PLUTONIUM - Born Again Misanthrope
Mehr über Plutonium
- Genre:
- Black Metal / Industrial Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Eigenpressung / Eigenvertrieb
- Release:
- 11.01.2016
- Born Again Misanthrope
- Cortex Vortex
- The Inverted Panopticon Experience
- Casque Strength
- The Masque Of The Green Demon
- Renuntiationem
- Electric Barbwire Crown Of Thorns
- Alice In Plutoniumland (Two Minute Hate Part III)
- Confessions Of A Suicidal Cryptologist
Vielseitiger, noch nicht immer schlüssiger, aber spannender Black/Industrial/Avantgarde-Mix.
Seit gut zwölf Jahren ist Mr. J. bereits im industriell-schwarzen Metier tätig und macht dabei den schwedischen Metal-Untergrund unsicher. Dies geschah anfangs noch mit Mitstreitern und eine Zeit lang auch mit Label im Rücken, doch inzwischen ist der Protagonist solo und auf eigene Faust unterwegs, was für ihn selbst gleichsam einer Gesundschrumpfung entspricht, denn, so lässt er uns wissen, mit Labels habe man doch immer mal wieder nur Scherereien. Auf jeden Fall nutzt der Mann aus dem schwedischen Karlskoga seine künstlerische Freiheit voll aus und setzt uns sein drittes Studioalbum als hübsches Digisleeve vor, das in seiner Schlichtheit durchaus schmuck geraten ist. Dabei sei es recht streng limitiert, weil der Schwerpunkt der Kampagne eh auf einen digitalen Vertrieb der Musik abziele.
In welcher Form auch immer ihr euch PLUTONIUM nähern möchtet, es erwartet euch jedenfalls eine Mischung aus traditionell nordisch geprägtem Black Metal, mit seinen rasenden, flirrenden Gitarren, den üblichen Disharmonien, den geisterhaften Leadmelodien einerseits, und massiven Einflüssen aus den zugehörigen avantgardistischen Strömungen andererseits, welche vor allem das Nachbarland Norwegen in den vergangenen zwanzig Jahren heimsuchten. Ja, im vorweg genommenen Ergebnis lässt sich mit Bestimmtheit sagen, dass die wiedergeborene Misanthropie PLUTONIUMs sicherlich eher norwegisch geprägt ist, und einer der Haupteinflüsse sind dabei, was mir Mr. J. auf Nachfrage auch bestätigt hat, auf jeden Fall die Gründerväter des Industrial Black Metals von MYSTICUM. Dies merkt man man bereits dem militaristisch voran marschierenden Titelstück ganz dezent an, voll schlägt der Einfluss jedoch vor allem beim folgenden 'Cortex Vortex' mit seinem stoisch hämmernden elektronischen Drumbeat durch, um auch im weiteren Verlauf des Albums immer wieder anzuklingen.
Doch dabei bleibt es nicht, denn "Born Again Misanthrope" schlägt hier und da auch ganz andere Töne an, denen jedoch stets gemein ist, dass sich der Stilmix im Dreieck aus Black Metal, progressiven Sounds und industiellen bis ambienten Klängen bewegt. Der Mann aus Karlskoga versteht es also trotz seiner Bewunderung für Mean Malmberg & Co. recht gut, sein Drittlingswerk sehr abwechslungsreich zu gestalten. Mancher mag meinen, dass sich der Chefstratege dabei verzettle und zu viele verschiedene Stilistika verarbeite, doch diese Ansicht möchte ich nicht teilen. Klar, an manchen Stellen sind auch mir die Breaks etwas zu krass und die Stilwechsel zu krude, doch auf der anderen Seite hält die Scheibe dadurch auch das Spannungslevel hoch, weil immer wieder neue Einflüsse auftauchen, die der Kenner der schwarzmetallischen Avantgarde zwar leicht identifizieren kann, die er jedoch aufgrund ihrer Vielseitigkeit nicht als unkreatives Abkupfern, sondern als kleine Verneigungen im eigenen Kontext des Albums wahrnehmen wird.
Es begegnen uns namentlich etliche hervorragend zum dystopischen Konzept des Albums passende kleine Hinweise auf MAYHEM zu "Grand Declaration"-Zeiten, wenn sich etwa 'The Inverted Panopticon Experience' lavaartig durch die Boxen schleppt, und auf trippig-doomige Weise mit seinem militärischen Groove, dem stoischen Rezitativ, den loopigen Sphären und den isolierten Gitarrenleads loslegt, während beim ganz abrupt darauf folgenden 'Casque Strength' ein relativ flüssiges, positives Riff im Einstieg mal kurz an neuere ENSLAVED denken lässt, bevor der Song auch wieder recht abrupt in sehr ambiente Gefilde wechselt, nur um gleich wieder zurück zu kehren und schließlich in fast schon epischen Black-Metal-Sphären zwischen IMMORTAL und BATHORY zu schließen. Im weiteren Verlauf nähert sich die Band dann bei 'The Masque...' mal aktuelleren SATYRICON und mal THORNS, ja, in ruhigeren, akustisch dominierten Momenten wie auf 'Renuntiationen' durchaus auch mal ULVER oder gar DEATH IN JUNE, oder in progressiven Augenblicken SPIRAL ARCHITECT, bevor an anderer Stelle wieder der Presslufthammer ausgepackt und in punkiger Weise Black Metal zelebriert wird und man bei 'Electric Barbwire' in Teilen gar an eine elektronisch garnierte Version von CARPATHIAN FOREST denken muss, die eine unheilige Allianz mit Moonfog-Ära DARKTHRONE eingeht und von einem hier und da Nintendo-artig dazwischen hämmerndem Beat konterkariert wird.
Kam das plutonische Schaffen in Form des Vorgängeralbums "Devilmentertainment Non-Stop" beim Kollegen Backes vor einigen Jahren gerade wegen der unsteten Ausgestaltung noch ein wenig unter die Räder, da rennt Mr. J. bei mir durchaus etwas offenere Pforten ein. Klar, ein paar schwer verdauliche Momente hat "Born Again Misanthropy" auch für mich, speziell eben die bereits oben erwähnten abrupten Wechsel, die in meinen Ohren nicht immer ganz schlüssig sind, oder einige Drumcomputer-Einlagen, die etwas zu krass und abseitig vor sich hin hämmern, doch bei mir überwiegt immer wieder die Freude an den kleinen, unscheinbaren Verneigungen vor den eigenen Einflüssen, und dem Versuch, dem Ganzen hierbei eine eigene Seele zu verpassen. Das gelingt zwar noch nicht an allen Stellen des Werkes perfekt, aber doch überwiegend sehr gut, so dass das Bemühen mehr als anerkennenswert ist und das Album an vielen Stellen auch wirklich Freude macht. Wer sich nun angesprochen fühlt, der sollte sich nicht scheuen, mit der Band Kontakt aufzunehmen (Facebook) und sich mal intensiver mit den digitalen Hörproben zum neuen Album (Bandcamp mit Kaufoption) beschäftigen.
Anspieltipps: Born Again Misanthrope, Cortex Vortex, The Inverted Panopticon Experience
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle