MOTHER TONGUE - Streetlight
Mehr über Mother Tongue
- Genre:
- Bluesrock / Funkrock / Alternative
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Signs Of Life / Nois-O-Lution / Vielklang / Indigo
- Release:
- 02.04.2002
- Streetlight
- CRMBL
- He's The Man
- Future
- Nightbirds
- Trouble Came
- Tides
- Modern Man
- Casper
- Greed
- F.T.W.
- Nightmare
- Stars
MOTHER TONGUEs Psycho-Blues des Debütalbums hat sich nach acht Jahren zu hartem (Funk-)Rock verdichtet. <br />
Mit dem dicken Brocken 'CRMBL' fegen die Musiker von MOTHER TONGUE anno 2002 auf ihrem zweiten Album sämtliche Zweifel(??!) beiseite, sie könnten in den acht Jahren seit dem Debütalbum irgendetwas verlernt haben. Stücke wie 'He's The Man' und 'Future' bringen sogar eine - selbst bei dieser hart bluesenden und funkenden Band - bislang noch nicht gekannte Aggressivität im Sound der Kalifornier zum Vorschein.
Doch wer sich bisher eher an der leicht psychedelischen Note einiger MOTHER TONGUE-Stücke festgehalten hatte, muss sich vom hier ausgebauten harten Rock nicht schrecken lassen: 'Trouble Came' zeigt nachdrücklich auf, dass sie es immer noch drauf haben, ihren ureigenen düster-eingängigen Groove mit einer gewissen Coolness zu zelebrieren, die jenseits jeglicher - zweifelsohne auch vorhandenen - emotionalen Intensität der Darbietung liegt.
Sämtliche Trademarks zu vereinen, also Aggression, Groove, derbe Coolness und emotionale Sturmlage in einen (somit verdammt tighten!) Song zu packen, das ist MOTHER TONGUE mit 'Tides' gelungen: Hier krachen die Fluten wirklich haushoch über dem Hörer zusammen, bevor ihm die erste Atempause des Albums erst zur Mitte hin mit 'Modern Man' gegönnt wird. Dabei handelt es sich um eine jener verwaschenen, perkussiv aufgelockerten, melancholischen Bluesrockballaden, wie sie nur MOTHER TONGUE schreibt. Und die hat man sich nach all dieser Intensität auch verdient.
Anschließend wird thematisch an den Klassiker 'The Seed' ("Mother Tongue", 1994) angeknüpft, indem diesmal in 'Casper' nicht eine Obdachlose sondern ein junger Gangbanger besungen wird; eine verlorene Seele auch er, eine Seele, die im apokalyptischen Gitarrennebel geisterhaft durch die metallisch übersteuerten Cymbal-Crashs zu irren scheint, während uns das Mantra des Songs eindringlich die Zeilen ins Hirn hämmert "Everybody knows somebody that should be alive".
Dann wird im hart groovenden Funkrockstil die Gier besungen ('Greed'), eine Absage an die Lebensentwürfe der Mehrheitsgesellschaft erteilt ('F.T.W.'), oder es werden Fluchtversuche vor den Alpträumen des Lebens als zum Scheitern verurteilt entlarvt ('Nightmares'). "No man is holy until he bleeds", verkündet die MOTHER TONGUE ihre düstere Botschaft. Die hoffnungsvollen Momente, die auf dem Debüt noch nahezu immer durchschienen, sind hier rarer gesät oder gleich ganz in den Untergrund gegangen. Das kurze, instrumentale 'Nightbirds' mag trotz der im Vordergrund heulenden Sirenen mit ein wenig Phantasie ein solcher Moment sein, und natürlich auch die wunderschöne Ballade 'Stars'.
Dass Letztere sich dabei um die Anderen, die "Reichen und Schönen", dreht; dass, wenn vom Glück die Rede, dies mithin also bloß in Form von Träumen und Projektionen der Fall ist; das erscheint mir im Kontext dieses Albums nur konsequent: Unsere Träume sind vom nächsten Wind schon rasch zerstobene Schäume, derweil lebende Nachtmahre die schmutzigen Straßen bevölkern, und deren einziger Lichtblick entpuppt sich mitunter als elektrifiziertes "Streetlight"...
Doch immerhin! Dieses "Streetlight" hat Klasse und Format. Sein Lichtkegel bietet - trotz des Fehlens einer nur in dem Hungern danach anwesenden menschlichen Wärme - dem Hörer doch dies: zu Rock formierte Härte, derben Funk, und auch eine gewissermaßen industrialisierte, großstädtische Form des Blues. Wenn MOTHER TONGUE als Alternative Rock bezeichnet wird, so sollte man sich dessen bewusst sein, dass damit in diesem Falle tatsächlich eine echte Alternative zum voretikettierten Instant-Alternative-Brei mit beiliegendem Vorstadtrebellenbutton im Dreierpack gemeint ist.
Anspieltipps: CRMBL, Future, Trouble Came, Tides, Modern Man, Greed, Stars.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Eike Schmitz