MOTöRHEAD - 1916
Mehr über Motörhead
- Genre:
- Heavy Rock / Metal
- Label:
- Epic / Sony
- Release:
- 26.02.1991
- The One To Sing The Blues
- I'm So Bad (Baby I Don't Care)
- No Voices In The Sky
- Going To Brazil
- Nightmare / The Dreamtime
- Love Me Forever
- Angel City
- Make My Day
- R.A.M.O.N.E.S.
- Shut You Down
- 1916
Wie ihr ja alle wissen dürftet, feiert die lebende Legende MOTÖRHEAD dieses Jahr ihr dreißigstes Wiegenfest, und Hardrocker, Metaller und Punks feiern gleichermaßen mit, so dass wir uns die müßige Streiterei sparen können, wo wir Lemmy & Co. stilistisch denn nun schubladisieren sollen. Stattdessen hab ich mir vorgenommen, euch das retrospektiv beste Album der Briten vorzustellen. Doch welches ist das beste? Schwer zu sagen, wenn man auf eine Geschichte von achtzehn Studioalben zurückblickt, von denen keines wirklich schwach und die meisten gar richtig stark sind. Also läuft es mal wieder darauf hinaus, dass ich letzten Endes doch ganz subjektiv über mein persönliches Lieblingsalbum berichten werde: "1916".
Als das Album mit dem eindrucksvollen Frontgemälde zur Thematik des Ersten Weltkrieges im Jahre 1991 erschien, war ich fast sechzehn Jahre alt. Genau so alt wie die Band, die ich damals eigentlich nur vom Hörensagen und von 'Ace Of Spades' her kannte. Doch dieses Album musste ich haben. Ich habe den Kauf auch keine Sekunde lang bereut und mir wenig später sogar das entsprechende Hemdchen in der damals schon knappen Größe M zugelegt. Allerdings mag ich "1916" nicht nur deswegen so unheimlich gerne, weil es mein Erstkontakt mit den räudigen britischen Raubeinen war, sondern in erster Linie deshalb, weil das Album von der ersten bis zur letzten Note einschlägt wie eine Bombe. Hier gibt es kein einziges Stück, das auch nur ansatzweise nach einem Füller riechen würde. Das Ding ist bis zum Anschlag mit Klassikern vollgestopft und dabei auch noch eines der abwechslungsreichsten MOTÖRHEAD-Alben überhaupt.
Der bluesige Opener 'The One To Sing The Blues' ist was ganz Spezielles und das dreckige, bösartige 'I'm So Bad (Baby I Don't Care)' gilt noch heute als essenzieller Livestandard der Band. Das sehr melodische und unheimlich dynamische 'No Voices In The Sky' ist einer der eingängisten Überflieger der Bandhistorie und bis dato mein absoluter Lieblingssong von MOTÖRHEAD. Mit 'Going To Brazil' gibt's Rock 'n' Roll und Boogie satt, bevor 'Nightmare / The Dreamtime' Lemmy und seine Jungs von ihrer finstersten Seite zeigt. Danach kommt mit 'Love Me Forever' eine der emotionalsten und melancholischsten Balladen der Rockgeschichte zum Zuge, mit der Lemmy beweist, dass er der wahre Balladenkönig der Szene ist. Dazu gibt's ein absolut überirdisches Gitarrensolo, bevor sich die Band mit 'Angel City' wieder einem bluesigen Rock-'n'-Roller widmet. Es folgt die typische MOTÖRHEAD-Dampfwalze 'Make My Day' mit ihrem starken Refrain und die ultimative Verneigung vor Amerikas größter Punkrocklegende. 'R.A.M.O.N.E.S.' ist ein kurzer, ultraschneller Punkrock-Smasher erster Güte und im Übrigen kein Cover. Vielmehr ist es umgekehrt: Die RAMONES haben einige Jahre später diesen MOTÖRHEAD-Song gecovert.
Beim erneut heftigen und urtypischen Rocker 'Shut You Down' können wir dann noch mal durchatmen, bevor mit dem Titelstück der ungewöhnlichste Moment des Schaffens der Band anbricht. '1916' ist musikalisch von melancholischen Celloklängen und einem getragenen militärischen Trommelrhythmus geprägt, zu denen Lemmy mit tieftrauriger Stimme die Geschichte zweier sechzehnjähriger Freunde erzählt, die sich 1916 freiwillig für den Einsatz im Ersten Weltkrieg meldeten und in den Schützengräben der Front elend zugrunde gehen. Für mich die beste und authentischste Antikriegshymne, die ich jemals gehört habe und bei der ich noch heute fast jedes Mal mit der Träne im Knopfloch kämpfen muss, wenn ich sie mir intensiv anhöre. Emotionaler und authentischer kann man die Grausamkeit des Krieges nicht darstellen. Das ist wirklich große Kunst mit einer wichtigen Aussage.
Ihr seht, ich bin von "1916" auch nach bald fünfzehn Jahren noch immer so begeistert wie am ersten Tag und ich bin mir sicher, dass diese Euphorie auch nicht mehr nachlassen wird. Wer auch nur ein kleines bisschen was für MOTÖRHEAD übrig hat und dieses Album noch nicht kennt, sollte keine Zeit verlieren und schleunigst diese klaffende Lücke in seiner Sammlung schließen.
Anspieltipps: Das ganze Album von vorne bis hinten und wieder zurück.
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle