MY SILENT WAKE - A Garland Of Tears
Mehr über My Silent Wake
- Genre:
- Doom Metal/ Death Metal
- Label:
- Bombworks Records
- Release:
- 19.12.2008
- Tunnels
- Cruel Grey Skies
- Pendulum
- By My Own Hand
- Fall Of The Flightless
- Fallen Leaves
- Wilderness Of Thorns
<strong>Wer glaubt Doom Metal sei lahm und unzeitgemäß möge sich doch bitte von MY SILENT WAKE eines besseren belehren lassen! Im Falle nämlich, dass sich der geneigte – hoffentlich doch mit wenig Scheuklappen versehene – Liebhaber harter Klänge einmal dazu herablässt den Mantel der Faster-Harder-Louder-Philosophie für wenigstens eine Stunde abzulegen, wird dieser teuer belohnt: mit einer Einladung in einem Traumland mit erhöhter Gravitation spazieren zu gehen.<br /></strong>
Das Wort emotional ist ja bekanntermaßen in der Zeit des über Mundpropaganda weit verbreiteten Phänomens „Emo“ leider mehr als vorbelastet, aber das, was sich da gerade wie eine aus antiken Sagen singende Sirene in mein Ohr schleicht, ist einfach nur gefühlvoll heavy, emotional bis aufs letzte Quäntchen – ohne kitschig, emomäßig, trendy oder anbiedernd zu sein. "A Garland Of Tears" von MY SILENT WAKE heißt das schmucke Stück. Und wie kategorisieren wir die Musik am besten? Eine einfache Frage, denn im Grunde genommen gibt es nur eine Stahllegierung, der soviel Eindringlichkeit und Einfühlsamkeit in der Spielweise innewohnt: dem Doom Metal. Unpopulär und bisweilen verkannt ist er aufgrund seiner konsequenten Askese, technischen Enthaltsamkeit, die zum Dreh- und Angelpunkt eine Tiefenmeditation der Langsamkeit hat. Der Doom übt mönchsartig Verzicht auf Schnelligkeit, synchron gespielte Knüppelrhythmen und schreddernde E-Saiten-Kloppereien, sowie alle Skalen dieser Welt in wenige Sekunden herunterspielende egogitarristische Selbstherrlichkeiten. Und obgleich die ursprünglichen Begründer des Heavy Metal BLACK SABBATH eher doomig, denn opernhaft oder lichtgeschwindigkeitsartig klangen, hat das Streben nach Speed mittlerweile alles Archaische in den Boden gestampft und den Kosmos harter Klänge vollends erobert. Und aus eben diesem Grund haben die Untergangsprediger es eindeutig schwerer als „die anderen“ (die bekanntlich ja die Hölle sind) und das schon seit langer Zeit. Aber hinwiederum – auf der einen Seite haben sie es schwer und auf der anderen Seite sind sie schwer, voller Schwere und Fülle, „real heavy“ sozusagen. Der Doom Metal bringt uns zu dem zurück, was heute nicht mehr existiert: Die Hoffnungslosigkeit und Düsterheit der Post-Hippie-Ära, in welcher alles libidinös verklärte Jugendlich-Wilde in ein Modell des Sich-nicht-weiter-befreien-Könnens umgemünzt wurde; Themen sind melancholisch-dichterisches Betrübtsein, die schier unerträgliche Last des weltlichen Lebens, die festgefahrene Trauer mit dem Wunsch auf Besserung, die verzweifelte Suche nach Erfüllung und Glück im seelischen Scherbenhaufen, ein jahrelang erwartetes Licht, das sich am Ende des Tunnels doch noch auftut (gerade dann, wenn man am letzten spröde zerriebenen Faden der Existenz hängt) und zu guter letzt die Hilfe und Seelsorge, die man sich von einer transzendentalen Instanz wie Gott wünscht… Er entfaltet behutsam und vorsichtig seine Töne, um den Hörer in seinen Bann zu ziehen, ja ihn zu verhexen.
MY SILENT WAKE ist so eine vergilsche Nachfolgemannschaft dieser Tradition. Und obwohl neben dem Hauptbestandteil Doom, auch Death und in bescheidenem, regelrecht zurückhaltendem Maße auch Gothic und Folk als kleine Geschwister in der Stube zu entdecken sind, ist das Weiterspinnen blacksabbathscher Markenkultur jede Sekunde spürbar. Werfen wir einen Blick auf das schwarzseherische Ungetüm. Die einzelnen Stücke mag man vielmehr poetisch-metaphorisch umschreiben, in Bildern „transponieren“, um einen Eindruck von der Platte zu geben, statt, dass man sich ihrer exegetisch-kommentierend annimmt (Vergleiche zu MY DYING BRIDE und alte PARADISE LOST mag der eingefleischte Anhänger wohl ziehen, doch reicht dieser noch lange nicht aus, um der Musik der Stillwachenden näher zu kommen).
'Tunnels'. So heißt die tunnelartige Reise zum Beginn des ikonoklastischen Feuerwerks. Vor uns türmt sich ein heulender Abgrund auf, der einlädt in die Tiefe und Schwergewichtigkeit des Seins einzutauchen, sich im nassen, von saurem Regen geschwängerten Dunkeln zu verbergen, in besagter Dunkelheit seine geheimen, von anderen unerkannten oder verkannten Träume auszuleben, sich ihrer Realisierung fanatisch sicher zu sein – ganz gleich wie viel Zeitalter es dauern mag. Aus diesem höchst persönlichen, ja fast schon autistischen Finstersein steigt man, so wie der befreite Sklave aus dem platonischen Höhlengleichnis in die Welt des Lichts hinauf, doch erwartet diesem Aufgestiegenen, keine Welt der dinglichen Schönheit, sondern eine von „grausam grauen“ Wolken verwüstete Ödnis, die ein Abbild seiner alles in den Schatten stellenden Leere – und damit einhergehend dem Wunsch nach gefäßgerechter Füllung – darstellt. Sein gequältes Fleisch umarmt die aus kleinsten Überresten bestehende Fruchtbarkeit des verletzten Bodens. Im Boden sucht er nach Ruhe und verfällt einem tiefen, mehrere Tage währenden Schlaf. Aus 'Cruel Grey Skies' wird 'Pendulum', einem flötenden, fröhlich musizierenden pendelnden Beruhigungsmittel, das selbst den Abgehärmtesten unter den Abgehärmten ins Reich der Träume entsendet. Unser Protagonist träumt von seiner Geliebten, wie sich seiner gemahnt, aufzehrend lebensechte Schatten… Von weitem ruft behutsam das Erwachen, unser zu Fall gekommener, eingeschlafener Recke richtet sich auf, um der buddhistisch versprochenen, karmischen Erlösung entgegenzufiebern; durch seine eigene Hand, 'By My Own Hand'. Doch vergeblich: Er steht vor einem friedrichschem Abgrund, vor einem dicken, undurchsichtigen, das Unendliche tangierenden Nebelmeer. Vom Punkt der „Nimmerwiederkehr“ macht er sich auf den Fall der Fluglosen ('Fall Of The Flightless') zu ergründen, Tränen des Erbarmens vergießend und durch die nunmehr aufsteigende Sonne geblendet. Vergeblich bettelt er um Hilfe, ersucht in dem Fallen der Blätter ('Fallen Leaves') das Mysterium des Hier und Jetzt zu ergründen. Aber auch das gelingt ihm nicht. Das Tote in und an seinem Leben wird ihm immer bewusster. Verdammt ist er durch seine von Suchtkrankheit sensibilisierten Zellen das sich mehrende Leid seiner Seele und die daraus sich ergebende Agonie zu tragen. Er atmet das Feuer im wilden Gestrüpp gigantischer Dornen… und versucht trotz aller Aussichtlosigkeit weiter zu hoffen, zu hoffen auf die Heilung einer Krankheit.
MY SILENT WAKE… das ist Albert Camus, Novalis, Franz Kafka und Buddha in musikalischer Gestalt; eine fast schon symphonische Dichtung: malerisch und vereinnahmend. Aber Vorsicht sei dem zart besaiteten Konsumenten geboten, er könnte nämlich sich in die Gefahr einer Dauerhypnose begeben…
- Redakteur:
- Markus Sievers