NASTY SAVAGE - Jeopardy Room
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/24
Mehr über Nasty Savage
- Genre:
- US Techno Thrash
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- FHM Records
- Release:
- 10.10.2024
- Invocations
- Jeopardy Room
- Brain Washer
- Southern Fried Homicide
- Witches Sabbath
- Schizoid Platform
- Aztec Elegance
- Operation Annihilate
- Blood Syndicate
- The 6th Finger
- Sainted Devil
Das Warten hat ein Ende! Noch immer ist es anspruchsvoll, blutig und heavy.
Zwei lange Dekaden sind verstrichen seit uns die Florida-Legende NASTY SAVAGE mit "Psycho Psycho" ein Lebenszeichen serviert hat. Obwohl sich die Band um Front-Wrestler und TV-Set-Zerstörer Ron Galetti in der Zwischenzeit immer in einem Art Schwebezustand befand, gab es immer wieder Festival-Auftritte. Seit einiger Zeit gibt es allerdings sehr konkrete Ankündigungen für ein neues Album, welches nun auf FHM-Records erscheint. Das Label ist eine logische Wahl, hat man sich doch ein bisschen auf Bands aus Florida fokussiert, was vielleicht daran liegt, dass man das Label mit den Reunion-Veröffentlichungen von SIREN gestartet hat. Aber diese Randnotizen sollen nicht vom eigentlichen Fokus dieses Reviews ablenken: "Jeopardy Room" von NASTY SAVAGE.
Schaut man als Fan der Band auf die Besetzung, so legt sich erstmal die Stirn etwas in Falten, denn außer Nasty Ronnie ist kein Original-Mitglied mehr an Bord. Gitarrist David Austin hat im Jahr 2022 die Band verlassen und seither musiziert Ronnie mit einer neuen Band. So etwas kann auch voll in die Hose gehen, wie andere Reunions dieser Art belegen. Schaut man aber genauer hin, stellt man schnell fest, dass Mister Galetti sehr viel Wert auf seine Wurzeln legt und wir es hier nicht mit einem Schnellschuss zu tun haben. Es beginnt bereits beim Artwork. Hier hat man die Familie des alten Freundes VanDercar kontaktiert, der die fantastischen Cover für 'Indulgence', 'Abstrakt Reality' und 'Penetration Point' gemalt hat. So ist erneut eine Ummantelung entstanden, die sofort Erinnerungen an die guten alten Tage weckt. Der nächste Mosaikstein zu den Wurzeln ist der Umstand, dass Ur-Bassist Fred Dregischan das Intro 'Invocations' geschrieben hat. Desweiteren hat man mit den Tardy-Brüdern (OBITUARY) zwei prominente Gäste für einen sehr speziellen Song aufs Album geholt, die bereits vor ihrer Zeit beim Death-Metal-Urgestein riesengroße Fans von NASTY SAVAGE waren. Dies lässt sich sehr gut durch ihre Hommage im Video 'Ten Thousand Ways To Die' nachsehen, in welchem die Band ein NASTY-SAVAGE-Konzert besucht. Der letzte nicht ganz so kleine Baustein zum Glück ist die Wahl des Studios, denn aufgenommen wurde im legendären Morrissound von Jim Morris.
Damit wären nun alle Fakten erläutert und die musikalische Achterbahnfahrt kann endlich beginnen. Eine gute Dreiviertelsunde später bin ich etwas schlauer. Ich kann an dieser Stelle schon mal Entwarnung geben, denn musikalisch bekommen wir NASTY-SAVAGE-Musik geboten, die aber trotz der unverkennbaren Trademarks etwas anders klingt als man es gewohnt ist. Eigentlich ist das keine riesengroße Überraschung, denn die beiden Hauptsongwriter Ben Meyer und David Austin sind nicht an Bord. Diese Information verinnerlicht, finde ich es sehr erstaunlich, wie sehr man anno 2024 nach NASTY SAVAGE klingt. Auch wenn man immer noch mit herrlichen Twists um die Ecke kommt, wirken die Songs gradliniger und auch etwas kompakter als auf früheren Alben. Müsste ich hier eine stilistische Einordnung vornehmen, wäre diese irgendwo zwischen dem Debüt und "Psycho Psycho". Die völlige Abgedrehtheit von "Indulgence" oder "Penetration Point" ist einer melodischeren Ruppigkeit gewichen. Dazu kommt das zeitgemäße Klangbild von Jim Morris, der verscheuklappten Ohren sicherlich zu ballerig sein wird. Für mich ist das hier gerade noch im vertretbaren Rahmen und bei der gebotenen Qualität auch gut zu verdauen. Denn was die beiden Gitarristen Dave Orman und Pete Sykes hier abliefern, ist wirklich extrem klasse. Neben messerscharfen Riffs, die obendrein auch noch mit widerlichen Ohrwurm-Haken ausgestattet sind, solieren die beiden an allen möglichen und unmöglichen Stellen mal eben kurz dazwischen. Dabei gibt es derartig melodische Notenfolgen zu hören, dass man auch Tage später noch eben jene mit einem Pfeifen auf den Lippen nachspielt. Im Hintergrund krachen uns James Coker am Schlagzeug und Kyle Sokol am Bass die wunderbar vertrackten Rhythmen um die Ohren, die aber aufs erste Hören teilweise sehr brachial und beinahe gradlinig wirken. Bei genauerer Verköstigung stelle ich aber schnell fest, dass die Herrschaften stellenweise extrem krasse Breaks am Start haben. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Kyle erst kurz vor den Aufnahmen zur Band gestoßen ist und er hier teilweise Lead-Bass spielt, muss ich meinen imaginären Hut vor dieser Leistung ziehen. Das als Vorabvideo ausgekoppelte 'Brain Washer' ist in dieser Hinsicht das eine Ende der Extreme auf diesem Album, denn hier ballert das Schlagzeug in bester Death-Metal-Manier alles in Grund und Boden während die Gitarren melodische Kontrapunkte setzen.
Mit ähnlicher Wucht und ebensolchem Tempo fegt 'Operation Annihilate' über mich hinweg und hinterlässt einen gesplitterten Adrenalinspiegel. Was für eine rabiate Riff-Orgie! Die klug eingebauten Gang-Shouts sorgen unwillkürlich für geballte Fäuste unterm Kopfhörer. Aber die Herrschaften können auch ganz anders. So kommt 'Southern Fried Homicide' mit mächtigen Grooves, einem schaurigen Chor und sehr coolem Riffing um die Ecke. Ronnie klingt hier wunderbar angepisst und ich ahne jetzt schon, dass dies ein absoluter Livekracher werden wird. Ähnlich verhält es sich im wunderbar brachialen 'Schizoid Platform', in welchem Nasty Ronnie mal wieder mit bizarrer Lyrik begeistert.
Meine beiden absoluten Highlights dieser wirklich großartigen Scheiben heißen aber 'Aztec Elegance' und (natürlich!) 'Witches Sabbath'. 'Aztec Elegance' schleicht sich flüsternd aus den Boxen, nur um dann in einen Riffrausch zu verfallen, der mich unbändig in seinen Strudel zieht. Das ist eine Nummer, die auch eine erstklassige Figur auf "Indulgence" abgegeben hätte. Bei 'Witches Sabbath' handelt es sich natürlich um eine Nummer vom legendären "Wage Of Mayhem"-Demo, die bisher noch nicht erneut verwurstet wurde. Der Einfluss von MERCYFUL FATE ist hier natürlich klar erkennbar und der originelle Einsatz der schiefen Orgel unterstützt dies sogar noch. Hier sitzt Mister Tardy an den Drums und sein Bruder teilt sich mit Ronnie die Vocals, was natürlich ganz toll klingt. Hier gurgeln die Gitarren herrlich wütend und alle Ohrwürmer der Hölle schwappen aus den Boxen. Diese Nummer ist auch 40 Jahre später noch ein absolutes Monster!
Jetzt ist dieses Review doch etwas länger ausgefallen, aber bei manchen Bands muss man einfach etwas ausführlicher schreiben. Meine anfängliche Skepsis ist hier schnell in Begeisterung umgeschlagen und ich kann hier nur schreiben, dass hier ein absolutes Killer-Album entstanden ist. Trotz komplett getauschtem Lineup ist der Band das quasi Unmögliche gelungen: Ein Album zu erschaffen, das sich exzellent in die bisherige Diskographie der Band einfügt. Ja, Ronnie singt nicht mehr ganz so hoch wie damals, aber er hat noch immer diesen Wahnsinn in seiner Stimme und er klingt unverkennbar nach Nasty Ronnie. Das ist mir Tausend Mal lieber als ein krampfhafter Versuch, Tonhöhen zu erklimmen, die nicht mehr funktionieren.
Sahneteil!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Holger Andrae