LINKIN PARK - A Thousand Suns
Mehr über Linkin Park
- Genre:
- Synthie-Pop / Electro
- ∅-Note:
- 7.75
- Label:
- Warner Bros. Records (Warner)
- Release:
- 10.09.2010
- The Requiem
- The Radiance
- Burning In The Skies
- Empty Spaces
- When They Come For Me
- Robot Boy
- Jornada Del Muerto
- Waiting For The End
- Blackout
- Wretches And Kings
- Wisdom, Justice, And Love
- Iridescent
- Fallout
- The Catalyst
- The Messenger
Das Ende des Nu Metal?
Als "A Thousand Suns" von LINKIN PARK erschien, passierte etwas, das ich mir davor kaum vorstellen konnte: Ich kaufte mir das neue Album meiner einstigen Lieblinge nicht. Schon der vorangegangene Live-Dreher war von mir übergangen worden, aber dass die Band sich studiotechnisch so verändert hatte, war für mich wirklich nicht mehr zu ertragen. Heute, fast zehn Jahre und drei weitere LINKIN PARK-Alben später, kann ich das etwas differenzierter sehen, und so habe ich mich dazu entschieden, auch dieses sicher epochale Werk neu zu rezensieren. Mit dieser Scheibe endete für LINKIN PARK der Nu Metal, den sie auch nie wieder in ihren Sound integrierten. Rap-Momente sind nicht mehr zu finden, auch auf metallische Riffs wird weitestgehend verzichtet. Seit 2010 war LINKIN PARK eine äußerst erfolgreiche Mainstream-Rock-Band. Natürlich hatte sich das schon als Möglichkeit angeboten, nicht erst die Hits des direkten Vorgängers waren absolut massenkompatibel, auch auf den ersten beiden Alben hatte es echte Pop-Ohrwürmer gegeben. Und dass Genregrenzen der Band fremd sind, war nicht erst durch die Kollaboration mit dem wohl größten Rapper aller Zeiten, JAY-Z, klar geworden. Trotzdem war dieser Break viel größer als der auf "Minutes To Midnight", weil man wirklich den Eindruck gewinnen konnte, eine neue Band zu hören. Dabei gibt es auch viele Konstanten. Und so lasse ich mich neu auf dieses Album ein, das ich mir Jahre später mal günstig bei einer Aktion gekauft und dann mühsam erschlossen habe. Auf dem Konzeptalbum befassen sich die sechs Jungs mit nuklearer Zerstörung.
Rick Rubin ist wie auf dem Vorgänger als Produzent dabei und zeigt, wie er famose Soundexperimente vertonen kann. Mit ihm verantwortlich für den Sound ist Mike Shinoda, der ja nicht mehr wirklich rappen musste (und früher noch in Songs begeistert vom Leben als MC berichtete). Mit 'The Requiem' und 'The Radiance' gibt es gleich zwei semi-instrumentale Opener, die stark in die Elektro-Richtung schielen. Von Rock-Musik ist hier jedenfalls kaum noch zu sprechen. Der erste Song ist dann 'Burning In The Skies". Immerhin Platz 43 erreichte man mit dieser dritten Single in den deutschen Charts. Dabei ist die Nummer selbst für spätere LINKIN PARK arg austauschbar. Die etwas eigene Taktung des Titels ist dabei aber sicher positiv hervorzuheben. Dass Brad Delson als Gitarrist auch noch zu Hören ist überrascht nach einiger Zeit. Die fragile Stimme von Chester Bennington dominiert das Geschehen. Mit 'Empty Spaces' foglt dann das nächste Zwischenstück.
'When They Come For Me' gefällt dann aber deutlich mehr, mit dem sehr tribalistischen Beat und den futuristischen Gitarrensounds, die stark vom Industrial beeinflusst sind. Und natürlich denkt man beim Hören an die "Hybrid Theory"-EP, und merkt: Solche Ideen gab es schon lange. Völlig untypisch für spätere LINKIN PARK: Shinoda darf richtig rappen und macht das auch klasse. Einer der eigenständigsten und besten Songs aus dieser Phase. Weiter geht es mit Klavier und dem 'Robot Boy'. Dieser Track ist deutlich von U2 un COLDPLAY beeinflusst. Mir gefällt das sehr, auch wenn es mit harter Musik nichts mehr zu tun hat. Stark auch die Chöre mehrstimmigen Vocals in einem Song, der sicher auch eine gute Single abgegeben hätte. Natürlich danach: Das nächste Zwischenspiel. 'Jornada Del Muerto' ist ein ziemlich feiner Elektro-Part, der auch weiter hätte ausgebaut werden können. Aber es geht direkt weiter mit 'Waiting For The End', damals die zweite Single des Albums. Shinoda singt im Reggae-Style, definitiv ein starker Moment, während Bennington eher unaufällig agiert. Zu Platz 29 der deutschen Charts reichte es, und auch heute noch finde ich den Song spannend.
Weiter geht es mit 'Blackout', wenig überraschend kein SCORPIONS-Cover. Der Titel ist irgendwo zwischen Elektro und Industrial angesiedelt, wird von sehr aggressiven (und stark bearbeiteten) Bennington-Vocals dominiert, von Scratches und Soundscapes. Meilenweit weg von handgemachter Rock-Musik, aber irgendwie trotzdem stark, vor allem auch durch die Einschübe von Fragilität. 'Wretches And Kings' ist dann wieder aggressiver Industrial und dürfte für viele alte Fans ein absoluter Affront gewesen sein. Für mich war er das jedenfalls, aber heute finde ich den Track (bei dem Shinoda tatsächlich mal wieder rappen darf) fast schon genial. Aggressivität wird kann anders vermittelt als in früheren Tracks, aber poppiger Mainstream ist das hier nicht, ganz und gar nicht. 'Wisdom, Justice And Love' gibt es dann als Instrumental mit Martin Luther King jr. Zitaten versetzt. Wie die meisten Zwischenspiele in der Musikgeschichte völlig überflüssig. Mit 'Iridiscent' folgt die vierte und letzte Single-Auskopplung des Albums. die auch im dritten (und wirklich miesen) "Transformers"-Film zu hören war. Das ging natürlich mal super ('What I've Done'), und hier klappt es auch gut. Der Titel ist wirklich eine poppige Mainstream-Hymne, aber sehr emotional und tiefgehend. Sowohl die Chöre als auch die Gitarren sind klasse. Mit 'Fallout' folgt das letzte Zwischenspiel, mit 'The Catalyst' dann die eröffnende Single, die das Album in den Fokus der Öffentlichkeit rückte, unter anderem durch Platz 11 der deutschen Charts. Und ich verstehe heute, dass dieser Titel nötig war, um Abschied vom früheren Sound zu nehmen. Denn LINKIN PARK blieb auch danach genial und eigenständig, aber in einem völlig neuen Kontext. 'The Catalyst' ist aggressiv, melancholisch, aber auch stark elektronisch-verspielt. Mit 'The Messenger' wird das neben "One More Light" zwiespältigste Album der Bandgeschichte beendet. Eine ruhige, weitestgehend akkustische Nummer, die von Chesters wunderbarer Stimme getragen wird.
Ohne die Zwischenspiele und den etwas schwächeren Opener wäre dieses Album ein Meisterwerk. So ist das vierte LINKIN PARK Scheibchen "nur" ein wirklich starkes Album. Und ich bin froh, dass ich meine Einschätzung darüber ändern durfte.
Anspieltipps: When They Come For Me, Waiting For The End, Wretches And Kings
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Jonathan Walzer