MANOWAR - The Lord Of Steel (Hammer Edition)
Mehr über Manowar
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Magic Circle Entertainment
- Release:
- 16.06.2012
- The Lord Of Steel
- Manowarriors
- Born In A Grave
- Righteous Glory
- Touch The Sky
- Black List
- Expendable
- El Gringo
- Annihilation
- Hail, Kill And Die
Ein mutiges Album, das umstritten bleiben wird.
Wenn die Frage nach der meistgehassten Band der Welt gestellt wird, dann fallen mir viele Kapellen ein, welche im Laufe der Jahrzehnte schon im Ruf standen, dieselbe zu sein, und auch etliche, die sich selbst gerne mit diesem zweifelhaften Titel schmückten. Bezogen auf die heutige Metalszene spricht jedoch einiges dafür, dass dieses Stigma in Wirklichkeit keine Band besser beschreibt als MANOWAR. Jedenfalls habe ich in meinem Leben noch nie eine derart massive und weitverbreitete Aversion gegen eine Band und deren kommendes Album erlebt, wie dies nun im Vorfeld der Veröffentlichung des elften regulären Studioalbums der Truppe aus Auburn der Fall war. Wo in der Wolle gefärbte Gegner und von den Entwicklungen der letzten Jahre bitter enttäuschte Fanherzen auf eine noch immer stattliche Anzahl an nibelungentreuen Verteidigern treffen, da bleibt oft kein Stein auf dem anderen und kein Auge trocken. So ist klar, dass "The Lord Of Steel" ein gnadenlos verrissenes und ein sklavisch abgefeiertes Album sein wird, zweifellos das kontroverseste Album des Jahres 2012. Doch so viel stand bereits fest, bevor auch nur ein Ton an die Lauscher der unterschiedlich motivierten Hörer drang.
Nun ist das Album nach einigen logistischen Irrungen, Wirrungen und Kommunikationsproblemen zumindest in digitaler Form als MP3-Download erhältlich, und die Metalwelt kann sich anhören, was die Band selbst unter "MANOWAR 2012" versteht. Die Anlage angeworfen und auf Play gedrückt, wird schon vom ersten Ton an zumindest eines klar: Wer der Band in der Vergangenheit vorgeworfen hatte, sich mit Bombast, allzu massiven Keyboard-Orchestrierungen und steriler Produktion komplett vom Heavy Metal entfernt zu haben, der sieht zumindest diesen Angriffspunkt durch "The Lord Of Steel" vollständig pulverisiert. Das Album klingt gnadenlos heavy, massiv verzerrt, extrem basslastig und weitaus rifforientierter als seit vielen Jahren. Orchestrale Wagner-Verneigungen wurden weitestgehend liquidiert, lediglich die typischen Chorklänge sind erhalten geblieben, durch den wuchtigen Gesamtklang allerdings weit weniger aufdringlich als zuletzt.
Was gibt es zum Sound und zur instrumentalen Seite der Scheibe sonst zu sagen? Nun, Karl Logans Gitarre brät sehr heavy, die Riffs sind nicht spektakulär, aber durchaus knackig und markanter als auf sonst einem Album der Logan-Ära. Die Soli sind urtypisch für Karl. In meinen Ohren klingen sie gut, aber sie fügen sich nur selten so perfekt und gefühlvoll in den Song ein, wie dies zu Zeiten des Herrn Friedman der Fall war. Das heißt, dass bisherige Logan-Skeptiker ihre Meinung kaum ändern werden. Trotzdem: Mir gefällt das, was Karl auf dieser Scheibe abliefert sehr gut, außerdem sorgt seine Beteiligung am Songwriting von 'Righteous Glory' und 'Born In A Grave' für ein wenig mehr kompositorische Frische und Abwechslung, als dies auf den beiden Vorgängern der Fall war. Gerade bei 'Born In A Grave' - aber auch bei 'Touch The Sky' - ist das Solo sehr schlüssig und zum Song passend arrangiert. Joey DeMaios Basssound ist erdrückend, unglaublich wuchtig, massiv verzerrt und hört sich an wie eine Hummel im Einmachglas - "the bass of the bumblebee" sozusagen. Das ist sicher genau so gewollt, und durch diesen Kniff klingt das Album wahrlich extrem heavy. Glasklar ist jedoch auch, dass diesen Sound nicht jeder verdauen kann und will, und dass sicher manche melodische Feinheit mehr Platz gefunden hätte, wenn Joey sich mit dem Bass hier und da etwas zurückgenommen hätte. War mancher Fan nach dem Vorab-Sample zu 'El Gringo' und dessen extrem simplem Schlagzeugrhythmus schon felsenfest davon überzeugt, dass Donnie Hamzik hinter den Kesseln nur ein potemkinscher Trommler sei, sieht er sich auch hier getäuscht. Das Schlagzeug ist zwar nicht organisch produziert und abgemischt, sondern sehr laut und kalt positioniert, doch es klingt in meinen Ohren schon lebendig und variantenreich, durchaus vergleichbar zu "Battle Hymns MMXI".
Es bleibt der Vierte im Bunde: Eric Adams. Das Erstaunliche an den endlosen Diskussionen um die Band ist ja, dass viele Kritiker inzwischen nicht mal mehr vor Eric haltmachen, der bisher noch am ehesten für einhelliges Wohlwollen sorgte. Heutzutage meinen nicht Wenige, feststellen zu können, dass man Eric das Alter anmerke, dass er seinen Zenith überschritten habe, und dass er die hohen Screams nicht mehr bringen könne. Nun, ich erinnere an dieser Stelle sehr gerne an einen gewissen Harry Conklin, dem man Ähnliches nachsagte, als er bei den letzten Alben seiner ehemaligen Band JAG PANZER deutlich gemäßigter und im Mittel tiefer sang als zuvor. Nur wenige Monate später ließ das Album seiner anderen Band SATAN'S HOST diese Stimmen verstummen. Was will ich damit sagen? Ganz einfach: Ja, es stimmt, dass Eric Adams seine legendären Screams lediglich an ein oder zwei kurzen Stellen ansetzt, und es stimmt auch, dass er insgesamt etwas tiefer zu singen scheint, als dies früher der Fall war. Ob das am Unvermögen liegt, das wage ich jedoch zu bezweifeln, denn bei dem, was er singt, präsentiert sich Eric auch dieses Mal ohne Fehl und Tadel. Es mag also durchaus sein, dass Erics Gesanglinien lediglich der basslastigen Produktion und dem dunklen Sound angepasst wurden.
Doch kommen wir nach langer Vorrede nun endlich zum Songmaterial: "The Lord Of Steel" hat eine Spielzeit von einer guten Dreiviertelstunde, es enthält zehn Songs, keine Instrumentale, keine Erzählerpassagen, keine Miniopern: Einfach nur zehn hart und heavy rockende Songs. Den Anfang macht dabei das schnelle und harte Titelstück, das sich für mich als Kreuzung aus 'The Dawn Of Battle' und 'The Power Of Thy Sword' präsentiert. Es folgt die Mitsingnummer und Fanhymne 'Manowarriors' über deren Text man natürlich schmunzeln oder den Kopf schütteln kann, was aber nur offenbaren würde, dass man eben kein richtiger Manowarrior ist. Nein, im Ernst: Der Song ist simpel, straight, heavy und geht auf die Zwölf. Der riffende Bass hat einen leichten MOTÖRHEAD-Touch, und der Refrain mit seinen durchaus punkigen Gangshouts ist auf jeden Fall sehr ungewöhnlich für MANOWAR. Der Song gefällt mir - inklusive der instrumentalen Bass- und Gitarrenleads - ausgesprochen gut, auch wenn zum Ende hin die Wiederholungsschleifen des Refrains etwas penetrant werden.
Die düstere Vampirgeschichte 'Born In A Grave' lässt vor allem Eric Adams brillieren, der hier seine alt bekannten und bewährten Kniffe mit beschwörendem Flüstern und manischem Gelächter ausspielen kann. Auch Karl Logan hat hier ein paar seiner stärksten Momente, wobei dem Song insgesamt leider ein wirklicher Höhepunkt fehlt, um ihn zu einem echten Volltreffer zu machen. Ein solcher Hit ist jedoch das nachfolgende 'Righteous Glory', das zumindest thematisch betrachtet aus den verworfenen "Hammer Of The Gods"-Sessions stammen könnte. Der Band gelingt hier eine mächtige Halbballade der Extraklasse, die Eric Adams göttlich intoniert, und die auch instrumental einfach wunderschön geraten ist. Man könnte mit Fug und Recht von MANOWARs Antwort auf 'Stairway To Heaven' reden (das auch ein bisschen zitiert wird), wenn sich die Band nur dazu entschieden hätte, für einen großartigen Song auch ein packendes Ende zu schreiben. Einen Song dieser Klasse einfach in einer Refrainschleife ausfaden zu lassen, ist einfach eine vergebene Chance, aus einem Volltreffer einen Hit für die Ewigkeit zu machen. Dennoch ist diese Ode an die persönliche Walküre des Protagonisten einer der fünf besten MANOWAR-Song seit 1992, dessen ausgedehnte Instrumentalpassagen zwischen Feingefühl und Heaviness einfach zum Sterben schön sind.
Weiter geht's im Text mit 'Touch The Sky', das einfach nur als harmonisch wunderbar ausbalancierter, smoother Rocksong durchgeht, der mit anderem Sänger und anderem Sound auch auf eine AOR-Platte gepasst hätte. Das Lied ist also für MANOWAR in etwa das, was 'Heaven Help Us' für CIRITH UNGOL ist. Die Welt wird damit nicht eingerissen, aber das Stück ist einfach (und) schön. Danach entfaltet 'Black List' wieder Schwere und Martyrium. Zäh und langsam, riffend und basslastig streift es durchaus doomige Gefilde, ein wenig BLACK SABBATH und ein Hauch von 'Burning' dürften bei der stilistischen Verortung helfen. Leider hat der Text nur mehrmals die mehr oder weniger identische Strophe zu bieten. Diese Geschichte hätte man bestimmt auch mit mehr Worten erzählen können. Das auszugsweise bereits von den Vorab-Samples bekannte 'Expendable' ist ein für MANOWAR sehr untypischer, Groove-lastiger Thrasher mit aggressivem Riffing, einem gelungenen Logan-Solo und durchaus feinem Schlagzeug von Donnie. Gesanglich fehlt es hier allerdings ein wenig an den zwingenden Hooks, sodass der Song für mich einen der Schwachpunkte des Albums darstellt.
Mit eingängigen Gesangsmelodien zuhauf kann dafür das schon vorab veröffentlichte Soundtrack-Stück 'El Gringo' aufwarten. Der Song steht am ehesten in der Tradition der letzten beiden Alben, hat die berüchtigten Soundtrack-Elemente wie Chöre, orchestrale Keyboards und Glockenschläge. Dennoch hat der Song seinen Reiz, bietet er doch bis einschließlich zum Gitarrensolo jede Menge toller Melodien. Leider verliert man sich danach in einer Dauerschleife aus Vers und Chorus, sodass die Spannung merklich abbaut und der Song zu Ende hin etwas unbefriedigend zu Ende plätschert. Hier wurde einiges an Potenzial verschenkt. Mit 'Annihilation' scheint die Band zunächst wieder die Stakkato-Strategie von 'Expendable' aufzunehmen, doch das erweist sich als Trugschluss. Wir haben es mit einem knappen, barschen Rocker zu tun, der straight und kompromisslos im Midtempo auf die Zwölf geht und im Refrain auch einen hohen Eric-Scream zum Besten gibt. Den Hinausschmeißer gibt der martialische Stampfer 'Hail, Kill & Die', der durch die Zitate eigener Song- und Albentitel textlich in der Tradition von 'Blood Of The Kings' steht, allerdings doch ein gutes Stück hinter dessen Klasse zurück bleibt.
Ein Fazit zu ziehen, fällt mir nicht leicht. Wie schon bei den Vorgängern sehe ich durchaus ein, dass das Album sicher auch Anlass zur Kritik liefert. Der Basssound wird in vieler Leute Ohren überzogen sein, Karl Logan ist in Sachen Feeling auch nach über 15 Jahren in der Band noch immer kein Ross Friedman, und die Band hat noch immer kein neues "Into Glory Ride" eingetütet. Alles Allgemeinplätze, alles letztlich irrelevant, weil die entsprechende Erwartung einfach von vorneherein zu unrealistisch war. Was allerdings auch ein Fan ohne überzogene Erwartungen kritisch bemerken könnte, ist, dass einige Songs einfach unfertig wirken, weil ihre zweite Hälfte nur noch aus zu vielen Wiederholungen derselben Motive besteht. Anstatt ein ansonsten tolles Stück dadurch unvollkommen wirken zu lassen, dass nach dem Solo fünfmal der Refrain wiederholt wird, bevor er langsam ausgeblendet wird, könnte ich ohne Wenn und Aber von echten Volltreffern reden, wenn eine weitere Strophe mit neuem Text folgen würde, oder wenn ein Lied mit einer liebevoll ausgearbeiteten Coda beschlossen würde. Das sind keine groben Mängel, die mir den Spaß am Album nehmen würden, aber es sind kleine Details, die tatsächlich den Eindruck nahe legen, dass sich die Band bei einigen Stücken nicht die Zeit genommen hat oder nehmen konnte, sie mit noch mehr Liebe zum Detail schlüssig zu Ende zu komponieren. Wäre das bei allen Stücken geschehen, dann würde ich heute wohl von einem Meisterwerk und großen metallischen Meilenstein des dritten Jahrtausends reden. In der vorliegenden Form attestiere ich "The Lord Of Steel", dass es sich um ein mutiges, eigenwilliges, unerwartetes und spannendes Album handelt, das mir trotz der genannten Schwächen, so viel Freude bereitet, wie dies seit vielen Jahren kein Album mehr getan hat.
Das führt uns letztlich zum Problem der Notenvergabe und zu Fluch und Segen unseres völlig subjektiv aufgebauten Benotungssystems. Würde ich nur den Buchstaben unserer Notendefinition folgen, dann hätte ich keine andere Wahl, als die volle Punktzahl zu zücken. (Nö. Dafür kritisierst du deutlich zu viel, das wäre bei "In jeder Beziehung perfekt" ja nicht nötig - PK) Dies würde jedoch dem Umstand nicht gerecht, dass es sich die Band bei einigen Stücken trotz aller Klasse kompositorisch etwas zu einfach gemacht hat. Daher muss ich den kleinen Abzug in der B-Note vornehmen, auch wenn mir beim Hören der Scheibe vor Begeisterung noch immer fast der Kopf platzt. Ein bisschen fühlt es sich an, wie damals, als ich zum ersten Mal meine Metal-Initialzündung "Kings Of Metal" gehört habe, oder als ich wochenlang der Veröffentlichung von "Triumph Of Steel" entgegen gefiebert habe. Alte Liebe rostet in diesem Fall wirklich nicht, und für mich bleibt der Titel verdient: "They are the Metal Kings!"
Einkaufshinweise:
Seit 16.06.2012 gibt es das Album als digitalen Download im bandeigenen Shop "The Kingdom Of Steel". Ebenso gibt es dort ein Kombi-Paket der CD-Erstauflage (Hammer Edition) plus Vorab-Download. Die CD wird Ende Juli 2012 ausgeliefert. Die reguläre Verkaufsversion wird erst am 07.09.2012 in die Läden kommen. Diese soll dann statt des vorliegenden Hammer-Artworks ein Covergemälde von Ken Kelly zieren.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle