MAYHEM - Chimera
Mehr über Mayhem
- Genre:
- Black Metal
- Label:
- Smd Season / Sony
- Release:
- 29.03.2004
- Whore
- Dark Night Of The Soul
- Rape Humanity With Pride
- My Death
- You Must Fall
- Slaughter Of Dreams
- Impivious Devious Leper Lord
- Chimera
"A Grand Declaration of War" war perfekt. Es war das Black-Metal-Album, das man kaum jemandem zugetraut hätte, schon gar nicht den bisher eher kultig vor sich hin rumpelnden MAYHEM, die noch dazu durch allgemein bekannte Umstände auch noch ihrer halben Band beraubt wurden. Ein progressives, vielschichtiges Meisterwerk komplexer Schwarzwurzelkunst, und leider deswegen: Ein Flop für die Fanbasis.
Knappe dreieinhalb Jahre später kommt die Band, die mittlerweile von vielen eher in den Bereich der Musik-Legenden als in den der aktiven Gruppen eingeordnet wird, mit einer Platte zurück, die eines ganz besonders betont: Wir wollen es noch mal wirklich wissen, ob wir die Black-Metal-Band Nummer Eins sind, ob wir auch im Genre-Kern noch durchsetzungsfähig sind, oder anders ausgedrückt: MAYHEM kommen zurück, um den Thron zurückzuerobern, der seit dem Ende von EMPEROR mehr oder weniger verwaist ist und den sie vor langer Zeit einmal innehatten. Selbiges gelingt, das muss man vorweg betonen, nur bedingt, was dabei herauskommt, ist aber trotzdem wirklich hörenswert.
Das Album beginnt stark, beginnt mit einem Big Bang: 'Whore' ist ein rumpelnder Schwarzwurzeltrack der alten Schule, der kaum Fragen offenlässt und klarstellen soll, was hier im Laufe der noch folgenden sieben Songs passieren wird. Es folgen zwei Songs im ähnlichen Stil, bis MAYHEM mit 'My Death' ein bisschen von der bisherigen Schiene abrücken und einen großartigen, doomigen, finsteren Track loslassen, der am Ende fast ein wenig an HYPOCRISY erinnern würde, wenn da nicht immer wieder diese High-Speed-Drum-Attacken losgetreten würden.
Überhaupt, dieses Schlagzeug. Was Hellhammer auf dieser Platte darbietet, performt, fast schon zelebriert, kommt einer Offenbarung gleich und gehört nicht nur zu seinen persönlich besten Leistungen, sondern auch zum stärksten, was wir seit langer Zeit auf einer Metalplatte zu hören bekommen haben, auch wenn der Drumsound zu Beginn, ähnlich wie bei METALLICAs "St. Anger", wenn auch nicht so ausgeprägt, ein wenig gewöhnungsbedürftig, dabei aber trotzdem sehr originell ist. {Du machst mir bald Schachtelsatzbandwurmkommaflutkonstruktionsgewirrkonkurrenz, wenn du fleißig weiterübst. - Anm. d. Lekt.}
Dadurch wird "Chimera" fast schon eine psychedelische, mindestens aber eine transzendentale Erfahrung: Die erwähnten, schnellen, sich rhythmisch wiederholenden und hochkomplexen Drumschemata mit ihrem eigenwilligen Sound treffen auf brutale Riffs, unterlegt mit alptraumhaften, versponnenen Gitarrenmelodien und verschmelzen mit den Vocals zu sphärenhaften, düsteren Brocken von fünf bis acht Minuten Länge, die einerseits zu einhundert Prozent nach MAYHEM und anderseits sehr modern und trotzdem roh klingen.
Besonders deutlich wird selbiges in den Stücken Nummero Vier und Fünf, die den Auftakt zur furiosen zweiten Hälfte der Platte bilden und eigentlich in Stein gemeißelt bzw. in das Lehrbuch des Black Metal gehören: Beide sind brutale, schnelle Songklumpen, der eine ('You Must Fall') vorwiegend durch lange, versponnene Gitarrenpassagen gekennzeichnet, der andere ('Slaughter Of Dreams') durch Trashriffs, die ihn live zum richtigen Killer machen dürften.
Die wirklichen Highlights aber folgen anschließend, wenn mit den beiden finalen Tracks 'Impious Devious Leper Lord' und dem Titelsong ein irrwitziges, verschachtelt-komplexes und wütendes Inferno losgetreten wird, bei dem man fast geneigt ist, MAYHEM in der Form von 2004 als beste Black-Metal-Band der Welt bestätigen zu wollen. Und eben dieses ist auch fast tatsächlich der Fall, denn neben den beiden übermäßig brutalen MARDUK und DARK FUNERAL gibt es eigentlich nach dem Ende von IMMORTAL kaum noch eine Band außer SATYRICON, die hier mithalten könnte. Und von selbigen sind MAYHEM auf dieser Platte nur ganz knapp entfernt, was sowohl die Qualität des Materials als auch die stilistische Ausrichtung angeht.
"Chimera" ist, kurz gesagt, ein vielschichtiges, komplexes und wütendes Monstrum, komplett aufgeladen mit jeder Menge Energie und einer gehörigen Portion Charakter, welches dich verschlingt. Die Gruppe MAYHEM, soviel oder so wenig sie mit den damaligen MAYHEM noch zu tun haben mag, ist 2004 erdig, brutal, ursprünglich. Schade nur, dass man den höchst spannenden Weg, den man mit "A Grand Declaration Of War" eingeschlagen hatte, opfern musste, um diese Platte zu machen. Was selbige natürlich kein bisschen schlechter macht.
Anspieltipps: You Must Fall; Slaughter Of Dreams; Chimera
- Redakteur:
- Sebastian Baumer