IS LOVE ALIVE? - Second To None
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2020
Mehr über Is Love Alive?
- Genre:
- Doom Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Eigenpressung / Eigenvertrieb
- Release:
- 02.09.2020
- Principium
- Follow The Smoke
- Social Jetlag
- Untouchables
- Cooptation
- Narcissistic Illusion
- Autumn's Rise
- Third Eye
- Narcotic Sleep
Vielseitiger, klischeefreier, tiefgehender Doom mit herrlich lebendiger Produktion.
Als sich die Doom-Squad aus dem Ruhrgebiet nach einigen Jahren der Demos und EPs mit Sängerin Anne Brandenburg zusammen tat, und vor gut zwei Jahren ihr erstes vollständiges Studioalbum "Final Journey" an den Start brachte, verblieb Kollege Andrae in seinem Review mit dem Wunsch, dass es dem Titel zum Trotze hoffentlich nicht die letzte Reise der Band sein möge, und mich freut es, dass sich diese Hoffnung nun erfüllt hat und wir darauf noch gar nicht mal so lange warten mussten. Erneut in Eigenregie bringt IS LOVE ALIVE? dieser Tage den Zweitling "Second To None" an den Start, vom Quartett zum Quintett angewachsen, aber ansonsten mit unverändertem Line-up; zurück gekehrt zur Band ist Felix Kramer an Leadgitarre und Piano, der bereits von 2014 bis 2017 am Start war.
Nun heißt die Zweitgeborene also "Second To None", und dieses Mal ist das selbstbewusst gewählte Motto durchaus Programm, denn verstecken müssen sich die Bergkamener mit diesem Werk sicherlich nicht, denn man merkt schon beim ersten Hören an allen Ecken und Enden, dass es sich hier nicht um einen Schnellschuss handelt, sondern um ein mit viel Liebe zum Detail komponiertes und vor allem auch produziertes Album. Wo zahlreiche Bands ihre guten kompositorischen Ansätze durch eine lieblose Produktion von der Stange im ersten Bad ersäufen, da hört man bei IS LOVE ALIVE? sofort, dass die Band zusammen mit ihrem Produzenten Denny Gabriel (Werner Wiese Studio, Werne) und Mastering-Engineer Mike Wells (Mike Wells Mastering, Los Angeles) keine Mühen gescheut hat, ihr Album atmen und leben zu lassen. Die analoge Produktion sorgt für einen wunderbar warmen, differenzierten und transparenten Sound, welcher der Heaviness keinerlei Abbruch tut, sondern diese sogar noch fördert.
Bei den enthaltenen neun Stücken handelt es sich um sechs brandneue Kompositionen und drei neu eingespielte Songs von den frühen Demos, wobei die Neueinspielungen absolut auch für die glücklichen Besitzer der Demoscheiben ihren Reiz haben, denn die Stücke haben sich nicht nur durch den Wechsel am Mikrophon merklich weiter entwickelt, sondern auch durch den allgemeinen musikalischen Fortschritt der Band. Doch wollen wir von vorne anfangen, denn nach einem ätherischen Kirchenorgelintro steigt der Fünfer mit 'Follow The Smoke' gleich richtig intensiv in sein neues Werk ein. Mit für doomige Klänge ordentlich flottem Tempo und schweren Riffs präsentiert sich das Stück als intensiver Headbanger zum Auftakt, der jedoch auch einige wunderbare harmonische Auflösungen präsentiert, welche die Fenster weit aufstoßen und ein gleißendes Licht durch die rauchverhangene Grundstimmung strahlen lassen, wodurch der Song einen richtig intensiven Opener abgibt.
Richtig fantastisch entwickelt hat sich in der Neueinspielung auch das vom dritten Demo bekannte 'Social Jetlag', das in der aktuellen Version mit Anne am Mikro und einer kompositorischen und klanglichen Grundüberholung einen völlig anderen Charakter bekommen hat. War das Original eine dunkle, marternde, dräuende SAINT VITUS-Huldigung, da hat die neue Version nichts an Schwere und Dunkelheit verloren, aber gleichwohl viel an metallischer Schärfe und klanglicher Klarheit gewonnen, was sowohl die Gitarren als auch den Gesang und das gesamte Klangbild betrifft, und speziell das folkige Zwischenspiel. All dies tut der von mir sehr geschätzten Originalversion keinen Abbruch, doch es erklärt sehr gut, warum es im Falle von IS LOVE ALIVE? absolut gerechtfertigt ist, auf den aktuellen Werken hier und da neu eingespielte Demos einzustreuen.
Für ungewöhnliche Auflockerung sorgen Felix Kramer und Anne Brandenburg mit der sehr schönen und gefühlvollen Pianoballade 'Untouchable', bevor mit 'Cooptation' wieder der metallische Hammer geschwungen wird, dessen Melodieführung und Rhythmik dezente britisch-folkige Vibes haben, wodurch ein gewisses THIN LIZZY-Flair aufkommt. Auch die mehrstimmigen Gesangsarrangements sind hier großartig gelungen, ebenso wie das tolle Gitarrensolo zu Beginn des dritten Fünftels, das von einem herrlich knarzenden Bass und schönen Drumfills begleitet wird. So entsteht eine der mit Sicherheit schärfsten Instrumentalabfahrten der Bandgeschichte, die besonders durch das mächtige Fahrtaufnehmen zum Ende hin nochmals gewinnt.
Das herrlich basische Doomriff zum Auftakt des folgenden 'Narcissistic Illusion' bildet dazu einen hervorragenden Kontrast, der die Vielseitigkeit des Songwritings erneut unter Beweis stellt, und hier und da vielleicht gewisse Assoziationen an die Maryland-Szene, speziell an REVELATION aufkommen lässt, wobei Annes Stimme hierzu ebenso Kontrapunkte setzt, wie der waschechte Speed-Metal-Ausbruch in der Mitte des Stücks und auch das wilde Solo im letzten Viertel. Eine Anbiederung an irgendwelche Vorbilder kann man IS LOVE ALIVE? also zu keiner Zeit vorwerfen. Ein weiteres kurzes Durchatmen ermöglicht das mehrstimmige Akustikgitarreninstrumental 'Autumn's Rise', das direkt in das mächtig epische 'Third Eye' übergeht, dessen Einstiegsriffs und Drumpattern glatt von MANILLA ROADs Mark Shelton und Randy Foxe stammen könnten, was den Härtegrad nochmals deutlich nach oben schraubt, eine Wirkung, die von dem mit cleaner Gitarre und Keyboard geprägten, atmosphärischen Interludium und dem folgenden wilden Leadgitarrenoverkill nochmals verstärkt wird.
Für den Schluss aufgehoben haben sich die Fünf den längsten Song des Albums, namentlich den stattlichen Neunminüter 'Narcotic Sleep', dessen sphärische Einleitung bereits eine sehr passende Stimmung für ein großes Finale setzt und auch aus dem Soundtrack zu einem kryptischen Science-Fiction-Film kommen könnte. Wenn dann jedoch alsbald die Gitarren einsetzen, und das verschleppte Drumming, dann mutmaßen wir schnell, dass uns nun Doom in seiner reinsten Form erwarten dürfte, und diese Vermutung wird zwar bestätigt, doch auch hier ist Doom in keinem Falle generisch zu verstehen. Das Tempo ist über weite Strecken recht flott, das eine oder andere Gitarrenlick lässt im Hirn Gedanken an SLOUGH FEG oder gar BROCAS HELM aufblitzen, dann begegnet uns auch noch eine Querflöte von Gastmusiker Klaus Tenner als Brit-Folk-Prog-Referenz an JETHRO TULL, und wenn wir am Ende davon sprechen, dass Annes Stimme über dem Ganzen thront, dann passt das selten so gut wie hier und jetzt. Wirklich ein großartiger, erhabener Song und ein würdiges Finale einer tollen Scheibe.
Wer sich zum langsam ausgehenden Jahr also noch eine tolle, vielseitige, klischeefreie und nicht generische Doomscheibe gönnen möchte, die zudem toll produziert ist, der möge unbedingt die Band direkt über Bandcamp oder Facebook kontaktieren und unterstützen:
https://islovealive.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/islovealivedoom/
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle