LOOMIS, JEFF - Plains Of Oblivion
Mehr über Loomis, Jeff
- Genre:
- Progmetal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Century Media Records
- Release:
- 06.04.2012
- Mercurial (Feat. Marty Friedman)
- The Ultimatum (Feat. Tony Macalpine)
- Escape Velocity
- Tragedy And Harmony (Feat. Christine Rhoades)
- Requiem For The Living (Feat. Attila Vörös)
- Continuum Drift (Feat. Chris Poland)
- Surrender (Feat. Ihsahn)
- Chosen Time (Feat. Christine Rhoades)
- Rapture
- 0 Sibylline Origin
Wer kennt den PANTERA-Song 'The Art Of Shredding'? Hier ist ein ganzes Album zu diesem Thema!
Für viele Rock- und Metalfans ist das Gitarrensolo das Sahnehäubchen auf einen tollen Song und in den 80ern war es Gang und Gäbe, dass ein Act mit Aussicht auf kommerziellen Erfolg auch einen versierten Saitenhexer in seinen Reihen hatte. Es war die Zeit der großen Shredder (auf deutsch Gitarristen, die schnell spielen), also die Zeit der Malmsteens, Vais, Satrianis, Gilberts uvm. Diese waren es auch, die diverse (Instrumental-) Alben veröffentlichten, auf denen ihre Kunst im Mittelpunkt des Geschehens stand und nicht nur als bestenfalls zwanzig-sekündiges Schmakerl innerhalb eines normalen Rocksongs zur Geltung kam. Nach dieser Zeit kam eine längere Durststrecke für diese Art des Gitarrenspiels (Ausnahme u.a. der legendäre Dimebag Darrell). In letzter Zeit jedoch sind die Shredder aber wieder im Aufwind. Sie tummeln sich in der neumodischen Djent-Szene, in der der Gitarrenfan für sein geliebtes Solo aber wahnsinnig verschachtelte Rhythmen und oftmals schlimmen Gesang in Kauf nehmen muss. Oder man findet sie bei den neoklassichen Metalbands, wo man schon mal mit plüschigem Bombast klarkommen muss, um in medias res zu gelangen. Einen direkteren Draht bekommt der Fan dann schon bei Acts wie Tosin Abasis ANIMALS AS LEADERS oder Ron Jarzombeks BLOTTED SCIENCE (bei denen allerdings weniger geshreddert wird), wo das Gitarrensolo im Zentrum komplexer instrumentaler Arrangements steht.
Einer der besten neuzeitlichen Shredder ist JEFF LOOMIS, der Held, um den es in dieser Rezension gehen soll. Mit seiner ehemaligen Band NEVERMORE hat er eine Handvoll grandioser Soli aufgenommen, aber bei den letzten Alben wurden diese oft entweder durch das Schlagzeug zugebollert oder – noch schlimmer - von Gesang überspült. Ich denke da mit Grauen an das wahnsinnige Sweep-Solo beim Track 'This Godless Endeavor' irgendwo zwischen Drumgepolter und Shout-Gesang. Lange Rede kurzer Sinn: es fehlt bislang das Album, das die moderne Sologitarre ohne Umschweife so in den Fokus des Hörers legt, dass diese ohne Filter umgehend Herz und Seele des Solofans berühren kann. Und hier kommt unser Held ins Spiel! JEFF LOOMIS, der sich in einer Linie mit den bekannten Neoklassikern Jason Becker oder Marty Friedmann sieht, schafft es auf "Plain Of Oblivion", sich und das Gitarrensolo als Kunstwerk unauslöschlich die Gehirne der Metalfans zu brennen. Man braucht nicht einmal eine Minute des Openers 'Mercurial' zu hören und man ist schon mittendrin statt nur dabei! LOOMIS nimmt berechtigterweise den harten, modernen Thrash-Sound, den man von NEVERMORE kennt, als Basis für sein Schaffen. Und was er damit anstellt, hat die Welt noch nicht gehört. Schon das erste Lick von 'Mercurial' macht mich ungläubig vor meinen Boxen schmachten und man muss nach dem ganzen Song erst mal zurück skippen, weil man nicht glaubt, was da gerade passiert ist. Und es passiert weiter und es hört nicht mehr auf und Erstaunen, gar Erschütterung und Fassungslosigkeit machen sich breit ob dessen, was da gerade über einen hinwegfegt.
Liebe Leute, es ist so unglaublich geil, so unfassbar nicht-mehr-von-dieser-Welt toll, wie LOOMIS wie das Känguru mit Siebenmeilenstiefeln alles niedershreddert, was nicht bei drei auf dem Bäumen ist. Es sind aber nicht nur die Soli, sondern auch die Art und Weise, wie diese in die Songs integriert sind, die mich so jubeln lässt. LOOMIS Spezialität sind rasend schnelle Sweeps und Arpeggien, also Akkorde, bei denen jeder Ton einzeln angeschlagen wird. LOOMIS wuselt sich durch sehr ungewöhnliche Tonleitern fernab vom gängigen Dur und Moll und sein Spiel wird umrahmt von dunklen Thrashakkorden, die manchmal weit in die Bereiche des Extrem-Metal hineinloten. Schräge Takte und viele Breaks durchsetzten die Songs und LOOMIS spielt, als gäbe es in dieser Welt kein Morgen mehr.
Kein Petrucci, kein Turilli, kein Malmsteen hat mich jemals so beeindruckt wie JEFF LOOMIS hier. Aber das ist noch nicht alles. LOOMIS hat Freunde mitgebracht. Und zwar weitere Shredder! Und Sänger! Gehen wir sie einzeln durch, sie haben es verdient: Wir hören seinen Bruder in Geiste Marty Friedmann beim Opener 'Mercurial'. Eben jener Friedmann hat sich selber auf MEGADETHs "Rust In Peace" ein Denkmal für die Ewigkeit gesetzt und wer dieses Gitarrenspiel kennt, erkennt auch schnell, welches Solo hier Martys ist. Dann hätten wir Tony McAlpine (bei 'The Ultimatum'). Dieser Herr ist u.a. durch PLANET X und Engagements in der STEVE VAI BAND bekannt. Ein gewisser Attila Vöros hat erste Meriten als Tourgitarrist von NEVERMORE verdient. Er ist einer der talentiertesten Nachwuchs-Shredder und liefert ein absolut fulminantes Solo in 'Requiem For The Living' ab. Leute, wirklich, so was habt ihr noch nie gehört! Bei 'Continuum Drift' darf dann noch Chris Poland ran. Auch dieser Mensch ist MEGADETH–Fans geläufig. Jeder alte Metaller wird von den Gitarren bei 'Black Friday' oder 'Devils Island' bis ans Ende seiner Tage schwärmen. Hier liefert er sich Duelle mit LOOMIS, die mich winseln und am Boden kriechen lassen.
Geht es noch besser? Zum Leidwesen meiner armen Nerven: Ja! Kein Geringerer als IHSAHN, Ikone der legendären Black-Metal-Band EMPEROR und mittlerweile Solokünstler leiht LOOMIS auf 'Surrender' seine Stimme. Falsch, seine Stimmen, Plural, nämlich die extravagante Kreischstimme und die monumental-erhabene Cleanstimme. Meine Güte, was ist dieser Song nur für eine Macht! Es ist eine Vorschau auf den Metal aus dem nächsten Jahrhundert: extrem, dissonant und dennoch eingängig und bis zum Zerbersten intensiv. Ein Koloss von einem Song. Unnötig zu erwähnen, dass LOOMIS hier auf Neoklassik verzichtet, sondern mal was ganz anderes probiert. Hört selber!
Aber das Beste soll zum Schluss erwähnt werden. Denn die zweite Stimme auf "Plains of oblivion" gehört Christine Rhoades, die man auf zwei Songs hört. Äh, wer? Nun, diese Dame kennt der Experte vom Titeltrack des NEVERMORE-Geheimklassikers "Dreaming Neon Black", ansonsten ist sie wohl eher im Trip-Hop-Bereich tätig. Der eine Track ist eine Powerballade, bei der sich LOOMIS von seiner gefühlvollen Seite zeigt. Der zweite Track mit ihr ist dann der beste Metaltrack, den ich seit Ewigkeiten gehört habe! Eigentlich ein moderner NEVERMORE-Track, fast wie von "Dreaming Neon Black" entliehen und ins Jetzt gebeamt, nur mit einer weiblichen statt einer warreldaneschen Superstimme und einem Refrain, der mich seit dem ersten Hör nicht mehr loslässt. Er ist so schön. Und so traurig. So unendlich traurig... Das sind aber nicht die Worte, mit denen ich diese Rezension beenden möchte. Vielmehr möchte ich in die Welt herausschreien, so laut, wie ich kann: JEFF LOOMIS, Gitarrengott!!!
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Thomas Becker