MIDNIGHT - Sakada
Mehr über Midnight
- Genre:
- Psychedelic Rock
- Label:
- Black Lotus
- Release:
- 25.04.2005
- Incubus
- Berber Trails
- Little Mary Sunshine
- Miss Katie
- War
- Pain
- Sakada
- Lost Boy
- Cat Song
Dass sich der Exzentriker Midnight mit seinem Soloalbum nach anderthalb Dekaden (fast) völliger Funkstille kaum würde an den umjubelten Frühwerken seiner ehemaligen Band CRIMSON GLORY orientieren wollen, war eigentlich von vornherein klar. Dass er seine alten Fans mit der Scheibe vor eine derart große Gedulds- und Bewährungsprobe stellen würde eher weniger. Vielleicht hätten die meisten mit etwas gerechnet, das mehr oder weniger an das sanftere "Strange & Beautiful" anknüpft, an dem die Prog-Metaller seinerzeit zerbrachen. Doch Midnight schert sich nicht um derlei Erwartungen und zieht mit "Sakada" einen gnadenlosen Egotrip durch, der von esoterisch und mystisch über psychedelisch bis hin zu psychotisch sämtliche Attribute verdient hat. Gut, ein reiner Alleingang ist es nicht, da Midnight sowohl bei der Umsetzung als auch beim Komponieren von diversen anderen Musikern unterstützt wurde. Gerade beim Songwriting spielten Schlagzeuger und Perkussionist Phil Anderson sowie Gitarrist Scott Gibson eine wichtige Rolle.
"Sakada" ist in erster Linie ein gefühlsbetonter, sehr emotionaler Trip durch Midnights Seelenleben, das der Sänger mit seiner vielseitigen und nach wie vor einzigartigen Stimme wunderbar bebildert. An progressiven Metal im eigentlichen Sinne erinnern allenfalls der schwere Opener 'Incubus', bei dem die E-Gitarre sehr präsent ist, und das recht harte und flotte 'War', das jedoch auch eine Menge spaciger HAWKWIND- und THE DOORS-Vibes versprüht und dazu auch ein paar Banjo- und Waschbrett-Klänge bereit hält. Hier werden auch alte CRIMSON GLORY-Fans ein bisschen was von dem wiederfinden, was sie einst so sehr an ihrer Lieblingsband geschätzt haben. Sehr schön ist auch das mit arabischer Folklore und entsprechender Instrumentierung aufwartende 'Berber Trails'. Hier hören wir Stammestrommeln, orientalische Zitherklänge und sehr schöne akustische Gitarrenarrangements, dazu sehr mystischen und märchenhaften Gesang von Midnight. Man fühlt sich förmlich in die Welt der arabischen Mythen versetzt. Zudem hören wir hier auch Midnights ehemaligen Bandkollegen Ben Jackson am Bass und Matte Wuolle an der Gitarre. 'Little Mary Sunshine' ist richtig schön freaky. Hier erzählt der Sänger eine mit wechselnden Gesangsstilen toll illustrierte bizarre Geschichte, welche die von Flangereffekten beladenen Gitarren noch bizarrer und schräger wirken lassen. Schöne Akustikgitarren mit sowohl ostasiatischen als auch iberisch und hellenisch anmutenden Melodielinien prägen 'Miss Katie', dessen entrückte und manchmal fast geisterhafte Gesangsdarbietung sehr beachtlich ist.
Mit 'Pain' kommt dann schon das nächste große Highlight, dessen rhythmische Gitarrenarbeit und der "schlappende" Bass wieder ganz andere Akzente setzen. Erneut super gesungen, irgendwie sehr entspannt und lässig mit einem leichten Western-Feeling. Das wird vom völlig genialen Titeltrack noch getoppt, der sich als unheimlich emotional gesungene Akustik-Ballade entpuppt, die durch die Flöten ein wenig an JETHRO TULL erinnert. Das sehr relaxte 'Lost Boy' hat mit seinen Slide-Guitar-Passagen eine starke Schlagseite gen Country und auch der abschließende 'Cat Song' demonstriert auf ähnliche Weise Midnights Vorliebe für Folk- und Western-Sounds.
Auf Anspieltipps verzichte ich, weil ich eigentlich alle Songs auf dieser Scheibe großartig finde und aufgrund ihrer vielfältigen stilistischen Ausrichtung eigentlich nichts wirklich repräsentativ ist. "Sakada" ist eine Scheibe mit sehr hohem künstlerischen Anspruch und sehr viel emotionalem Tiefgang, die man sich am besten am Stück und so konzentriert wie möglich anhört. Wenn ihr damit nicht beim ersten Durchlauf warm werdet, dann ist das keine Überraschung, sondern eigentlich logisch. Das Album entführt euch in eine fremde Welt, in Midnights eigenen Mikrokosmos, und dort müsst ihr euch erst mal zurecht finden. Bei mir ging es aber recht schnell, bis ich mich beim Hören des Albums zu Hause gefühlt habe. Doch auch wenn ich dieses sehr persönliche Meisterwerk wirklich gigantisch finde, will ich ehrlich mit euch sein: Was Midnight hier auf die Menschheit loslässt ist definitiv nicht jedermanns Geschmack und dürfte bei der großen Mehrheit der Metalfans auf relativ taube Ohren stoßen. Wer jedoch auf sehr emotionale, vielseitige, psychedelische und mitunter mächtig schräge Kunst ohne herkömmliche Klischees steht, der kommt an "Sakada" kaum vorbei. Für mich ist es jedenfalls eines der spannendsten und anspruchsvollsten Alben des Jahres.
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle