IRON MAIDEN - A Matter Of Life And Death
Mehr über Iron Maiden
- Genre:
- Heavy Metal
- Label:
- EMI
- Release:
- 25.08.2006
- Different World
- These Colours Don´t Run
- Brighter Than A Thousand Suns
- The Pilgrim
- The Longest Day
- Out Of The Shadows
- The Reincarnation Of Benjamin Breeg
- For The Greater Good Of God
- Lord Of Light
- The Legacy
So, nun ist IRON MAIDEN als erster traditioneller Metalband seit Äonen das Kunststück gelungen, die Pole-Position der deutschen Albumcharts zu knacken, und wisst ihr was? Ich gönn's ihnen von ganzem Herzen. Man mag zu den eisernen Jungfrauen stehen wie man will, die riesige Basis, die ihnen grabestreu zur Seite steht, haben sich die Engländer im Laufe eines Vierteljahrhunderts redlich erarbeitet. Nachdem Alex die neue Scheibe "A Matter Of Live And Death" ja schon bis ins Detail besprochen hat, wird sich manch einer von euch vielleicht fragen, ob denn eine Zweitbesprechung wirklich Not tut. Nun, das kann ich euch auch nicht beantworten, aber nachdem ich die Scheibe letzte Woche gekauft, dann zeitbedingt erstmal eine Weile ignoriert und nun einem intensiven Dauertest unterzogen habe, war mir einfach danach, meine Gedanken zu diesem nunmehr vierzehnten Studioalbum der Truppe in Textform zu pressen.
Wollen wir die Stücke also mal der Reihe nach durchgehen: Der Opener 'Different World' ist zwar ein bisschen poppig und vielerorts scheint es beliebt zu sein, ihn schwach zu finden, aber ich muss sagen, dass es gerade das easy rockende, super eingängige Feeling ist, das den Opener für mich zu einem der definitiven Highlights des Albums macht. Die Hooklines der Bridge sind der absolute Überhammer, außerdem find ich's total klasse, dass Bruce hier mal etwas tiefer singt, als man es von ihm gewohnt ist. Auch Steves Basslinien sind (wie immer) extrem cool und durch Kevin Shirleys genial ausdifferenzierte Produktion auch eindrucksvoll in Szene gesetzt. Das langsame, leicht mystische Intro zu 'These Colours Don't Run' ist dann natürlich absolut MAIDEN-typisch, aber trotzdem - oder gerade deswegen - sehr schön. Die Verse sind interessant gesungen, die Bridge ist schön explosiv und der Refrain hat was sehr Eingängiges, aber trotzdem gehobenen strukturellen Anspruch. Die soundtrack-artigen Keyboards im Mittelstück sind dazu auch nicht unbedingt MAIDEN-Standard und machen die Komposition noch interessanter. 'Brighter Than A Thousand Suns' geht nach dem ruhigeren Intro ultra-heavy und in den Versen etwas zäh zur Sache, wobei die Gitarrenarrangements wunderbar vielschichtig schöne Melodien und schwere Riffs kombinieren. Die Bridge ist der Hammer und der schön dramatische Spannungsaufbau, der in den Refrain mündet, kann sich auch sehen lassen. Hätte der Refrain mehr Text und würde weniger auf Wiederholungen basieren, würd er mich noch mehr an MANILLA ROAD erinnern als dies so schon der Fall ist. Adrians Solo gefällt mir auch besonders gut. Am Ende wird das Lied vielleicht ein kleines bisschen lang, aber das trübt den Gesamteindruck kaum. Es wird wohl sogar noch weiter wachsen. Kopfhörersong? Kopfhörersong! Das erste Drittel der Scheibe wird von 'The Pilgrim' beschlossen, das mir sofort den Gedanken "Hey, cooles Intro!" durch den Kopf schießen lässt. Der Track fängt mächtig dynamisch an und erinnert mich so an ältere MAIDEN-Zeiten. Schöner Uptempo-Banger, wobei hier die Gesangslinien in Bridge und Refrain schon ziemlich anders klingen, als man es gewohnt ist. Fast experimentell, würde ich meinen. Dazu passt auch der instrumentale Einschub mit den orientalischen Melodiebögen.
Dann läutet 'The Longest Day' das zweite Drittel ein, und wie so oft prägt auch hier ein bemerkenswertes Intro den ersten Eindruck: Dieses mal noch etwas basslastiger, aber nicht minder atmosphärisch und mystisch. Wie meist bei den längeren Stücken, begegnen uns sehr aufwändige, schöne und auch vielschichtige Arrangements. Ein Song mit viel Tiefgang und Liebe zum Detail, nur stört mich hier - wie auch schon bei 'Brighter Than A Thousand Suns' - ein wenig, dass der Refrain die Wiederholbarkeit zweier Textzeilen bis ans Limit ausreizt. MAIDEN haben sich scheinbar entschieden, das in der Form weiterhin durchzuziehen, doch ich verstehe eigentlich nicht warum. Refrains mit mehr lyrischer Abwechslung sind doch viel reizvoller, oder nicht? Egal, aufgrund der vielen spannenden Instrumentalpassagen fällt der repetitive Refrain lange nicht so negativ ins Gewicht, wie es auf den letzten vier Alben öfters mal der Fall war. Es folgt die Halbballade 'Out Of The Shadows', und was hör ich da? Sind das RAINBOW-Vibes, 70er-Einflüsse? Möglich. Die balladesken Verse sind absolut klasse. Leider ist das Stück etwas zu refrainlastig, aber dafür ist der Refrain an sich spannender als manch andere. Gigantisch ist die Instrumentalpassage im letzten Drittel, die akustische Gitarren mit mega-fetten Riffs und einem sehr schönen Lead-Thema verbindet, so dass man hier die MAIDENsche Triple-Axe-Attack richtig spüren kann. Wirklich großartig. Chapeau! Bei 'The Reincarnation Of Benjamin Breeg' fühl ich mich ein gutes Stück weit an die Blaze-Bailey-Ära erinnert. Nicht gesanglich, sondern in Sachen Songaufbau. Schon vom Intro an spuken mir Sachen wie 'Virus' durch den Kopf. Das ist übrigens durchaus nicht negativ gemeint. Der mehrgliedrige Aufbau ist gut durchstrukturiert und kann mit sehr unterschiedlichen Stimmungen und Klangfarben überzeugen, aber ein persönlicher Favorit wird das Stück dennoch nicht werden.
Die längsten Epen haben sich die eisernen Jungfrauen dann aufs letzte Drittel des Albums aufgehoben, wobei 'For The Greater Good Of God' den Reigen eröffnet. Die Bassmelodien und die vereinzelten Beckenschläge am Anfang erzeugen gleich eine sehr verzaubernde Atmosphäre, welcher Bruce mit seinem sehr gefühlvollen Gesang Rechnung trägt. Mit anziehendem Tempo, verschärfter Rhythmik und erneut sehr aufwändigen Gitarrenarrangements steigert sich das knapp zehnminütige Epos immer mehr und schafft es sogar auf wundersame Weise, die Spannung bis zum Ende aufrecht zu erhalten, eben weil so viele verschiedene Facetten flüssig miteinander verknüpft werden und der Song von einer tollen Coda gekrönt wird; unglaubliche Gesangsleistung von Herrn Dickinson. Weiter geht's mit 'Lord Of Light', das vielleicht eines der bizarrsten Stücke der MAIDEN-Karriere sein dürfte. Der knapp zweiminütige erste Teil kommt sehr psychedelisch, akustisch dominiert und irgendwie "tickend" rüber. Bruce versucht sich an einem Gesangsstil, der einen gewissen Herrn Midnight als Phantom durch die Gehirnwindungen geistern lässt. Auch im Hauptstück kommt der Gesang ein wenig schriller rüber als man es von Bruce gewohnt ist. Dafür ist der Refrain endlich mal wieder ein richtiger Ohrwurm ohne zu viel Déjà-vu. Das große Finale beschert uns 'The Legacy', in dem Bruce zu Beginn erneut sehr eigenwillig singt. Irgendwie bardenhaft, was die akustischen Gitarren toll unterstreichen. Die langsame und dramatisch sauber umgesetzte Steigerung in den getragenen Hauptteil ist sehr bemerkenswert und auch hier hat der Sangesmeister einige interessante Hooks im Ärmel, die vielleicht nicht jedermann mögen wird, die aber in jedem Fall alles andere als alltäglich sind. Ich für meinen Teil find's ziemlich großartig.
Ein Fazit zu diesem Mammutwerk zu ziehen, ist nicht unbedingt einfach, aber ich will es dennoch versuchen: Da "A Matter Of Live And Death" von den ersten Hördurchläufen bis zum heutigen Tag schon unheimlich gewachsen ist, und ich anhand seines Tiefgangs und seiner Komplexität fast sicher bin, dass es noch um einiges weiter wachsen wird, attestiere ich IRON MAIDEN einfach mal, dass sie für meinen Geschmack ihr bestes Album seit knapp 15 Jahren erschaffen haben, dem ich "Fear Of The Dark" auch nur deshalb vorziehen würde, weil es mit besonderen Erinnerungen verbunden ist und eben diesen Übersong von Titelstück hat, was der neuen Scheibe irgendwie abgeht. Diese hat vielleicht nicht die absolute Überhymne, aber dafür zeigt sie das britische Metalflaggschiff auf einem kompositorischen Niveau, das seinesgleichen sucht. So tiefgehend, so hintergründig, so komplex, so vielschichtig und so abwechslungsreich waren IRON MAIDEN noch nie, und deshalb ist dieses Album etwas ganz Besonderes, das es sicher nicht jedem leicht machen wird, es zu lieben, das aber doch jedem MAIDEN-Anhänger und auch jedem sonstigen Freund anspruchsvoller Rockmusik viele spannende Stunden voller Musikgenuss bereiten kann.
Anspieltipps: Different World, These Colours Don't Run, For The Greater Good Of God, Lord Of Light, The Legacy
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle