LONG DISTANCE CALLING - Eraser
Auch im Soundcheck: Soundcheck 08/2022
Mehr über Long Distance Calling
- Genre:
- Post Rock
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- earMusic (Edel)
- Release:
- 26.08.2022
- Enter: Death Box
- Blades
- Kamilah
- 500 Years
- Sloth
- Giants Leaving
- Blood Honey
- Landless King
- Eraser
Ohne Worte viel zu sagen.
Da sind sie wieder. Meine favorisierten Instrumental-Rocker von LONG DISTANCE CALLING kehren mit ihrem mittlerweile achtem Studioalbum zwei Jahre nach "How Do We Want To Live?" zurück. Mit earMusic hat man einen neuen Heimathafen gefunden, doch davon abgesehen, hat sich nicht allzu viel verändert. Klar, musikalisch hat noch nie ein Album seinem Vorgänger geglichen, aber die Besetzung um die Gitarristen Dave und Flo sowie die Rhythmusabteilung mit Jan und Janosch ist unverändert, der Sound einmal mehr brillant und nachdem man sich auf dem Vorgänger der künstlichen Intelligenz gewidmet hat, wird nun jeder Song einer vom Aussterben bedrohten Tierart gewidmet.
Wie schon angemerkt, klingt bei LONG DISTANCE CALLING nie ein Album wie der Vorgänger und das ist auch dieses Mal natürlich nicht der Fall. "Eraser" ist deutlich basischer ausgefallen und kommt ohne die teilweise doch recht dominanten elektronischen Einschübe des Vorgängers aus. Auch die vielen Sprachsamples, die auf dem 2020er-Werk eingesetzt wurden, fehlen hier komplett, ebenso gibt es keinen Gesangsvortrag zu hören. Eine weise Entscheidung bei diesem Thema, weil so der moralische Zeigefinger gar nicht erst gezückt werden kann.
Nach dem Intro 'Enter: Death Box' beschäftigen sich 'Blades', 'Kamilah' und '500 Years' mit dem Nashorn, dem Gorilla und dem Grönland-Hai. Entsprechend haben wir es hier mit kraftvollen Songs zu tun, die mächtig Energie haben. 'Blades' wirkt dabei eher walzend-schwerfällig, was bei in der Regel mehreren Tonnen Gewicht eines Nashorns jetzt nicht sonderlich überraschend kommt. Der Hai ist da sehr viel anmutiger, schneller und graziler unterwegs. Das Quartett schafft es in meinen Ohren gut die Merkmale der Tiere herauszuarbeiten.
Dass dies bei 'Sloth' eine Verschnaufpause bedeutet, ist klar. Was anderes kennen Faultiere bekanntlich nicht. Wir haben ja alle "Ice Age" gesehen. So wundert sich der Hörer nicht über loungige Saxophon-Klänge und ein bluesiges Solo von Dave. Passt super, ist mir aber tatsächlich eine kleine Spur zu behäbig. Da kann die Band nix für, das schiebe ich aufs Faultier.
Mein Favorit folgt aber auf den Fuß. 'Giants Leaving' ist mit nur 3:28 Minuten der kürzeste Song auf dem Album - und von Intros abgesehen wohl auch der Bandgeschichte - verfügt dabei aber über ein ähnlich großartig-treibendes Leitmotiv wie einst 'Black Paper Planes'. Da hätte der Albatross gerne noch eine Runde drehen dürfen, wobei der gerade bei Start und Landung immer etwas tapsiger wirkt als es der Song ist. Auch bei 'Blood Honey', das natürlich von der Biene handelt, hätte ich mir vielleicht noch etwas mehr kontrolliertes Chaos gewünscht, etwas mehr wildes Summen. Die Ruhe, die das Break im Mittelteil ausstrahlt, sehe ich bei einer Biene nicht. Doch vielleicht fehlt mir da einfach die Vision der Jungs oder ein Video zum Track. Dass der Tiger in 'Landless King' noch mal an das Eröffnungstrio anknüpft, ist hingegen nur logisch.
Am Eindringlichsten ist dann vielleicht der titelgebende Abschlusstrack. Der 'Eraser' ist auch ein Säuger, nämlich der Mensch. Während die hier präsentierten Tierarten in erster Linie wegen der Menschheit vom Aussterben bedroht sind, zerstört sich die Menschheit munter selbst. Wer Nachrichten schaut oder bei 41° Grad im Schatten nur noch den Seestern machen kann, hat eine Idee, was los ist.
Zu 'Kamilah', 'Giants Leaving' und eben 'Eraser' gibt es mittlerweile Videos und tatsächlich wirken alle drei Songs so noch sehr viel intensiver. Schaut sie euch also an:
Ich kann gar nicht genau sagen, warum ich am Ende "nur" 8.5 Punkte gebe, denn eigentlich höre ich "Eraser" locker auf dem Niveau von "Boundless" oder "How Do We Want To Live?", die jeweils einen halben Zähler mehr eingeheimst haben. Vielleicht ist doch das Faultier schuld, obwohl es nichts falsch macht. Freunde der Band können aber wie immer zugreifen. Tolles Teil.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Peter Kubaschk