KREATOR - Hate über alles
Auch im Soundcheck: Soundcheck 06/2022
Mehr über Kreator
- Genre:
- Thrash Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 10.06.2022
- Sergio Corbucci Is Dead
- Hate Über Alles
- Killer Of Jesus
- Crush The Tyrants
- Strongest Of The Strong
- Become Immortal
- Conquer And Destroy
- Midnight Sun
- Demonic Future
- Pride Comes Before The Fall
- Dying Planet
Geile KREATOR-Scheibe.
KREATOR-Alben sind generell von solch hoher Qualität, dass man ihnen eigentlich ungehört schon eine hohe Punktzahl geben kann. Natürlich tun wir das an dieser Stelle nicht, ohne "Hate über alles" auf den Zahn gefühlt zu haben, doch seit der gewaltigen Revolution 2001 ist man ob neuer Alben der Thrash-Giganten aus dem Pott gespannt wie ein Flitzebogen und konnte sich stets auf Mille und Konsorten vollends verlassen. "Violent Revolution" war nach "Endorama" einer Explosion gleichzusetzen, "Enemy Of God" ist nach wie vor das Thrash-Maß aller Dinge, "Hordes Of Chaos" eine gewaltige Machtdemonstration, "Phantom Antichrist" blickte gekonnt auch über den Tellerrand und für eine Majestät wie "Gods Of Violence" hätte kein passenderer Titel gefunden werden können. Zugegeben, der Name der vorliegenden, schon 15. Abrissbirne löste Stirnrunzeln aus, spätestens nach dem ersten Durchlauf dieses tadellosen und über aller Maßen erhabenen Monuments sei aber auch der befremdlichste Titel schnell vergessen.
So pickt sich "Hate über alles" säuberlich die Rosinen der letzten fünf KREATOR-Alben heraus, garniert dies mit einem superben Spagat aus zeitlosem Thrash-Gewitter und dem Feuer der eigenen Anfangszeit und sorgt mit einigen Überraschungen für frischen Wind. Für den darf sich auch ex-DRAGONFORCE-Tieftöner Frédéric Leclercq auf die Schulter klopfen, hat er neben dem Überschall-Kraftstahl auch mächtigen, gewaltigen Thrash Metal mit der Muttermilch aufgesogen.
So ist jeder Ton auf "Hate über alles" durchdacht, die KREATOR-Mannschaft agiert einmal mehr wie ein Schweizer Uhrwerk, Mille brüllt sich die Seele aus dem Leib, haut uns die höllischen Riffs reihenweise um die Ohren und das Ventor wie auch Sami Meister ihres Schießbuden- und Flitzefingerfachs sind und dies auch einmal mehr zur Schau stellen, versteht sich von selbst. Ich habe lange überlegt, warum ich nicht eine kurze und knappe "Geile KREATOR-Scheibe – 9,5 Punkte"-Review schreibe, doch möchte ich euch nahelegen, weshalb mir diese Platte – positiv wie negativ – den Schlaf raubt.
Wir haben es bei "Hate über alles" mit einer Erste-Sahne-Thrash-Metal-Scheibe zu tun, die in dieser Form nur eine Band wie KREATOR erschaffen kann. Eine rasende Geschwindigkeit, ein Höllentempo hier, dort die große Freude für alle Physiotherapeuten, vor lauter schmerzenden Nacken nicht arbeitslos zu werden. Allein das ausgekoppelte Titelstück gleicht einer Explosion, ein vorbildliches Schlachtfest erster Güte, das dank tollem Refrain und dramatischem 'Sergio Corbucci Is Dead'-Italo-Western-Intro live sehr gut zünden wird und in bester Tradition der seit Jahren durchdachten Kompromisslosigkeit vor sich hin wütet.
Doch neben dieser und weiterer dezent melodischer Thrash-Metal-Vollbedienungen wie 'Killer Of Jesus' und 'Conquer And Destroy' überragen auf der Scheibe die Aha-Effekte, wie schon lange nicht mehr. Das vom Tempo her gemäßigtere 'Crush The Tyrants' und die mit klassischem Schwermetallgut gekoppelten 'Strongest Of The Strong'- und 'Become Immortal'-Brecher inklusive geschmackvoller Chöre sorgen zudem auf allerhöchstem Niveau für eine bockstarke Dynamik von vorne bis hinten: Die Luftgitarren werden geschwungen und schon nach der Jungfernfahrt will man gemeinsam mit Mille Richtung Sonnenuntergang keifen und brüllen. Und wie herrlich lieblich sich Sofia Portanets zu KREATOR-typischen Geschwindigkeitssause garnieren lässt, zeigt mit 'Midnight Sun' eine Art Experiment, das sehr gut gefällt. Bleiben noch die letzten drei Stücke dieses Bollwerks: 'Demonic Future' drückt noch einmal das Gaspedal bis zum Anschlag durch, 'Pride Comes Before The Fall' weiß erst nach mehrmaligem Durchlaufe richtig zu gefallen, bringt aber ein gewisses Düsterflair mit, was letztendlich in 'Dying Planet' wesentlich ausgereifter dem Album einen recht epischen und nicht minder gewaltigen Abschluss verleiht. Puh.
Und trotzdem kann ich aus jetziger Sicht – was sich in den kommenden Wochen noch ändern kann – diese Scheibe nicht dem "Enemy Of God"-Denkmal gleichsetzen, denn nahe an der Perfektion zu sein bedeutet noch nicht perfekt zu sein. Wohl ist es auch der persönliche Bezug zur 2005er Göttergabe, als ich mit zarten 16 Jahren meine letzten Kröten für die Deluxe-Version zusammensparte und ich ehrfürchtig 56 Minuten lang das Artwork anstarrte, während mir die Essener Lausbuben die Quintessenz des Thrash Metals einhämmerten. Daher fehlt für die Höchstpunktzahl die für mich emotionale Note, die Geschichte hinter diesem intonierten, riffbasierten Fiebertraum. Auch unzählige "Hate über alles"-Durchgänge später – ob in der Mittagspause, nach dem Geburtstagskaffee, beim Spaziergang oder unter der Dusche – fallen mir keine objektiven Gründe ein, dieser Platte nicht die 10-Punkte-Medaille zu überreichen, doch subjektiv sträubt sich der innere Marcel gegen diese Entscheidung und hofft, dass "Hate über alles" nach Wochen und Monaten noch wachsen kann.
Lange Rede, kurzer Sinn: KREATOR war KREATOR ist KREATOR und bleibt KREATOR. Auf seine Pappenheimer kann sich der Thrasher von Welt verlassen und die tosenden Blitzeinschläge des deutschen Szene-Aushängeschilds sind auch anno 2022 äußerst heftig und teils positiv überraschend. Eine Menge Ausrufezeichen, allerlei Aha-Effekte und viele Machtdemonstrationen vor dem Herrn hat "Hate über alles" definitiv auf Lager. Auch wenn oder gerade weil man bei Mille und Co. genau weiß, was die Stunde geschlagen hat, sprengt die 15. KREATOR-Scheibe die Ketten erneut allemal.
Für die letzten Meter dieses wochenlangen Marathons brauchen die Songs allerdings noch ein wenig Zeit und die eine oder andere besondere Geschichte dahinter. Trotzdem: Geile KREATOR-Scheibe, 9,5 Punkte.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Marcel Rapp