OWMAN, CHRISTINE - Little Beast
Mehr über Owman, Christine
- Genre:
- Indie / Songwriter
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Glitterhouse (Indigo)
- Release:
- 18.01.2013
- Wait No
- One Of The Folks
- Fear & The Body
- Familiar Act
- Deathbed
- Day 1
- I'm Sorry I
- Devil's Walk
- I'd Rather Die Than Play Dead
- Your Blood
Betörend, düster, atemberaubend - ungewöhnliche Singer-Songwriter-Platte
Kälte und Dunkelheit scheinen zeitgleich mit den ersten Klängen von "Little Beast" Einzug zu halten; die Farben verblassen, ein Geschmack wie von rostigem Stahl macht sich breit, während eine apathisch raunende Frauenstimme gleichzeitig aus allen Winkeln, von allen Wänden widerzuhallen scheint. Aufwühlende Celloklänge, die wie Pinselstriche mit Teer den Raum schwärzen und ein düsteres Fundament ausbreiten, lang gezogene, dissonant seufzende Chöre, und dazwischen immer wieder diese benommen klagende Stimme: "Wait... No... Follow me in vain." Die Wirkung dieser fesselnden musikalischen Vision ist dermaßen greifbar, dass man meint, einer surrealen Stummfilmprojektion beizuwohnen, die sich vollständig, dreidimensional entfaltet, den Raum füllt, sodass dem Hörer zunehmend unbehaglich in seiner Haut wird. Die mysteriöse, verführerische Sängerin scheint geradezu physisch präsent zu sein. Schwarze Magie? Akustische Trickserei? Großartige, vielschichtige künstlerische Symbiose? Von allem etwas, ist man geneigt zu sagen.
Für die ambitionierte Singer-Songwriterin CHRISTINE OWMAN aus Schweden scheint es keine wirklich passende Schublade zu geben. Ihre Bühnenshows bestreitet sie größtenteils alleine, mit Drum-Maschine, Cello, Ukulele, Säge und Glockenspiel, mit Filmprojektionen aus den 20er Jahren und Effektpedalen für die Stimme. Bizarr? In der Tat – und so klingt auch das mir vorliegende dritte Album der außergewöhnlichen Künstlerin. Keine fröhliche Rock-Attitüde im Stile ALANIS MORISSETTEs, keine federleichte Gitarrenmusik à LISA HANNIGAN, keine Ohrwurmrefrains – die einzelnen Songs auf "Little Beast" gleichen eher fragmentarischen Dichtungen und leben von ihrer tiefschürfenden Atmosphäre, von düsteren Klangwänden, alptraumhaften Schattenbildern. Das obskure Cello ist omnipräsent, ob gezupft, gestrichen, gekratzt, und nimmt auch großteils den Platz des Taktgebers ein (durchgängiger Schlagzeug-Groove tritt erst bei 'Deathbed', Track Nr.5, vorübergehend in Erscheinung). Im Vordergrund steht allerdings CHRISTINE OWMANs unvergleichliche Stimme. Durch einen simplen Trick – ihr leiser Gesang wird beim Abmischen über das Lautstärkelevel der Instrumente angehoben – wird Owmans Stimme zum alles dominierenden Element ihrer Kompositionen, was zur Folge hat, dass ihre Anwesenheit beinahe körperlich spürbar wird. Von dieser Präsenz geht eine bedrohliche Erotik aus, so realistisch und fesselnd, als würde uns die Sängerin leibhaftig ins Ohr raunen. So bricht der leicht effektverzerrte Gesang in 'Deathbed' oder 'I’d Rather Die Than Play Dead' ungefragt in die Intimsphäre des Hörers ein und lässt diesem die Nackenhaare zu Berge stehen. Die Grundstimmung auf "Little Beast" scheint einem monochromen Horrorfilm wie "The Ring" entlehnt zu sein, trübselig, bedrohlich - als würde man mit trägen Augen und schmerzenden Gliedern aus einem Rausch erwachen, mit dem man tags zuvor Angst und Hoffnungslosigkeit vertreiben wollte, die nun nach dem Schlaf erbarmungslos ihre Wucht entfalten. In Songs wie 'One Of The Folks' oder 'Familiar Act' knistert es dafür atmosphärisch gewaltig, und gerade im Duo mit Mark Lanegan (QUEENS OF THE STONE AGE) entfaltet sich ein obsessiv-sinnliches Stimmungsbild. Verletzlich, kraftlos, wie im Halbschlaf klingt CHRISTINE OWMAN dagegen im hauchzarten 'Fear & The Body', und schwermütig, mit nachlässigem Country-Gitarrenanschlag bei 'Day 1'. Ihren düsteren, geheimnisvollen Tonfall verlässt sie nur ein einziges Mal dauerhaft, als sie, untermalt von sphärischen Klängen, wie vom Todeskampf geschwächt das ergreifende 'I’m Sorry I' wispert. "Little Beast" endet schließlich aufwühlend-tragisch mit 'Your Blood', einem melancholischen, betrübten kleinen Liebesgedicht.
Mit Rock, geschweige denn mit Metal, hat "Little Beast" im Grunde genommen nicht das Geringste zu tun. Das ändert nichts daran, dass CHRISTINE OWMAN mit ihrem aktuellen Album ein kunstvolles Kleinod gelungen ist, dem jeder Freund anspruchsvoller Musik sein Ohr leihen sollte. Wer sich mitnehmen lassen will auf eine Reise durch ein unheimliches, Klang gewordene Gruselkabinett, wer bereit ist, sich einfangen zu lassen vom Netz einer ebenso betörenden wie unheilvollen Sirene, wer die Bitterkeit kosten, einen Blick in den schwarzen Zerrspiegel zur Schattenwelt werfen möchte, der wird CHRISTINE OWMAN nicht widerstehen können. Das hier ist wahrhafte Kunst. Finger weg, wer unbeschwerte Unterhaltung sucht oder sich für die nächste Feier in Stimmung bringen will. Es sind die Geister des Zwielichts und die unterdrückten Dämonen in uns, die mit "Little Beast" herauf beschworen werden.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Timon Krause