LINKIN PARK - Hybrid Theory
Mehr über Linkin Park
- Genre:
- NuMetal
- ∅-Note:
- 10.00
- Release:
- 05.02.2001
- Papercut
- One Step Closer
- With You
- Points Of Authority
- Crawling
- Runaway
- By Myself
- In The End
- A Place For My Head
- Forgotten
- Cure For The Itch
- Pushing Me Away
Definierendes Album einer ganzen Generation.
Einige Zeit ist verstrichen seit dem tragischen Tod von Chester Bennington, und ich möchte die Chance nutzen, noch mal die Glanztaten des Backkatalogs seiner Stammband vorzustellen. Und da landen wir wenig überraschend beim Debütalbum "Hybrid Theory" von LINKIN PARK.
Für manche hartgesottenen Metaller war es der Absturz. Für mich war es 2001/2002 der Einstieg in harte Musik (und für unseren damaligen Rezensenten das "Nu Metal Album des Jahres"). Kein Album hat mein Leben musikalisch so stark geprägt wie dieses. Und ich denke, dass es auch 2017 noch wert ist, entdeckt zu werden.
Das Artwork wirkt heute leicht anachronistisch, die Fotos sehen wie aus einer anderen Zeit aus. Unfassbar, was 17 Jahre ausmachen. Der "Nu Metal" ist heute tot und nebenbei völlig aus der Mode gefallen. LINKIN PARK hat aber bis zum Tod von Chester überdauert, auch wenn die Band musikalisch nichts mehr mit den Wurzeln zu tun hatte. Und auch wenn ich mit Menschen rede, die zehn Jahre jünger sind als ich, zur Veröffentlichung von "Hybrid Theory" also noch vor dem Kindergartenalter waren, merke ich, dass das Album eine unfassbare Prägung auf sie ausübt - mehr als jedes spätere Album der Band (die ja beileibe nicht alle schlecht waren).
Was ist so überragend an dieser Scheibe?
Nun, das wird schnell deutlich: Es gibt wohl keine Nu-Metal-Scheibe mit einer annähernd ähnlichen Hitdichte. Mit 'Papercut' gibt es zum Einstieg einen sehr raplastigen Song. Mike Shinoda bringt in feinem Tempo die Lyrics (die ich, wie fast alle auf dem Album, nahezu fehlerlos mitsingen / mitrappen kann) mit einer wunderbaren, ganz eigenen Aggressivität hervor. Chester singt in einer Fragilität, die ihn bis zum Ende auszeichnen würde. Machen wir uns nichts vor: Technisch war er sicher nicht der beste Nu-Metal-Sänger, aber: Kaum einer konnte so gut Emotionen transportieren wie er.
Das Riffing von 'One Step Closer' sollte jeder kennen. Einer der großen Hits der Band, der neben einer wunderbaren Gitarrenlinie auch Textlinien bietet, die nach dem Tod Benningtons viel zu viel Sinn ergeben. Als pubertierender Teenie konnte ich mich mit den Texten identifizeren, heute sind sie weit weg von mir. Aber manche Leute scheinen für immer in einer Dunkelheit zu stecken, und es ist erschreckend und rührend zugleich, wie Chester dieser Situation Raum gibt in den Lyrics. Bei den Shut-Up-Schreien in der Bridge habe ich wohl immer die Szenen aus "Live In Texas" vor Augen.
Mit 'With You' folgt einer der etwas unbekannteren Songs des Albums. Hier darf DJ Joseph Hahn den Zuhörer mit klirrenden Sounds abholen. Insgesamt wirkt der Song sehr kalt und hat einen deutlichen 90er-Industrial-Touch, während die Gitarren deutlich PANTERA-/MACHINE HEAD-inspiriert sind. Shinoda dominiert den Song mit seinen feinen Rap-Linien, während der knallharte Refrain von Chesters Schreien geprägt ist. Nicht der größte LINKIN PARK-Hit, aber eine Nummer, die ich niemals missen wollen würde. 'Points Of Authority' gehört zu meinen allerliebsten Hits der Band. Was für ein Monster. Für mich einer der besten Chester-Songs, aber: Ohne den Rap-Einstieg von Shinoda wäre die Nummer für mich nur halb so viel wert. Einer der wenigen Songs nebenbei, der auf "Reanimation" ähnlich gut funktioniert hat.
Dass der Song noch getoppt werden kann ist schon überraschend genug, aber 'Crawling' war mein Erstkontakt mit der Band, wahrscheinlich sogar mit harter Musik überhaupt. Sommerzeltlager 2001, ich als Dreizehnjähriger in der Küche, und es läuft 'Crawling'. Was für ein Hammer. Das Zusammenspiel zwischen Mr. Hahns Soundgebilden, Chesters an Perfektion grenzendem, zutiefst emotional-fragilem Gesang, den zwischengerappten Parts von Shinoda und den fetten Riffs von Brad Delson ist für mich in der Bandhistorie unübertroffen und der beste Nu-Metal-Song überhaupt. Dass 'Runaway' das Niveau nicht halten kann ist klar, aber auch hier haben wir es mit einem echten Riff-Monster zu tun. Das Tempo wird angezogen, die Emotionalität steht nicht ganz so im Vordergrund.
'By Myself' dürfte die härteste Nummer des Albums sein (insgesamt sind wohl nur 'Faint' und 'No More Sorrows' auf einem ähnlichen Härteniveau angesiedelt). Das wird in den Strophen noch nicht ersichtlich, aber die harten Vocals in der Bridge, gepaart mit klirrender Industrial-Kälte und aggressiven Raps zerstören fast alles, was die Band sonst so erschaffen hat.
'In The End' kennt jeder, es dürfte sich wohl um den Hit der Band mit der größten Langzeitwirkung handeln. Was mich dabei fasziniert: Der Song zeigt bei mir immer noch keine Abnutzungserscheinungen. Kennen gelernt habe ich den Titel 2002, als mir mein Cousin seine "Hybrid Theory" CD vorspielte, es war Frühling und ich zum Familienbesuch in den Staaten. Dieser Song packte mich damals und lies mich im Grunde nie wieder los. Jedes Shinoda-Wort lässt sich noch mitgehen, und Bennington gab dem Teenie-Frust einen Ausdruck.
Ein weiterer heimlicher Favorit folgt mit 'A Place For My Head', eine der Nummern, die eindrucksvoll, wie gut Rap und Rockmusik miteinander harmonieren können. Rob Bourdons songdienliches Drumming gefällt hier, ebenso die feinen Vocals von Shinoda. Zudem ist der Text immer noch fesselnd und wird durch die zerbrechlichen Bennington-Backings unterstützt. In der Bridge wird das Gebrüll auch überraschend brutal. Dieser Song geht immer. Wenn Bennington am Schluss seine Schreie mit den perfekt getimten Shinoda-Raps kombiniert, ist Gänsehaut angesagt.
Wer auf emotionalen, neunzigerlastigen Nu Metal steht findet dann mit 'Forgotten' einen der unbekannteren Songs der Band, der spätestens nach der "Meteora"-Veröffentlichung aus den Setlists flog (sollte jemand anderes wissen, lasse ich mich gerne vom Gegenteil überzeugen!). Eine der verkannten Perlen der Band. 'Cure For The Itch' ist dann das anfangs essenzielle DJ-Hahn-Instrumental. Sphärische Sounds mit viel Scratching sind normal nicht so mein Ding, aber diese Nummer habe ich wohl so oft gehört, dass selbst das bei mir funktioniert. 'Pushing Me Away' ist ein krönender Abschluss dieses Meilensteins der Rock-Geschichte. Denn nichts anderes ist "Hybrid Theory". Eine Scheibe, die eine Generation mit definierte, und die in späteren Zeiten in einem Atemzug mit "Nevermind", "Rage Against The Machine", "(What's The Story) Morning Glory" oder "Californication" genannt werden wird.
Sollte in jeder Rock-Sammlung zu finden sein.
Anspieltipps: Points Of Authority, Crawling, A Place For My Head.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Jonathan Walzer