MIRADOR - The Azrael Tales
Mehr über Mirador
- Genre:
- Heavy Metal
- Label:
- Rivel Records / Megarock.se
- Release:
- 01.01.2005
- Redeemer
- Phoenix Syndrome
- No Loss Out
- Postbelievers
- Perfect Plan
- Soul Distortion
- The Trial
- Thief
- New Day
- Metropolis Metamorphosis
Lange hat es gedauert, bis die bereits Anfang der Neunziger gegründete schwedische Band nun ihr Debütalbum vorlegen konnte. Mit von der Partie sind nur noch zwei der Gründungsmitglieder, nämlich die beiden Vettern Jakob Forsberg (Gesang) und Erik Mjörnell (Gitarre), die auf vorliegendem Album von Sessiondrummer Olof Gardestrand verstärkt werden. Gitarrero Erik war zur Zeit der Bandgründung erst zehn Jahre alt, und damals ziemlicher STRYPER-Fan, so dass sich die Band zunächst zu deren Stil hingezogen fühlte. Im Laufe der Jahre wurden die Bandmitglieder jedoch älter, und ihr musikalisches Spektrum deutlich heavier. Über die BLACK SABBATH-Phase mit Tony Martin kam man in Kontakt mit dem epischen Doom Metal und Bands vom Schlage VENI DOMINE, CANDLEMASS und MEMENTO MORI. All dies kombinieren die Schweden mit vielfältigen Einflüssen und Elementen, die ich im progressiven Hardrock der Siebziger, dem epischen Heavy Metal der Achtziger und einigen wenigen modernen Elementen, wie etwa der Bridge des Openers 'Redeemer' sehen würde, die sehr stark an MARILYN MANSONs 'The Beautiful People' erinnert.
Aber keine Angst, ansonsten ist dieses Stück, wie auch der Rest des Albums, sehr klassisch metallisch ausgerichtet. Der teils hohe, immer sehr klare, aber niemals zu schrille Gesang von Jakob thront über epischen, ausladenden, aber dennoch vertrackten und komplexen Kompositionen, die sehr hohes technisches und kompositorisches Niveau beweisen. So sind zum Beispiel die tollen Leads bei 'Phoenix Syndrome' sehr beeindruckend, das Gleiche gilt für die Gesangsleistung und den sehr eingängigen Refrain. Jakob singt sehr melodisch und gefühlvoll, und erinnert in punkto Timbre und Phrasierung ein kleines bisschen an den bereits erwähnten Tony Martin, ohne nach einer Kopie zu klingen. Dazu sind die Refrains wie etwa bei 'No Loss Cut' mit starken Chören hinterlegt, zu denen bisweilen Keyboard-Arrangements treten, die nie das Werk der Gitarren in den Hintergrund drängen, aber den betreffenden Passagen dennoch einen sehr angenehmen Siebziger-Touch verleihen.
Die doomigere, heaviere Seite von MIRADOR unterstreicht das beeindruckende 'Postbelievers' mit seiner traurigen Melancholie, dem hier etwas mehr an Ronnie James Dio erinnernden Gesang, den mahnenden Backing-Chören und dem starken, kulminierenden Finale, das schließlich in einer akustischen Coda endet. Etwas moderner mutet der Anfang zu 'Perfect Plan' an, doch auch hier findet die Band in ein Bett aus klassischem Metal mit einem intensiven, epischen Refrain und sehr melodischem Gesang und lässt das Stück von Gastmusiker Kristian Niemann durch ein schönes Gitarrensolo veredeln. 'Soul Distortion' beginnt wie eine halbakustische Ballade, die nach etwa einem Viertel der Spielzeit in ein recht modernes Riff mündet, dem wiederum ein traditioneller, stampfender Teil folgt, der den starken Refrain mit fast kanonartigem Gesang einleitet. Von dezent orientalischen Einflüssen bei 'The Trial' und vielseitigen Stilelementen bei 'Thief' (kurze Falsett-Passagen und fast an die Gregorianik erinnernde, sphärische Chöre) reicht die Bandbreite der Band bis hin zum doomigen, phasenweise sehr melancholischen 'New Day' mit seiner starken Dramatik, die auf dem Höhepunkt ein sehr schönes Solo gebiert und von bemerkenswertem Gesang veredelt wird, der teils eine Menge von MEMENTO MORI zu haben scheint, ohne wirklich nach Messiah Marcolin zu klingen. Der Refrain ist hierbei allerdings völlig anders gelagert. Das Finale in Gestalt von 'Metropolis Metamorphosis' beginnt akustisch, mit leichten Folk-Anklängen, bevor ein hackendes Riff einsetzt, der Song sich kurz öffnet, um über eine kurze, akzentuiert gesprochene Überleitung in den sehr epischen Chorus zu münden. Danach schließt sich eine gewissermaßen psychedelische Passage an.
Manchmal sind die Kompositionen der Band ein wenig sperrig und brauchen lange, um sich richtig entfalten zu können. Nimmt man sich allerdings die Zeit, sich intensiv mit den Stücken zu befassen, werden sie sich sicher bald in ihrer ganzen Anmut entfalten. Dabei können die bei allen Liedern sehr gefälligen und eingängigen Refrains behilflich sein, die eigentlich recht schnell zünden. Danach erschließen sich dem Hörer auch die ganzen spielerischen Finessen und die vielen außergewöhnlichen Elemente, welche die Jungs von MIRADOR in ihr Werk eingebaut haben. Man kann über viele Durchläufe hinweg immer wieder neue Dinge entdecken, welche die Aufmerksamkeit fesseln. So ist "The Azrael Tales" sicher kein Album für Freunde des straighten Metals, der ohne Umschweife direkt auf den Punkt kommt. Eine leicht progressive Ader sollte man schon haben, um dieses Album genießen zu können. Außerdem sollte man offen sein für die getragene Epik des Doom, diesen aber auch nicht dogmatisch betrachten und auch Elemente aus dem Hardrock und dem melodischen Heavy Metal tolerieren können. Man sieht, Scheuklappenträger jeglicher Couleur dürften sich an dieser Scheibe die Zähne ausbeißen, alle anderen könnten durchaus begeistert sein, deshalb empfehle ich euch dringend, mal in die Samples unter http://www.mirador.info.se reinzuhören, wenn ihr euch von den angesprochenen Stilelementen angesprochen fühlt.
Anspieltipps: Phoenix Syndrome, Darkness Comes Closer, Postbelievers, Metropolis Metamorphosis
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle