KERBENOK - o
Mehr über Kerbenok
- Genre:
- Pagan Metal/Black Metal
- Label:
- Northern Silence/TWS
- Release:
- 28.11.2008
- Aus der Stille ...
- Heimstatt in Trümmern
- Die Schwere unserer Glieder
- Im Kreise ziehen wir unsere Runden
- Waldfrieden
- Frihet er våres
- Verstandes Klinge
- Lys
- Hardangervidda
- ... in das was noch kommen mag.
Ein vielschichtiges Meisterwerk des progressiven Pagan/Black Metals aus dem hohen Norden Deutschlands.
Nachdem Northern Silence im Frühjahr die Debüt-EP "Der Erde entwachsen" neu aufgelegt hat, sind die Schleswig-Holsteiner nun mit ihrem Debütalbum am Start, welches schlicht mit dem Buchstaben "o" betitelt wurde und eine Band zeigt, die schlüssig auf dem früheren Schaffen aufbaut und sich dabei in ihrer eigenen Nische des anspruchsvollen und trotz der positiven Grundstimmung stark angeschwärzten Pagan Metals häuslich einrichtet. Nach einem heftig schrotenden instrumentalen Intro steigt das Duo mit dem sehr ausladenden, fast dreizehnminütigen 'Heimstatt in Trümmern' in die Scheibe ein, und dieses Stück hat es bereits mächtig in sich:
Zunächst ruhig und mystisch mit rezitativem Gesang in deutscher Sprache, nimmt das Stück über spannende rhythmische Spielereien bald mächtig Fahrt auf und begeistert mit einem blitzsauberen, eiskalten Blast-Segment, das den Refrain enthält. Es folgt ein progressiver Einschub mit interessanten Breaks, verzwickter Rhythmik und schönen cleanen Gitarrenarrangements, der wiederum einem wuchtigen und schweren Abschnitt Platz macht, in dem auch erstmals klarer Chorgesang vorkommt, vor ein Ambient-Part das furiose Finale einleitet. Die Vielzahl der Stimmungen und Stilelemente, welche diesen Song ausmacht, muss anderen Bands für eine ganze Platte reichen, und dennoch ist 'Heimstatt ...' ein Stück aus einem Guss und keine überambitionierte Prog-Anwandlung.
Ganz anders ausgerichtet ist sodann 'Die Schwere unserer Glieder', das erstmal mit einem rockig-thrashigen Riff einsteigt, sich dann aber in einen doomig elegischen ersten Teil breakt, der von schön ausgetüfteltem Wechselspiel zwischen stets verständlichem Keifen und klarem Gesang lebt. Dann nimmt die Sache fahrt auf, lässt ein schön singendes Gitarren-Lead Raum greifen, vor es in ein kurzes Blastinferno verfällt und dann episch-dramatisch weitergeht. Spacig-atmosphärisches mit viel Akustik begegnet uns beim Zwölfminüter 'Im Kreise ziehen ...', ebenso einige der infernalischsten Speed-Parts des Albums. Vor allem sind es jedoch die akustischen Perkussionsinstrumente und die Querflöte im langen Mittelstück, welche das Stück bereichern und letztlich in eine avantgardistische Doom-Front umschlagen.
Über ein kurzes akustisches Zwischenspiel namens 'Waldfrieden' gelangen wir mit A-Gitarren und Cello zum skandinavisch betitelten 'Frihet er våres', das im Einstieg ordentlich rockt und sich zunächst als eingängigstes und direktes Stück des Albums präsentiert. Die skandinavische Note überrascht nicht, ist Frontmann Stefan doch Student der nordischen Philologie, und auch hier kommen sehr dezent wieder Querflöte und nun auch etwas sehr gefühlvoll eingesetzter weiblicher Gesang zum Zuge. Die nächste Skandinavien-Huldigung enthält das rhythmisch-vertrackte, von der Perkussion geprägte 'Lys' und die Hymne an die norwegischen Berge 'Hardangervidda', die sehr Ambient-lastig und entrückt-spacig beginnt. Das zweite Drittel lässt dann zunächst das nordische Svarktekunst-Inferno über uns herein brechen, bevor eine mystisch-verzauberte Märchenstimmung einsetzt, die mir irgendwie die Astrid-Lindgren-Anspielungen der schwedischen Eiszapfen von ISTAPP in Erinnerung ruft. Still und starr ruht der See, doch nun ist es an der Zeit, dass uns die Scheibe heftig und garstig '... in das was noch kommen mag' entlässt.
Wer fürchtet, dass ihn die Band mit all den ausladenden Stücken, Stilelementen und Stimmungswechseln erschlagen oder überfordern könnte, der mag sich gänzlich beruhigen. Die Beschreibung mag zwar den Eindruck wecken, dass im Hause KERBENOK ein überambitioniertes und überladenes Werk geschaffen wurde, doch genau das ist nicht der Fall. Es ist den Musikern auf ganzer Linie gelungen, schlüssige und flüssige Stücke zu schreiben, die trotz teils epischer Länge die Spannung durchgängig halten und nicht in Perseveration und gepflegte Langeweile abdriften; es im Gegenzug aber dennoch schaffen, den Hörer an einem roten Faden durch ein vielschichtiges und tiefgründiges Werk zu geleiten, an dem es nichts zu mäkeln gibt, und das zu guter Letzt auch noch mit einem wunderbar differenzierten und dennoch absolut organisch-lebendigen Sound aufwarten kann.
Anspieltipps: Heimstatt in Trümmern, Frihet er våres, Hardangervidda
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle