PANZERBALLETT - Übercode Oeuvre
Mehr über Panzerballett
- Genre:
- Jazz-Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Hostile City
- Release:
- 25.04.2025
- Bleed
- Seven Steps To Hell
- The Four Seasons: Summer
- Andromeda
- Ode To Joy (Vocal)
- Pick Up The Pieces
- The Devil's Staircase
- Ode To Joy (Instrumental)
- Andromedaron (Digital Bonustrack)
Musiktheorie und Witz im Wechselspiel!
"Was macht PANZERBALLETT eigentlich?", diese Frage stellte ich mir vor Kurzem. Die Antwort kam prompt und lautet "Übercode Œvre". Das letzte Album "Planet Z" (2020) war mir noch in guter Erinnerung, ist aber tatsächlich schon wieder fünf Jahre her. Höchste Zeit also für neue Hirnkverknotungen bevor sich die alten lösen. Bei der Recherche zum neuen Werk bin ich über die sehr gelungene Kooperation mit der NDR-Big Band aus 2022 gestoßen. Ist Jazz-Metal gesellschaftsfähiger geworden? Nun, wenn ich mir "Übercode Œvre" so anhöre, lässt die Erkenntnis nicht lange auf sich warten: Nein, auf keinen Fall! Die Musik ist weiterhin absolut irrwitzig, im wahrsten Sinne des Wortes.
Doch von Anfang an: Im Review zu "Planet Z" beschrieb mein Kollege Nils Macher die Musik mit einer "MESHUGGAH spielt Jazz-Attitüde". Nun, der Opener anno 2025 ist genau das: MESHUGGAHs 'Bleed' durch den Jazzwolf gedreht. Wer PANZERBALLETT und Mastermind Jan Zehrfeld kennt, weiß, dass sie nicht einfach nachspielen. Nein, sie arrangieren um und erschaffen etwas Neues. Für den MESHUGGAH-Klassiker haben sie sich etwas Besonderes einfallen lassen: Ein offenbar total willkürlich gallopierender Polyrhythmus schraubt sich durch den Song, der den Anschein macht, als ob er schneller und langsam würde - wird er aber nicht! Bevor ich es wusste, vermutete ich schon, dass hier Sebastian Lanser (OBSIDIOUS, Ex-OBSCURA) hinter den Kesseln sitzt. Selbst der 'Radetzkymarsch' findet ein kurzes Gastspiel: großes Kino!
Das gewohnte Konzept der wechselnden Schlagzeuger wird auch bei "Übercode Œvre" beibehalten. Als Schlagzeuger finde ich das natürlich sehr interessant, da man die Stile gut heraushören, miteinander vergleichen oder einfach schmunzelnd den Kopf schütteln kann. So veredelt Morgan Ågren die im Vergleich zum Opener fast eingängige Nummer 'Seven Steps To Hell', das Ergebnis der erneuten Zusammenarbeit mit der Komponistin Nélida Béjar, das dem Titel entsprechend in Septolen gehalten ist. Zurück ins Jahr 1725 geht es mit dem 'Summer' aus VIVALDIs "Vier Jahreszeiten". Dass Klassik und Metal gut zusammengehen können, ist nichts Neues, aber die Herangehensweise von PANZERBALLETT, zusammen mit keinem Geringeren als Marco Minnemann am Schlagwerk, ist extravagant. 'Alien Hip Hop' hingegen tönt eher wie ein spaceiger Metal-Fusion-Song à la PLANET X. Deren Schlagzeuger Virgil Donati ist ja unlängst bei unseren Ballettänzern im Live-Line-up gelandet, und bedient nun bei diesem Stück in seiner einzigartigen Manier nicht nur das Schlagzeug, sondern komponierte es auch.
Nicht so viel anfangen kann ich mit der "Ballade" 'Andromeda', irgendwie fehlt hier die Prise Wahnsinn. Die bekomme ich in Überdosis mit 'Ode To Joy' serviert. Richtig, dabei handelt es sich um eine Neuinterpretation von Friedrich Schillers Hymne "Ode an die Freude". Meine Fresse! Das ist so crazy, dass ich nicht weiß, ob ich es abfeiern oder abartig finden soll. Die Stimmen von den Opernsängerinnen Andromeda Anarchia und Conny Kreitmeier tragen in harmonischer Dissonanz das Gedicht in der Version Ludwig van Beethovens vor, dazu findet eine wie auf dem Artwork angedeutete aufregende Jazz-Metal-Achterbahnfahrt statt. Man weiß manchmal gar nicht, wo man zuerst hinhören soll, es ist teils, als ob alle aneinander vorbei spielen und singen würden. Stimmt natürlich auch hier nicht. Wenn dann noch "Ode an die Freude" geshoutet wird, ist's endgültig vorbei und ich muss immer wieder lachen. Highlight!Schlagzeugerin Anika Nilles setzt der neuen Interpretation des Funk-Klassikers 'Pick Up The Pieces' das i-Tüpfelchen auf: Unbedingt mal das Original der AVERAGE WHITE BAND zum Vergleich antesten! Ursprünglich als Etüde von György Sándor Ligeti für das Klavier gedacht, dreht PANZERBALLETT auch hier an den Schrauben, das Ergebnis ist aber ehrlich gesagt zu verkopft.
Apropos Kopf: Wenn er jetzt noch nicht Matsch ist, wird noch eine rein instrumentale Version von 'Ode To Joy' angeboten, die sich allerdings lohnt, denn Arrangement und Line-up (diesmal mit Donati an den Drums) unterscheiden sich. Eine weitere Version von 'Andromeda' spielt Schlagzeuger Aaron Thier mit 'Andromedaron" ein. Die Variante gefällt mir tatsächlich besser, schade, dass der Track angeblich nur auf der digitalen Veröffentlichung von "Übercode Œvre" zu finden ist.
Dass eine Band nur so gut wie ihr Schlagzeuger ist, wird mit "Übercode Œvre" noch einmal sehr deutlich. Für alle Musiker-Nerds da draußen wird reichlich neues Hirnfutter geboten. Darüber hinaus bekommt man es hier mit einem Album einer einzigartigen Band zu tun, das trotz aller Musiktheorie zum Spaß haben einlädt.
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Jakob Ehmke