NARZISS - Echo
Mehr über Narziss
- Genre:
- Metalcore
- Label:
- Redfield Records
- Release:
- 20.02.2009
- Tränen
- Hoffnungslos
- Der achte Tag der Woche
- Ita Est
- Mein neues Leben
- Beschlagene Gedanken
- Rätsel
- Gewalt der Worte
- Mein brennend Herz
- Asche
- Perfektion
Ein narzisstisches Hartwurstprodukt goes gen Hollywood. NARZISS wissen mit Querverweisen zu AT THE GATES und deutscher Trümmerliteratur zu verzaubern.
Ob Metalcore dafür geeignet ist, mit deutscher Gegenwartslyrik einen Bund einzugehen, sollte weniger in Frage gestellt werden, denn sicherlich ist nur eine gewisse narzisstische und kulturnihilistische Ablehnung nötig, um den Meistern, Normensetzern, Klauselfanatikern und „Nivellierern“ von Realität mal kräftig ins Gesicht zu spucken – nachher vielleicht noch als Fährenpfand einen fetten Rotzer auf deren Grab. Wer weiß? Mit stillem Protest muss vorangeschritten werden, so wie auch schon Nietzsche sagte, dass die größten Stunden unseres Lebens unsere stillsten seien – auch wenn die von NARZISS entworfene Version des Metalcore schon einiges an Lautstärke benötigt, um ihr wesenimmanentes Aroma voll entfalten zu können.
Die „Narzissten“ begründen seit ihrem umtriebigen Schalten und Walten zu Beginn des neuen Millenniums von Album zu Album eine Ausnahmestellung in der deutschen New-Wave-Metal-Landschaft. Stammt der Rhythmus und Drive dieser Band mehr aus dem Hardcore- und Punk-Bereich, so sind die Riffsalven mehr NWoBHM-mäßig als irgendwas anderes, was die Etikettierung Metalcore in der Bundesrepublik für sich beanspruchen darf. Ein Song wie 'Perfektion' aus dem hier vorliegenden Hartwurstprodukt "Echo" klingt zudem weitaus mehr nach AT THE GATES als viele Songs einschlägig bekannter Pioniere, welche sich ohne Gnade gezwungen sehen, jene Göteborg-Sound-Entwickler unbedingt als Hauptinspirationsquelle anführen zu müssen.
Vielleicht sind auch gerade diese Doppelleads und Melodic-Metal-Aushilfen und nicht so sehr die stumpfen Zwei-Akkorde-Repetitionen des Irokesen- und Working-Class-Rock (dienen diese doch besser der Monotonie breiig hustender Hasstiraden) nötig, um die gewünschte Emotionalität aufkeimen zu lassen, die den individualexistenziellen und der Gesellschaftskritik des Herzens gewidmeten Themen die nötige Atemluft schenken.
Auffallend unprätentiös, aber nichtsdestoweniger subtil und von intuitiv-lyrischem Verständnis ist überdies das textliche Grundgerüst. Hier findet sich ausgereifte, konzentrierte und stilistisch sehr an die Trümmerliteratur der frühen 50iger (oder eben auch an die Poesie des sozialistischen Realismus) gemahnende Alltagsdichtung von kontemplativem Charakter. Kurzum: Man denkt über seine Umwelt nach, erlebt und durchleuchtet seinen Alltag hinterfragt jenen und kommt dadurch wiederum zu sich selbst. „Gerne würde ich wissen, welches der richtige Weg ist./ Ständige Entscheidungen türmen sich auf zum Berg der Verstrickung./ Ich komme mir verborgen vor, passend und unpassend zu gleich./ Immer angepasst an das, was geschehen ist. Das Umfeld prägt./ Die Umwelt prägt – willkommen im Leben. Und über mir der Himmel – unendlich klar, unendlich weit./ Ich bin alles und nichts, im Angesicht der Ewigkeit./ Der Erfolg gibt dir Recht. So wies man mir den Weg. So lernen es alle./ Wer daran zweifelt, schwebt schon über dem Abgrund./ Aber wer weiß denn schon, was Erfolg ist?“, heißt es bei 'Ita Est'. Allgemeinverständlich und ungekünstelt ohne dabei pöbelhaft zu wirken, kann man Gesellschaftskritik kaum besser verpacken. Zwar lassen sich kleinere Käselöcher innerhalb der Arrangements ausmachen, doch sind diese im Vergleich zu altem Deutschpunk oder abgebrauchtem Betäubungs-Hardcore um Meilen schicklicher und hochwertiger. Als unpassend und etwas kitschig empfinde ich lediglich die filmkompositorische Intervention von Patrick M. Schmitz. Klingt irgendwie so, als wäre man im falschen Film (im wahrsten Sinne des Wortes) wenn 'Mein brennend Herz' aus den Boxen bummelt und danach eine schwebende Groove-Nummer wie 'Asche' im Anschluss losdüst. Schade. Wäre man auch in diesem Punkt trümmerliterarisch treu geblieben und hätte der Kritik der Affekte Tribut gezollt, wäre das Echo dieser Produktion ein rundes und homogenes. Den Hörgenuss kann man nichtsdestoweniger ohne weiteres optimieren, indem man besagte Hollywood-Breitwand-Künsteleien einfach von der Tracklist streicht. Narzisstisch ist das auf alle Fälle, denn aus Selbstliebe würde man niemals etwas dulden, das ein Spiegelbild im Wasser verzerrt. Das Bild muss glatt und geschmeidig sein. So war’s auch für Narziss und sollte es auch für NARZISS sein.
Zum Schluss noch folgende Anspieltipps: 'Tränen', 'Mein neues Leben', 'Perfektion'
- Redakteur:
- Markus Sievers