KORN - Take A Look In The Mirror
Mehr über Korn
- Genre:
- Neo Metal
- Label:
- Epic
- Release:
- 24.11.2003
- Right Now
- Break Some Off
- Counting On Me
- Here It Comes Again
- Deep Inside
- Did My Time
- Everything I've Known
- Play Me
- Alive
- Let's Do This Now
- I'm Done
- Y'All Want A Single
- When This Will End (mit "One" live)
KORN haben nicht nur eins, sondern gleich mehrere Probleme. Sie sind, und das ist das wohl schwerwiegenste, stilistisch gefangen innerhalb ihres typischen New Metal mit den tiefen Gitarren und Kinderreim-Gesängen und können nichts dagegen machen. Sie stehen desweiteren unter ziemlichem Druck: "Untouchables", der etwas zaghafte und alles andere als kompromisslose Versuch, eine etwas experimentellere Platte zu veröffentlichen, endete im finanziellen Disaster, als die von Michael Beinhorn mit einem riesigen Etat total überproduzierte Scheibe, noch dazu vollgestopft mit 16 Tracks, kommerziell floppte und auch die Kritiker nicht wirklich überzeugen konnte. Bis auf den Grammy-Gewinner 'Here To Stay' hatte das Album einfach zu wenig an guten Songs zu bieten.
Was also tun, wo doch schon das sechste Album ansteht (übrigens nur knapp ein Jahr nach der letzten Platte)? Softer können sie kaum werden, weil das zum einen die Glaubwürdigkeit innerhalb der eigenen Fanbasis untergraben würde, weil Jonathan Davis zum anderen dazu die stimmlichen Fähigkeiten fehlen und wohl auch, weil sie von allzu großen Experimenten erst einmal die Schnauze voll haben, also bleibt als logische Konsequenz nur der Schritt in die Gegenrichtung. Den ziehen sie aber mit einigen Einschränkungen knallhart (im wahrsten Sinne des Wortes) durch. Die Tracks auf "Take A Look In The Mirror" sind simpler, sind eingängiger und sind auch härter als vieles, was diese Band in den letzten Jahren veröffentlicht hat. Back to the roots mit Blick nach vorn, gewissermaßen.
Das großartige 'Right Now', zweite Single und wohl nicht wirklich zufällig ganz am Anfang der Platte stehend, gibt die Marschrichtung vor: Ein heftiges, erstaunlich hartes Riff-Gewitter, dazu die typische KORN-Rhythmik aus dominantem Bass und druckvollem Drumming und ein Jonathan Davis, der sich die Seele aus dem Leib röchelt, schreit, singt und keift. Nicht ganz archetypisch für das ganze Album, aber wohl rein von der mentalen Seite durchaus vorbildhaft für die folgenden zwölf Songs.
Der Gegenpol, namentlich das ebenfalls schon im Vorfeld veröffentlichte 'Did My Time', das es sowohl ins Nachmittagsprogramm von MTVIVA als auch in die Top 20 der deutschen Singlecharts geschafft hat, zeigt uns, dass die Band auch wirkliche Ohrwurm-Hits schreiben kann und begrenzt das Spektrum auf der anderen Seite. Das wirklich Spannende an "Take A Look In The Mirror" aber passiert zwischen diesen beiden relativ eng beieinander stehenden Begrenzungsmarken: Zum Beispiel, wenn die Band mit 'Y'all Want A Single' einen Anti-Song im besten Sinne verfasst, der noch dazu in die Beine geht, wenn bei 'Counting On Me' und vor allem dem wirklich brillanten 'Deep Inside' mittels der Gitarren und mittels eines Davis in Höchstform ein wahrhaft dramatischer Spannungsbogen innerhalb von eigentlich ganz einfach strukturierten Kompositionen aufgebaut wird, der nicht zu verleugnen ist, und der den Zuhörer gänzlich von der wiedergefundenen Stärke der Band überzeugt.
Fazit: Was wir auf "Take A Look In The Mirror" im Kern zu hören bekommen, ist eine kraftvolle, riff-orientierte Metal-Band, die episch-apokalyptische Songs schreibt, diese in ihrem typischen New Metal performt und in ein kompaktes Dreiminuten-Format verpackt. In diesem Sinne ist auch das ganz am Ende versteckte (und recht passable) METALLICA-Cover 'One' nur zu folgerichtig, besser hätte nur noch SOUNDGARDENs 'Black Hole Sun' zu diesem Album gepasst. Dabei wirken KORN – und das ist der große Unterschied zu "Untouchables" - auf "Take A Look In The Mirror" unglaublich souverän und bleiben immer unanzweifelbar die Herren der Lage dessen, was sie da tun. Einzig 'Play Me', der Hip-Hop-Track mit Gast-Rapper NAS wirkt wirkt ein wenig deplatziert und gekünstelt, ansonsten haben wir hier zwölf kraftstrotzende, groovende Rock-Monster vor uns, die zu überzeugen wissen.
Im Endeffekt bleibt als einziger großer Kritikpunkt eigentlich nur die wirklich schwache textliche Darbietung, die uns hier vorgeführt wird. Wer auf seiner sechsten Platte immer noch nichts anderes zu sagen hat als "Fuck You! I can't take this anymore." (Grundgedanke jedes KORN-Songs), der läuft Gefahr, dass erstens die wirklichen Musikliebhaber unter den Fans irgendwann "dito" sagen und die Band links liegen lassen und zweitens, dass das sowieso lädierte Vertrauen in die Aufrichtigkeit endgültig dahinschmilzt. Aber sind wir doch realistisch: Wer hört bei einer so toll rockenden Platte schon auf die Texte?
Eigentlich erstaunlich, wie diese Band trotz ihrer stilistischen Selbstlimitierung noch die Kurve bekommen hat.
Anspieltipps: Counting On Me; Deep Inside; Everything I've Known
- Redakteur:
- Sebastian Baumer