KILLING JOKE - Hosannas From The Basements Of Hell
Mehr über Killing Joke
- Genre:
- Industrial
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Edel
- Release:
- 31.03.2006
- This Tribal Antidote
- Hosannas From The Basements Of Hell
- Invocation
- Implosion
- Majestic
- Walking With Gods
- Lightbringer
- Judas Goat
- Gratitude
Mensch versus Maschine.<br />
Wie Jaz Coleman im Booklet berichtet, entstanden die "Hosannas From The Basements Of Hell" in Prag, genauer gesagt in den Kellergewölben unter dem Studio von "Faust Records", wo ein freies Kommen und Gehen herrschte, während man nebenbei das Nachtleben der Stadt unsicher machte. Eingespielt wurden die Stücke dann aber live in location und auch erst vor Ort wirklich entwickelt, wodurch eine intensive Arbeitsatmosphäre entstand.
Textlich schwanken die Stücke des Albums zwischen Zorn und Kraft, negativen und positiven Gedanken, wobei die positiven hauptsächlich um den kreativen Prozess und die Gemeinschaft kreisen, die durch Musik nicht nur zwischen den Musikern innerhalb der Band sondern auch im Kontakt mit dem Publikum (wie im Opener 'This Tribal Antidote' geheiligt) entstehen kann. Für alles Negative, das immer wieder auch die globalisierte wirtschaftspolitische und gesellschaftliche Situation so mit sich bringt, bietet die Musik zugleich ein Ventil.
Doch man kann das auch auf persönliche Befindlichkeiten herunterbrechen: "Ich denke darüber nach, euch umzubringen", so beginnt beispielsweise der Text des Titeltracks, handelt dann vom karthatischen Voodoo des Musizierens mit KILLING JOKE und endet im letzten Vers immerhin in Erleichterung, zumindest in momentaner: "Verloren im Krach bin ich frei, noch bin ich kein Mörder." Dann wieder gibt es bittere Anrufungen der Apokalypse wie 'Invocation'. Man versucht, sich innerlich loszusagen vom Jammertal der Welt, den letzten Funken Leben noch im Zusammenbruch zu feiern (man höre 'Implosion', das klingt wie eine Industrialvariante von MOTÖRHEADmusik; oder den beinharten Faucher 'Majestic', der sicher auch MINISTRYfans aufputschen wird), im nächsten Moment schallt die mystisch-monotone Durchhaltehymne 'Walking With Gods' durch die Boxen, gefolgt von einer anti-religiösen Aufklärerparabel ('The Lightbringer') und einem wiederum religiöse Assoziationen ausstreuenden, etwas kryptischen, möglicherweise autobiographisch gefärbten, vor allem aber in tiefste Dunkelheit getauchten Stück voller Enttäuschung ('Judas Goat').
Nein, man kann KILLING JOKE wirklich nicht nachsagen, stilistisch zu geschlossen zu arbeiten oder textlich einfache Welterklärungen anbringen zu wollen, vielmehr verwirbeln die Musiker hier gesellschaftskritische Betrachtungen, individuelle Befürchtungen und widersprüchliche Befindlichkeiten mit Bildern mythischer Tradition und funktionalistisch-technischem Kalkül industrieller Klänge aller Art zu einer äußerst explosiv tönenden Mischung. Das alles wurde in einen krachigen Sound gepresst, der die meiste Zeit über hart am Limit fährt. Auf Dauer mag das einerseits stressen, andererseits entfaltet es einen ganz eigenen hypnotischen Sog, falls man sich denn darauf einlassen kann.
Da wird ein Druck aufgebaut, der irgendwo raus muss, aber nie so recht kann, was für eine besondere Art von Spannung sorgt. Am Ende steht die Utopie kleinräumiger Gemeinschaften, wo niemand außen vor bleibt und man bereit ist, neue Wege zu gehen, auch wenn alte Muster sich in immer neuen Variationen und Facetten ausprägen; vor allem aber: Dankbarkeit / 'Gratitude'. Durch all den Höllenlärm und das Schalten und Walten industrieller Grooves verliert KILLING JOKE eines nie aus dem Zentrum der musikalischen Vision: Die gegen das Joch äußerer Zwänge aufbegehrende kämpferische Seele, die Wiederauferstehung des Menschen, wie er, aller gegen ihn wendbaren krückenhaften Werkzeuge und Panzer ledig, sich selbst gegenübersteht, nackt und frei: Inmitten der rigoros durchformten Hölle ein unberechenbarer Urschrei der Kreatur. Gleichschaltung? Nein. Widerstand!
Anspieltipps: Hosannas From The Basements Of Hell, Implosion, Gratitude.
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Eike Schmitz