NYCTOPHOBIA - Vom Abgrund des menschlichen Seins
Mehr über Nyctophobia
- Genre:
- Black Metal
- Label:
- Eigenpressung / Eigenvertrieb
- Release:
- 01.12.2008
- Die Plagen
- Corpus Invitae
- Der Mensch in mir ist tot
- Nordland
- Berge des Wahnsinns
- Flammentod
- Das Ende (Instrumental)
Nordbadischer Melo-Black-Metal mit guten Ansätzen aber auch noch mit einem weiten Weg bis an die Spitze.
Die CD in den Schacht geschoben, knappe zehn Sekunden laufen gelassen, und es denkt im Rezensenten: DISSECTION! Das Riffing und der Sound des Openers erinnern über gewisse Strecken sehr stark an die Vorreiter des schwedischen Black/Death Metals mit Melodie, wobei das gelegentlich hinzu tretende Keyboard die messerscharfe Präzision und Aggressivität stark weich zeichnet, die Jon Nödtveidt und seine Mannen in den Neunzigern auszeichnete. So wird die Assoziation schnell wieder verwischt. Gerade ab dem zweiten Drittel wird durch sehr melodische und fast ein wenig überfrachtete Passagen die Kompromisslosigkeit aufgegeben, die bei den ersten Takten noch zu überwiegen schien. Das muss nichts Schlechtes und kann ganz nach Geschmack sogar Gutes verheißen, doch ich persönlich hätte mir erwünscht, dass das Riffgewitter der ersten Takte länger anhält.
Beim zweiten Stück 'Corpus Invitae' fallen die harten und wuchtigen Riffs zunächst komplett weg und es erhebt sich ein düsteres, klangmalerisches Bild, das mit massiven Synths, Pianoklängen, einigen akustischen Gitarren und beschwörend gesprochenem deutschsprachigem Gesang eine leicht gotische Atmosphäre aufbaut und gar Ambient-Gefilde streift, bevor im zweiten Drittel auch harte Gitarren auftauchen, die allerdings keine allzu eindrucksvollen Riffs aufzuweisen haben, bis bei ca. 2:50 doch tatsächlich ein knackiges Gitarrensegment den Song rettet.
Auch bei 'Der Mensch in mir ist tot' regiert zuerst das Keyboard, mächtig und majestätisch setzt es die Stimmung und zitiert ein Stückchen weit die Melodielinien, welche wir von den Größen des Keyboard-Black-Metals kennen. Die Ansätze sind dabei nicht schlecht, doch gelingt es den Nordbadenern nach meinem Empfinden nur eingeschränkt, eine ausgewogene Balance zwischen der für den Stil notwendigen Bissigkeit und Härte auf der einen Seite und dem morbid-finsteren Bombast auf der anderen Seite herzustellen. Für ausgesprochene Fans des Subgenres mag dies seinen Reiz haben, doch wer alle Schubladen des schwarzmetallischen Wandschranks gleichermaßen schätzt, der wird in dieser speziellen Sparte etliche Größen finden, welche den Stil weitaus vollendeter und zwingender zelebrieren.
Wenn etwa 'Nordland' mit gefälligen Tempowechseln und sauber gesetzten Breaks aufwartet, dann lässt sich klar erkennen, dass die Jungs von NYCTOPHOBIA ihr Handwerk sauber beherrschen, doch auch hier fehlt mir der Fluss und die innere Logik, die beispielsweise das ruhigere Mittelstück ab 1:40 als unverzichtbaren Teil des Stückes etablieren würde. Damit will ich nicht besonders schlau wirken oder den Songwriting-Experten raushängen lassen, der ich nicht bin. Einem anderen Hörer mag sich der Fluss offenbaren und das Stück sich voll erschließen. Für mich stellt es sich aber leider so dar, dass ich konstatieren muss, dass der Weg auf Augenhöhe mit den Größen des Genres zu sein, noch ein sehr weiter ist.
Dafür wünsche ich dem Sextett aus der Karlsruher Gegend viel Erfolg. Mit etwas mehr Mut zu Ecken und Kanten und zum eigenen Antlitz, könnte aus den soliden Anfängen echt was werden. Die deutschen Texte sind zum Beispiel schon mal eine gute Sache, die ein wenig eigenes Profil erzeugt. Einstweilen können beinharte Fans des musikalischen DIMMU BORGIR-Dunstkreises mal reinhören oder sich das Scheibchen bei der Band bestellen. Wer das Genre indes nur am Rande zu streifen pflegt und sich die absoluten Perlen rauspicken will, der ist vorläufig noch bei anderen Bands besser aufgehoben.
Anspieltipps: Die Plagen, Nordland, Flammentod
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle