METALLICA - Hardwired...To Self-Destruct
Auch im Soundcheck: Der METALLICA-Soundcheck
Mehr über Metallica
- Genre:
- Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Vertigo
- Release:
- 18.11.2016
- Hardwired
- Atlas, Rise!
- Now That We're Dead
- Moth Into Fire
- Dream No More
- Halo Of Fire
- Confusion
- ManUNkind
- Here Comes Revenge
- Am I Savage?
- Murder One
- Spit Out The Bone
Lange Rede, kurzer Sinn
Alle Fragen, die "Hardwired...To Self-Destruct" auslöste, wurden persönlich von einer einzigen in den Schatten gestellt: Muss ich ein Album automatisch gut finden, weil METALLICA draufsteht und die Menschheit schon so lange darauf warten musste? Schließlich blicke ich zurück und stelle fest, dass mich meine einstigen Heroen in den letzten zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren mehr enttäuscht als in Euphorie versetzt haben. "Load" und "Re-Load" hier, "St. Anger" und "LuLu" dort, von den unnötigen Geschichten um verloren gegangene Handys, irgendwelchen Antarktis-Gigs und den andauernden Aufschüben mal ganz zu schweigen. "Death Magnetic" war zwar vollkommen okay, doch eine gewisse Nachhaltigkeit konnte man den Stücken nicht bescheinigen. Natürlich blickt man dennoch gespannt auf das neue Album, obwohl die Naivität, die man einst an den Tag legte, längst der Resignation und etwas kühleren Distanz gewichen ist.
Und dann wird es plötzlich spruchreif, die erste Single-Auskopplung kam, dann waren Trackliste und Artwork erkennbar und nach einer fast schon unverschämt langen Wartezeit nahm das neue Album deutliche Formen an. Natürlich kann man es so machen wie AVENGED SEVENFOLD und ohne Medien-Remmidemmi einen neuen Langspieler veröffentlichen. Oder man macht es eben wie die Vermarktungsmaschinerie METALLICA und dreht zu sämtlichen Songs auf "Hardwired...To Self-Destruct" einen Videoclip, um sie kurz vor der Veröffentlichung ins Netz zu stellen. Auf das Für und Wider dieser eigenwilligen Strategie möchte ich ungern eingehen, denn es ist soweit: Wir halten das nunmehr zehnte reguläre METALLICA-Album endlich in den Händen und stellen Folgendes fest: Es ist gut, es ist bisweilen sogar überraschend gut, auch wenn der erhoffte Götterschlag einmal mehr ausgeblieben ist.
Doch hat man das den vier Jungs wirklich 30 Jahre nach der kreativen und 25 Jahre nach der kommerziellen Hochphase wirklich zugetraut? Hand aufs Herz, natürlich nicht. Doch objektiv betrachtet – wir ziehen unsere rosarote Fanbrille auch einmal ab – haben wir ein tolles Album vor der Nase. Ich gehe sogar so weit und behaupte, dass "Hardwired...To Self-Destruct" zweigeteilt zu sehen ist: Zum einen als logischer Nachfolger des schwarzen Albums – die Parallelen sind einfach nicht von der Hand zu weisen – und zum anderen als gelungenen Aufguss des good ol' METALLICA-Spirits der vergangenen Tage. Ist der neue Rundling etwa das beste Album der letzten zwei Dekaden? Obwohl nicht alles lulu war, wo METALLICA draufstand, griff der Großteil der treuen Anhängerschaft doch lieber zu den ersten vier, fünf Alben, als sich mit neuen Auskopplungen auch längerfristig zu beschäftigen. Das könnte sich nun ändern.
Kommen wir also zu den neuen Songs, ich habe schon viel zu lang um den heißen Brei herumgeredet. Das bereits im Vorfeld bekannte 'Hardwired' samt Stakkato-Riffing und gewisser Eingängigkeit sowie das durch und durch gelungene 'Spit Out The Bone'-Monster bilden den thrashigen Rahmen des neuen Albums. Hat METALLICA zu alter Stärke und Konsequenz zurückgefunden? Glaubt man den Stücken, kann man davon ausgehen. Die Luftgitarre wird geschwungen, der Kopf bewegt sich, instrumental äußerst cool und gesanglich passend. Speziell letztgenannter Album-Closer holt die verloren geglaubte Euphorie von den Toten zurück. Was passiert dazwischen? 'Atlas, Rise' braucht zwar ein Weilchen, doch der Groove und Spirit der ersten Alben ist erkennbar, ebenso wie die Mühe, die METALLICA in das Songwriting gesteckt hat. Und dann kommt mit 'Now That We're Dead' ein fettes Riffing im mittleren Tempo, eingängig aber dennoch gelungen mit einem knackigen Refrain. 'Moth Into Flame' hat im Vorfeld wohl eine noch größere Euphoriewelle ausgelöst als 'Hardwired'. Zu Recht? Durchaus, obwohl man sich mit dem Song erst anfreunden muss, ehe sich der abwechslungsreiche Härte-Melodie-Schlagabtausch einnisten und dort seine unheilvollen Eier legen kann. Mit deutlichem 'Sad But True'- und 'The Thing That Should Not Be'-Vibe ertönt dann mit 'Dream No More' ein zäher, leicht verzerrter Fiesling, der auch gewisse Eingewöhnungszeit mit sich bringt. Mit 'Halo On Fire' endet der erste "Hardwired…To Self-Destruct"-Rundling und das Gesamtwerk kann in der Halbzeit schon das eine oder andere Highlight verbuchen.
'Confusion' leitet den zweiten Teil stampfend und mit leichtem Hang zur Melancholie ein. 'Am I Evil' und das Album mit der Schlange lassen grüßen. Und wieder wippt das Bein, hat man das erwartet? Mit 'ManUNkind' zollt das Quartett – auch im passenden Video – dem Schwarzmetall einen dezenten Tribut, ohne sich jedoch nur ansatzweise von der Marschroute der vorangegangenen Songs zu entfernen. 'Here Comes Revenge' macht im Abschluss seinem Namen alle Ehre – bedrohlich, steigernd und kalt wie eine Hundeschnauze. Auch wenn der Song nicht überrascht, reiht er sich nahtlos in das Album ein. Nach ruhigem Beginn zieht 'Am I Savage?' ebenso zähflüssig, eingängig und mit massig Groove seine Bahnen wie die Vorgänger auch, bleibt aber hinter den Erwartungen zurück. Zu guter Letzt wäre noch der Lemmy-Tribut 'Murder One' zu erwähnen, der wieder etwas energischer und konsequenter im mittleren Tempo auf die Tube drückt. Betrachtet man es unter dem Gesichtspunkt der Geschwindigkeit bauen die Songs aufeinander auf und erzeugen ein gelungenes Gleichgewicht. Leider sind sie an vielen Stellen zu zwanghaft in die Länge gezogen, ein etwas strafferes Programm hätte den Gesamteindruck noch einmal deutlich verbessert.
Und trotzdem: Es wird wieder soliert, es wird – mal hart, mal schnell, mal fies, mal mit viel Groove – gerifft und selbst an der Schlagzeugarbeit gibt es wenig auszusetzen. "Hardwired…To Self-Destruct" wäre als eigentlicher "Metallica"-Nachfolger sicherlich geeigneter als alles, was in Wahrheit nach 1991 herausgebracht wurde. Auch wenn man sich mit der Vermarktungsstrategie und dem Medien-Echo nicht unbedingt anfreunden muss, ist der neue Rundling - nüchtern betrachtet - doch überraschend gut bis sehr gut ausgefallen. Einen neuen Meilenstein – funkelnd hell und revolutionär – hat METALLICA zwar nicht aus dem Ärmel geschüttelt, doch das hat auch niemand verlangt. "Hardwired…To Self-Destruct" entschädigt ein wenig für das lange Warten und die vergeblichen Versuche, an die alte Zeit anzuknüpfen. Sicherlich entwickeln sich Menschen, Gruppierungen und Bands weiter und alle Ereignisse bilden ein kleines Pflastersteinchen auf dem Weg, der zu diesem Album führte. Ein Album, das – und wir sind endlich am Ende angelangt – ein (sehr) gutes, wenngleich auch nicht offenbarendes ist. Man sollte die Kirche schließlich im Dorf lassen.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Marcel Rapp