NATTSOL - Stemning
Auch im Soundcheck: Soundcheck 06/2010
Mehr über Nattsol
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Lupus Lounge / Prophecy / Soulfood
- Release:
- 11.06.2010
- Ved Aas I Haustmoerket
- Ved Baal I Kveldstime
- Ved Skog I Natterstid
- Ved Fjaell I Vinterblaest
- Ved Elv I Eismal Stund
- Ved Hav I Avdagsleitet
Ein wunderschönes Geschenk für all jene, die von der Mitternachtssonne träumen, die im Fjord versinkt.
Heidnisch oder naturmystisch angehauchter Black Metal ist in seinem einstigen Mutterland, dem zerklüfteten Norwegen, ein wenig außer Mode gekommen. Nur noch wenige Bands halten diese Fahne hoch, während sich viele andere musikalisch weit von dem weg entwickelt haben, was sie Mitte der Neunziger aus der Wiege gehoben haben. Nun taucht im westnorwegischen Ålesund wie aus dem nichts eine Band auf, die auf den Namen NÀTTSÒL hört und sich auf sehr hingebungsvolle Weise an dieses Genre heran wagt, das man entweder würdevoll anpacken oder besser gleich bleiben lassen sollte, weil es sonst schnell peinlich werden kann.
Nun, ihr werdet es euch nach dieser Einleitung bereits denken können, dass ich NÀTTSÒL attestieren werde, dass ihnen ihr Unterfangen gelingt. Denn mit viel tiefgründiger Anmut gelingt es dem Sextett um Vordenker Erlend Antonsen, der für die Kompositionen und die im dem Nynorsk nahestehenden fjordnorwegischen Idiom verfassten Texte, für die akustischen Gitarren und für den Bass verantwortlich zeichnet. Die durchwegs sehr ausladenden, wohl durchdachten aber nicht verkopften, sondern stets emotional ergreifenden Stücke sind allesamt vielseitig arrangiert und weisen viele Facetten auf, was sich insbesondere im variantenreichen Gesang niederschlägt. Schreihals Venomenon ist für das Keifen, Zetern und Knurren zuständig und deckt dabei allerlei Stilistiken des extremmetallischen Gesangsspektrums ab. Er erinnert hier an Grutle Kjellson, da an Varg Vikernes und dort an Satyr Wongraven. Dazu kommen die klaren Stimmen von Gustav Jørgen Pedersen und von Anette Gulbrandsen, die manche vielleicht noch von MANDYLION kennen, die einst zwei schöne, an THE GATHERING gemahnende Demo-CDs veröffentlichten.
Um entsprechenden Befürchtungen vorzubeugen: Nein, die Hinzunahme der klaren Stimmen führt nicht dazu, dass unsere Kameraden aus dem Bezirk Møre og Romsdal der Volkstümelei, der Schunkelei und der bierseligen Einfalt verfielen. Die Musik ist ernsthaft, stets schwarzmetallisch und intensiv. Folkloristischen Passagen werden zwar wohl dosiert und effektiv eingewoben, aber gerade nicht plakativ und tanzbar, sondern mehr im Sinne der Stimmungen von Bands wie ULVER, TENHI oder WARDRUNA. Nicht, dass sich die Herren von NÀTTSÒL an der letzteren Instrumentarium bedienen würden oder den Metal ähnlich weit in den Hintergrund fallen ließen. Es ist vielmehr so, dass in den ruhigen Momente die akustische Gitarre ausgepackt wird, sich Erlend an den Steg am Fjord setzt und Gustav dazu eine melancholische Weise über die Schönheit des Abends anstimmt. Wer sich an ULVERs "Kveldssanger" erinnert, der weiß, wovon ich spreche. Doch auch dieser Vergleich hinkt natürlich, denn wie bereits angedeutet, ist das Elemente Black Metal omnipräsent. Hart, aber nicht räudig; melancholisch, aber nicht depressiv; anmutig, aber nicht bombastisch; grimmig, aber nicht hysterisch. Und auch in dem metallischen Phasen kommt es vor, dass klar gesungen wird, solo oder im dezenten Chor. Das abschließende akustische Stück singt Anette im Alleingang.
So können wir nun auch zum Fazit schreiten, denn es dürfte wenig bringen, euch die sechs stimmungsbetonten Stücke einzeln vorzustellen, entfalten sie doch nur als Ganzes am Stück genossen ihre volle Wirkung. "Stemning", was auf Deutsch natürlich nichts anderes als "Stimmung" bedeutet, ist ein wunderschönes, tiefgründiges, romantischen Album ohne Kitsch und Klischee. Man kann wunderbar darin versinken und muss aufpassen, dass man wieder erwacht. Ihr liebt Norwegen, ihr liebt die Natur, ihr spürt die melancholische Seite der nordischen Folklore in eurer Seele und ihr habt eure musikalischen Vorlieben bei den ersten beiden Alben ULVERs, der dunklen Stimmung TENHIs, bei den frühen ENSLAVED und HELHEIM, bei WONGRAVEN und dem Debüt SATYRICONs? Nun, dann wird NÀTTSÒL euch sehr viel geben können. Nehmt es an!
Anspieltipps: Wegen der ausgeprägten Stimmungsbetontheit empfiehlt es sich, das Album als Ganzes zu hören.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle