LEAVES' EYES - Vinland Saga
Mehr über Leaves' Eyes
- Genre:
- Gothic Metal
- Label:
- Napalm Records
- Release:
- 30.05.2005
- Vinland Saga
- Farewell Proud Men
- Elegy
- Solemn Sea
- Leaves' Eyes
- The Thorn
- Misseri (Turn Green Meadows Into Grey)
- Amhran (Song Of The Winds)
- New Found Land
- Mourning Tree
- Twilight Sun
- Ankomst
Die Lager spalten sich! Die melodieverliebten Jünger härterer Gangart können den multiharmonischen Auswüchsen der ehemaligen THEATER OF TRAGEDY-Sängerin Liv Kristine Espenaes Krull eine ganze Menge abgewinnen. Der Rest hasst ihren Gesang (meist verdammt hoch und kopflastig), ihre Erscheinung und ihre musikalischen Tätigkeitsfelder. Ich zähle mich zu ersterer Fraktion, ist doch die Mucke ihrer jetzigen Band LEAVES´ EYES, zu deren Instrumentalisten die komplette ATROCITY-Band unter der Ägide ihres Ehemannes, der Szeneikone Alex Krull, zählt, eingängig und metallisch zugleich. Dabei verarbeiten die zwei Hauptprotagonisten zudem noch jede Menge mittelalterliches Flair, das aber anders als noch beim Debüt in ein satt rockendes Gitarrenkorsett gepackt wurde, das teilweise ordentlich die Gräten bricht. Alex steuert häufiger als zuvor heftige Growls und derbe Gesangpassagen bei, die prima mit den elfengleichen vibes Livs kontrastieren. Bei 'Solem Sea' zum Beispiel trifft ein bombastisch instrumentiertes Klanggebäude auf gefühlvolle vocals, die von den harschen Schreieskapaden Krulls in ein Zwielicht zärtlicher Urgewalt gerückt werden.
Das namensgebende 'Leaves´ Eyes' schmiegt sich mit wunderschöner Atmosphäre und dezent balladeskem Pathos an den Körper und offenbart zuckersüße vocal melodies, die in Verbindung mit der folkigen Rhythmik sofort zünden. Ein Feuerwerk brennen die Sechs dabei zwar nicht ab, aber eine glaubhaft vertonte Ode an die Liebe und Leidenschaft ist allemal rausgekommen. 'The Thorn' ist eine urwüchsige, folkloristische Tongewalt und prescht auf einer fetten Klampfenwelle reitend an die Membranwände. Ein rollender Monolith, dem sich Liv zerbrechlich entgegenstellt. Ein schöner Gegensatz!
Auffallend ist die ausufernde Instrumentierung des neuen Albums, bei dem sich wohl Meister Krull keine Grenzen stecken wollte. Tonnenweise Celli, Geigen, Pauken und Trompeten: Der Pomp trotzt einem jede Menge Respekt ab. Dabei rockt ein überwiegender Teil der Scheibe wie die Schweizer Alpen. Monumental und mit tierisch breiter Brust dargeboten, fühlt man sich sehr häufig an die Klangebenen eines Filmscores erinnert. Außerdem haben es Alex und Liv vermieden, zu schwülstige Melodien zu verwenden, auch wenn jetzt das Gemaule wieder groß sein wird, da den ganz Truen unter den Truen auch dieser Melodiegehalt schon zu schmalzig sein wird. Qualitativ ist "Vinland Saga" aber um keinen Deut schwächer ausgefallen als das letzte WITHIN TEMPTATION-Album, auch wenn man sich zum Beispiel 'Amhran (Song Of The Winds)' hätte sparen können. In den Gesamtkontext des Albums passt aber auch diese kurze Quasi-Instrumentalnummer.
Die Glanzlichter der Scheibe sind aber die Tracks, in denen sich Liv und Alex die Klinke in die Hand geben ('New Found Land') oder die Killersingle 'Elegy' (megahitverdächtiger Poprefrain!), da gerade diese Nummern mit stahlharten Klampfen übers Gemüt rollen. Mit 'Mourning Tree' hat man noch eine wunderschöne Ballade am Start, die in Zukunft auf keinem Mittelalter-Sampler fehlen wird. "Vinland Saga" ist eine ausgiebige Auseinandersetzung mit der nordischen Mystik, und zwar in sowohl textlicher als auch musikalischer Form. Unterm Strich steht ein starkes Album mit viel Dynamik und Herz, viel Dramatik und theatralischer Wärme und massig Bombast und zärtlicher Ruhe. Wem das nun gefallen soll? Na, der Masse natürlich! Denn kompatibel zur musikkonsumierenden Majorität ist "Vinland Saga" allemal, auch wenn hier und da mal der Gaul durchgeht. In den meisten Bereichen ist die Umsetzung sehr gut, deswegen: grünes Licht!
Anspieltipps: Leaves´ Eyes, The Thorn, Twilight Sun
- Redakteur:
- Alex Straka