lässt euch dennoch auf neue Feinheiten im nach wie vor sehr bunten und unkonventionellen INNER STRENGTH-Universum stoßen.
Schön, dass ihr wieder da seid, Jungs, denn genau so und nicht anders hat unverblümt leidenschaftlicher und zuweilen traumhaft groovender und dynamischer Progressive Metal zu klingen.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Stephan Lenze