MINISTRY - Animositisomina
Mehr über Ministry
- Genre:
- Industrial
- Label:
- Sanctuary Records
- Release:
- 17.02.2003
- Animosity
- Unsung
- Piss
- Lockbox
- Broken
- The Light Pours Out Of Me
- Shove
- Impossible
- Stolen
- Leper
Der gravierenste Unterschied zwischen Rock und Pop ist die Halbwertszeit der Genreidole. Während in der Popmusik Sternchen schneller verglühen als man ihre Platten vermarkten kann, schaffen es im Rock immer wieder Bands, die von Presse und vielen Ex-Fans längst totgesagt sind, zurück auf die Bildfläche. Diese wieder auferstandenen Bands hauen entweder noch einmal kräftig in die Saiten, oder scheitern kläglich mit ihrem Neulingswerk.
MINISTRY galten lange als eine der Gruppen, die nach zwei Kultplatten in der Versenkung verschwinden. Die Chicagoer Band erschuf mit „The Mind Is A Terrible Thing To Taste“ und dem drei Jahre später erschienenem “Psalm 69“ zwei Alben, die auch weit außerhalb des Industrials mehr als nur Kultstatus errangen. Aus einer Synthie/DarkWave-Band wurde eine Ikone des Industrial-Metal, und die Band tourte durch jeden erdenklichen Erdteil, der Drahtzaun aus der „The Mind Is…“-Tour ist legendär.
Nach dem Release der beiden Platten war der Druck auf die Band enorm. Wie jedes gute und profitable Label wollte auch Warner Music einen Megaseller nach dem anderen. Und als sich der Erfolg mit „Filth Pig“ und „Dark Side Of The Spoon“ nicht wiederholte, geschah genau das mit dem jeder gerechnet hatte: Warner warfen MINISTRY raus und fortan durfte sich Sanctuary Records um die Amerikaner kümmern.
Dass ein Erfolg wie „Psalm 69“ schwer zu wiederholen war, ist verständlich, und schlecht waren die beiden Nachfolgealben auch nicht, nur eben "anders". Fronter Al Jourgensen laborierte weiterhin an seiner Drogensucht und so geriet „Dark Side Of The Spoon“ auch dementsprechend schwer und düster und nicht einmal halb so tanzbar wie die Vorgängeralben. Nach dem Split mit der Plattenfirma wurde es still um MINISTRY und etliche sahen das Ende der Band hinaufziehen. Selbst ein Deal mit Meisterregisseur Stephen Spielberg konnte die Band nicht wieder ans Tageslicht ziehen. Nach dem Prinzip „Wie du mir, so ich dir“ klampften Al und Paul „What About Us!“ zusammen und traten in Spielbergs „A.I. – Künstliche Intelligenz“ als Arenaanheizer auf, um bei ihrem nächsten Videodreh den King Of Hollywood auf dem Klappstuhl zu haben.
So überraschend und erfreulich Al Jourgensons Genesung von jeglichen Rauschmitteln ist, so beeindruckend ist „Animositisomina“. MINISTRY versuchen es noch einmal, retten nebenbei ein ganzes Genre vor der Bedeutungslosigkeit und ziehen mit einem Riesenfeuerwerk in ihren verlassenen Palast ein.
„Animositisomina“ knallt, und zwar gewaltig. Zwar ist das Album nicht so ohrwurmlastig wie die „Psalm 69“, aber auch genauso wenig schwer verdaulich wie die „Filth Pig“, ein perfekter Spagat zwischen technischer Raffinesse und kompositorischer Eigenständigkeit. Während der Band nach dem Klassiker, genauso wie Fronter Al, der Kopf fehlte und „Filth Pig“ oder „Dark Side Of The Spoon“ zu heftigen aber chaotischen Industrialkanonaden gerieten, avanciert das neue Album zu einem potentiellen Bestseller.
Grandios verzerrte Gitarrenriffs, krasse Synthiesounds und klassisches Drumspiel werden hier wieder bestmöglich zusammengemixt, und die verzerrte Stimme Jourgensons, die einem auf den beiden Vorgängeralben den letzten Nerv stahlen, begrenzt sich hier gottseidank auf den Opener. Zwar geht es auf dem neuen Album keineswegs aggressiv zu, jedoch fehlt es nie an der Power um nicht doch kräftig mit dem Kopf zu bangen. Lieder wie „Animositisomina“, „Unsung“ oder „Broken“ gehen schnell ins Ohr und nicht so schnell wieder raus.
Die ernste Thematik des Albums lässt sich schnell aus dem Titel und dem Cover lesen; hier dreht sich alles um Feindseligkeit gegenüber Andersdenkenden und Andersglaubenden.
Von Ohrwürmern wird auf dem Album Abstand genommen, so richtig tanzbar wird wieder kein einziger der insgesamt zehn Songs sein. Trotzdem hat der neue Longplayer alles was sich der treu gebliebene MINISTRY-Fan wünscht. Der Opener stellt den perfekten Nackenbrecher dar, „The Light Pours Out Of Me“ kommt ähnlich schrill durch die Box gedröhnt wie „Scare Crow“, und „Impossible“ erinnert mit seiner fast überlasteten Effekthascherei stark an „Never Believe“.
MINISTRYs Comeback ist famos, da man die Band aber IMMER mit den Kultalben belasten wird, ist auch hier nicht von einem neuen Killeralbum zu sprechen. Die Last von „Psalm 69“ wiegt zu schwer, als dass man sie mit mehr Effekten, weniger Drogen und klarerem Sound ablegen könnte.
„Animositisomina“ macht Spaß beim Hören, jedoch währt dieser Spaß nicht ewig, irgendwann braucht man eine Pause und legt das Album entnervt beiseite. Den Suchtfaktor, den man von den schon zu oft genannten Alben kennt, wird man auch hier nicht erleben, obwohl einige viel versprechende Songs dabei sind, die einem zeigen dass MINISTRY alles andere als tot sind.
„Animositisomina“ gibt einem die volle Dröhnung, lässt tanzbare Hits missen und macht trotzdem genug Spaß, um es nach kurzer Zeit akkustischer Erholung wieder in die Rotation zu schicken. Der letzte, rein instrumentale Song begeistert auf voller Länge und bildet einen schönen und passenden Abschluss für ein Album, das wieder einmal alle Aufmerksamkeit auf MINISTRY ziehen wird. DAS ist Industrial, Freunde.
Anspieltips: Unsung, Leper, Animosity
- Redakteur:
- Michael Kulueke