OPETH - Heritage
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2011
Mehr über Opeth
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 7.75
- Label:
- Roadrunner Records (Warner)
- Release:
- 16.09.2011
- Heritage
- The Devil's Orchard
- I Feel The Dark
- Slither
- Nepenthe
- Häxprocess
- Famine
- The Lines In My Hand
- Folklore
- Marrow Of The Earth
Album Numero zehn und ein abrupter Wechsel zum 70er Prog Rock. Spannende Entwicklung, die nicht jedem Fan uneingeschränkt munden dürfte.
In einem Interview im Vorfeld dieser Veröffentlichung mit dem niederländischen Magazin FaceCulture, das man sich auf Youtube anschauen kann, ließ der OPETH-Frontmann verlauten, er habe zunächst zwei Songs im Stile von "Watershed" geschrieben und aufgenommen - sich dann aber, nachdem 'The Lines In My Hand' entstanden war, dazu entschlossen, in eben jenem Stil weiter zu komponieren und nicht weiter auf den ausgetretenen Pfaden von "Watershed" und den vorherigen Scheiben zu wandeln. Die Aufnahmen der beiden bereits fertigen Songs löschte er anschließend. Ach ja, dieser Mikael "Konsequenz" Åkerfeldt (ist ja nicht so, dass man so etwas nicht mal irgendwo als Bonus mit drauf packen könnte). Wenn schon, dann richtig...
Es ist tatsächlich ein überraschend großer Schritt vom letzten Album zu "Heritage". Ein Song wie 'Porcelain Heart' von der 2008er "Watershed" gibt zumindest ansatzweise die Richtung vor (man denke sich nur die Rifferuptionen weg), die auf nahezu der gesamten neuen Scheibe dominiert. Allerdings fällt vor allem die ebenso konsequente wie deutliche Weiterentwicklung / Abkehr (je nachdem, wie man sich zu diesem Wechsel positioniert) auf, die mit Album Numero zehn einhergeht. Growls und eigentlich nahezu alles Metallische sind passé - ausschließlicher Klargesang, eine über weite Strecken sehr verhaltene, fast schon verträumte Ausrichtung sowie eine starke Tendenz zu noch progressiveren Elementen charakterisieren die OPETH des Jahres 2011. Nicht nur bei der Singleauskopplung 'The Devil's Orchard' fällt dieser progressive Einschlag mit ebensolchen, teilweise regelrecht abgedrehten Rhythmen auf, die bei dieser Nummer sogar bis ins Jazzige abdriften. Das hat was, definitiv. Eine ganze Ecke unspektakulärer dudelt 'I Feel The Dark' vor sich hin, damit dürfte man sich als verwöhnter OPETH-Anhänger eher schwer tun. 'Slither' lebt und pulsiert anschließend so wie man es sich wünscht - diese mitreißende, treibende Dynamik geht jedoch leider vielen anderen Stücken auf diesem Rundling ab. Denn überraschenderweise besteht bei Songs wie 'Famine' sogar akute Einschlafgefahr, denn da passiert nicht viel, außerdem ist die Nummer irgendwie schlicht zu leise.
Nachdem also das tolle 'Slither' und teilweise 'The Devil's Orchard' Hoffnung auf eine trotz Neuausrichtung gelungene Scheibe machen, gibt das Trippel 'Nepenthe', 'Häxprocess' und 'Famine' im Mittelteil den Ausschlag, diese Art von OPETH-Album dann doch als ein Stück zu seicht, zu wenig mitreißend einzustufen - meiner Ansicht nach bleiben Åkerfeldt & Co. hier hinter ihren Möglichkeiten zurück. Da fehlt das Hervorstechende, das Strukturgebende, das Aufreibende, das man sonst von OPETH gewohnt ist. Ich störe mich nicht an der gemäßigten Gangart, denn schon immer haben die Schweden auch auf diesem Gebiet Hervorragendes abgeliefert, doch so ganz ohne Akzente und prägnante Songideen funktioniert so etwas eben nicht. Da fühle ich mich eher, wenn auch stilistisch nicht vergleichbar, bei einem Werk wie DEVIN TOWNSENDs "Ghost" zu Hause, auf dem ruhige Klänge tatsächlich (nicht immer, aber zumindest bei einigen wunderbaren Stücken) mit filigraner Eleganz in Szene gesetzt werden. Diese Höhepunkte lässt "Heritage" überwiegend vermissen, Ausnahmen sind 'The Devil's Orchard', 'Slither', 'Folklore' und das in seinem Anderssein dann doch sehr interessant geratene 'The Lines In My Hand'.
Man kann und sollte also nicht gleich alles schlecht reden und "Heritage" ist immer noch besser als vieles, was einem sonst so um die Ohren gehauen wird, doch im internen Vergleich fällt mir im Moment kein einziges OPETH-Album ein, demgegenüber ich "Heritage" den Vorzug geben würde. Vor allem fällt der deutliche Unterschied zur anno 2003 als ebenfalls sehr unmetallisch-entspanntes Album rausgekommenen "Damnation" auf. Auch auf dieser Scheibe ging es ohne Growls und ruppigere Riffattacken ab, trotzdem tummeln sich u.a. mit 'In My Time Of Need', 'Ending Credits' und 'Windowpane' etliche großartige Nummer voll monumentaler Schönheit darauf. Es gilt also keineswegs generell die Formel ruhig = langweilig, allerdings auch nicht auf "Heritage". So gibt es auch tolle sphärische Passagen wie in der recht weit hinten versteckten Nummer 'Folklore', die den Hörer im zweiten Teil komplett in den Bann zieht. Auch 'The Lines In My Hand' mit diesem hintergründigen Groove und seiner anregenden Verspieltheit hat durchaus Charme, aber das sind Momente, die sich zwar durch das gesamte Album ziehen, aber eben auch hin und wieder von zähen, spannungsarmen Passagen abgelöst werden.
Letztendlich ist es nicht im Mindesten verwunderlich, dass auch OPETH "mit dem Alter" ruhiger werden - diesen Weg gingen und gehen viele Bands, die ursprünglich mal im heftigen Death oder Doom Metal heimisch waren und teilweise ebendiese Genres sogar entscheidend mitgeprägt haben. Dennoch habe ich den Eindruck, dass im Falle von OPETH dabei auch ein Stück ihrer Genialität auf der Strecke bleibt. Zumindest scheint es naheliegend, dass auch die nächste Scheibe der Schweden wieder in genau diese Kerbe schlägt - mit welchem Ergebnis, wird man sehen. Möglicherweise hätte eine mir unbekannte Band mit diesem Album sogar weniger Punkte bekommen, aber immerhin thront über allem die wunderbare und unverwechselbare Stimme des Mikael Åkerfeldt und dafür kann "Heritage" schon allein aus nostalgischen Gründen nicht abgestraft werden. Außerdem sollte nicht untergehen, dass es bei der Hälfte der Stücke wirklich Erhebendes zu erlauschen gibt, was die Gesamteinschätzung ja letztendlich so erschwert. Dass ich die Scheibe zukünftig allerdings so häufig auflegen werde, wie bei bisherigen OPETH-Alben geschehen, ist indes recht unwahrscheinlich.
Anspieltipps: The Devil's Orchard, Slither, The Lines In My Hand, Folklore
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer