LONG DISTANCE CALLING - How Do We Want To Live?
Auch im Soundcheck: Soundcheck 06/2020
Mehr über Long Distance Calling
- Genre:
- Instrumental Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Inside Out (Sony)
- Release:
- 26.06.2020
- Curiosity (Part 1)
- Curiosity (Part 2)
- Hazard
- Voices
- Fail / Opportunity
- Immunity
- Sharing Thoughts
- Beyond Your Limits
- True / Negative
- Ashes
Bleibt alles anders.
Auf eines kann man sich bei LONG DISTANCE CALLING immer verlassen: es gibt Veränderung. Seit dem Debüt "Satellite Bay", das auch bereits unfassbare 13 Jahre auf dem Buckel hat, hat es die Band immer geschafft, sich um einige Grad zu verändern, dabei aber immer den ganz eigenen Charakter des eigenen Sounds beizubehalten. Das liegt natürlich auch an der Stabilität im Line-Up und dem sehr eigenständigen Stil der Gitarristen Dave und Flo, von Bassist Jan oder Schlagwerker Janosch.
Entsprechend erkenne zumindest ich auch bei "How Do We Want To Live?" nach wenigen Nanosekunden, welche Band hier musiziert, wobei natürlich auch dieses mittlerweile siebte Studioalbum keinerlei Kopie einer seiner Vorgänger ist. Allerdings kehren einige Zutaten zurück, die es gerade auf den frühen Werke so auch gab. Da gibt es beispielsweise wieder den verstärkten Einsatz von Sprachsamples, der vor allem auf dem Debüt schon dafür gesorgt hat, dass man phasenweise vergisst ein instrumentales Album zu hören. Auch gibt es heuer wieder einen Gastsänger, der einen Song mit Vocals veredelt. Dieses Mal setzt man dabei allerdings auf den eher unbekannten Eric A. Pulverich von der Band KYLES TOLONE und verzichtet auf Starpower.
Neu sind die vermehrten Einsätze von elektronischer Musik, die nicht nur für ein paar Farbtupfer eingebaut werden, sondern an einigen Stellen die Songs auch tragen. Man höre nur die ersten Minuten des bereits vorab veröffentlichten 'Voices'. Damit geht das Quartett auch ein gewisses Risiko, da es eine Weile dauert, bis die Nummer sich so richtig entfaltet. In der Vergangenheit ging es oft gleich in die Vollen, dieses Mal geht LONG DISTANCE CALLING bedächtiger, ja leiser ans Werk. So wird man nicht gleich mitgerissen, sondern die Band fordert Aufmerksamkeit vom Hörer ein. Aber wer dieser Forderung Folge leistet, wird auch belohnt, denn mit jedem Spin taucht man mehr in diese Welt ein, die sich mit künstlicher Intelligenz und ihren Folgen und Gefahren für die Menschheit auseinandersetzt.
Darum geht es auch im von Eric A. Pulverich veredelten Song 'Beyond Your Limits'. Bereits beim ersten Hören war mir klar, dass die Band hier einen hervorragenden Riecher hatte. Seine Stimme ist einfach großartig und hat schon dafür gesorgt, dass auch KYLES TOLONE bei mir auf dem Zettel gelandet ist. Auch sonst ist diese Nummer ein echter Höhepunkt auf "How Do We Want To Live?". Atmosphärisch bis zum Anschlag, toller Aufbau, veredelt mit hervorragenden Gesangsmelodien, die sich im famosen Refrain entladen. Neben 'Lines' von "Trips" der bislang beste Song mit Gesang aus dem Hause LONG DISTANCE CALLING.
Dass für "How Do We Want To Live?" viel recherchiert wurde, merkt man übrigens auch an den diversen Zitaten an. Die zum Teil aus bekannten Unterhaltungsmedien kommen, teilweise aber auch von Wissenschaftlern aus kontroversen Debatten stammen. Es macht Spaß, sich mit der Suche danach und den zugrunde liegenden Themen der Zitate zu befassen.
Für mich der schwierigste Teil ist derzeit noch die Einordnung von "How Do We Want To Live?" ins Gesamtwerk von LONG DISTANCE CALLING. Ich denke, wer es immer favorisiert hat, dass bei der Band in erster Linie gerockt wird, der wird durchaus Anlaufschwierigkeiten haben können. Wer allerdings immer Veränderung und Herausforderung möchte, wird hier wohl so sehr gefordert wie noch nie. Ich selbst gehöre eher in die erste Gruppe und hatte auch tatsächlich einige Probleme zu Beginn, aber wenn man sich der Herausforderung stellt - und das hatte ich oben bereits erwähnt -, entpuppt sich auch "How Do We Want To Live?" als starkes Werk, das ganz sicher recht weit oben in meiner Jahresendabrechnung zu finden sein wird.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Peter Kubaschk